Inflation und Bürgergeld

Mit der Umstellung von Hartz IV auf das neue Bürgergeld steigt der Regelsatz um knapp 50 Euro an. Doch reicht die Erhöhung in Anbetracht der Inflation und der stetig steigenden Energiekosten überhaupt aus? Kann man hier allgemein noch von einer Grundsicherung sprechen, die ja vorrangig das Existenzminimum absichern soll? Während die Ampel, allen voran Bundeskanzler Olaf Scholz und Bundesarbeitsminister Hubertus Heil, sich selbst feiern, üben die Sozialverbände laut Kritik. Auch die Wohlfahrtsverbände fordern in Bezug auf die Inflation einen viel höheren Regelsatz.

Politiker blenden die Inflation aus

Die Einführung des neuen Bürgergeldes ist in aller Munde, denn die Menschen kämpfen gegen hohe Lebenshaltungskosten an. Da kommt die geplante Erhöhung wie gerufen. Allerdings wird die Erhöhung der Regelsätze die hohe Inflation nicht abfedern können. Es hat den Anschein, als würden Politiker diesen Aspekt völlig ausblenden. Für Bundesarbeitsminister Hubertus Heil ist das Bürgergeld selbsterklärend. Nach seinen Worten soll das Bürgergeld eine Grundsicherung sein, mit der das Existenzminimum abgesichert wird. Nicht mehr und nicht weniger! Anstatt die steigenden Lebenshaltungskosten zu berücksichtigen und die Regelsätze entsprechend anzupassen, stellen die Politiker der Ampel lieber die weiteren Vorteile des Bürgergeldes in den Vordergrund, wie die Erleichterung im Umgang mit Sanktionen und die lukrativen Weiterbildungsangebote. Den kritischen Fragen von Journalisten und Wohlfahrtsverbänden weicht man lieber aus.

An der Berechnung hat sich nichts geändert

Ein wichtiger Kritikpunkt ist auch mit der Einführung des Bürgergeldes geblieben, denn bei der Berechnung des Existenzminimums hat sich überhaupt nichts geändert. Diese Tatsache ist für die sozialen Organisationen unverständlich, da die Berechnungsmethode schon seit Jahren in der Kritik steht. Der Regierung wird Kleinrechnerei vorgeworfen. Zur Orientierung für die Berechnung stehen die durchschnittlichen Ausgaben der Menschen mit dem geringsten Einkommen. Dabei werden aber nur bedarfsrelevante Ausgaben berechnet. Doch auch hier bleibt viel Spielraum für die Einschätzung der Ausgaben. Zimmerpflanzen werden hierbei gleichgestellt mit Zigaretten und den sogenannten nicht bedarfsrelevanten Ausgaben zugeordnet. Ein Beispiel für die typische deutsche Kleinkrämerei, die die tatsächlichen Probleme der armen Bevölkerung nicht erkennt.

Die Regelsatzberechnung in Anbetracht der Inflation

Eigentlich bedarf es keiner großen Berechnungen, denn die Situation vieler Hartz-IV-Empfänger ist selbsterklärend. Schon lange vor dem Ukraine-Krieg und der Pandemie reichte der Regelbetrag zur Beschaffung von Nahrungsmitteln nicht aus. Zahlreiche Bezieher sind auf die Unterstützung der Tafeln angewiesen, weil sie gerade am Ende des Monats kein Geld mehr zum Einkaufen übrig haben. Die Erhöhung durch die Bürgergeldeinführung war somit längst überfällig. Jedoch findet die Inflation hier keine Berücksichtigung. Die Erhöhung deckt noch nicht einmal ansatzweise die ständig steigenden Lebenshaltungskosten. Seit Anfang des Jahres sind die Preise für Nahrungsmittel und nichtalkoholische Getränke enorm angestiegen. Ende September meldete das Statistische Bundesamt einen Anstieg der Erzeugerpreise im Vergleich zum Vormonat um 45,8 %. Der Preisanstieg war der höchste seit Einführung der Aufzeichnungen im Jahre 1949. Im Vergleich dazu sind die Berechnungen der Regelsätze grotesk. Das neue Bürgergeld berücksichtigt Lebensmittelkosten in Höhe von 5,72 Euro pro Tag. Pro Monat kommt man somit auf einen Regelbedarfssatz für Lebensmittel von 174 Euro. Dabei sollte man zudem noch bedenken, dass dieser Bedarf aber erst ab Januar 2023 gilt. Die Inflation bleibt zum jetzigen Zeitpunkt unbeachtet.

Preiserhöhungen werden nicht berücksichtigt

Die steigenden Preiserhöhungen macht selbst der arbeitenden Bevölkerung zu schaffen. Selbst der Mittelstand kämpft gegen die hohen Kosten an. Unverständlich, wie man in dieser Situation gerade die ärmsten Menschen alleine lässt. Schon jetzt müssen viele Hartz-IV-Empfänger sich entscheiden, ob sie lieber hungern oder frieren. Das sind für ein Land wie Deutschland beschämende Zustände. Selbst Ökonomen sprechen von einem nie dagewesenen Preishammer und von Energiekosten, die viele Menschen ohne eine angemessene staatliche Unterstützung nicht mehr bewältigen können. Wirtschaftsexperten glauben sogar, dass sich die Lage noch weiter verschärfen wird. Niemand kann voraussagen, ob wir im Winter erneut von einer weiteren Covid-Welle heimgesucht werden. Auch die Entwicklungen in der Ukraine und die instabile politische Lage in einigen Ländern könnte die Preise weiter steigen lassen. In Anbetracht der gesamten Situation wird die Erhöhung durch das Bürgergeld der armen Bevölkerung nicht helfen.

Die Sozialverbände fordern schon jetzt Abhilfe. Die paritätischen Wohlfahrtsverbände bezeichnen die Erhöhung als einen schlechten Witz. Sie verlangen eine Erhöhung des Regelsatzes um 200 Euro.

Sabine Martholt

Verwandte Artikel