Beiträge von Luca

    Erbschaften im Recht der Grundsicherung für Arbeitsuchende ("Bürgergeld") nach dem SGB II und im Recht der Sozialhilfe nach dem SGB XII


    Es gibt tatsächlich ab dem 01.01.2023 wesentliche Änderungen bei den Erbschaften, wie den Gesetzesmaterialien entnommen werden kann. Erbschaften stellen weder im SGB II noch im SGB XII Einkommen dar, sondern sind im Folgemonat des Zuflusses dem Vermögen zuzuordnen.


    Wer etwas erbt, hat nicht zu befürchten, die Erbschaft nicht behalten zu dürfen, solange sein Vermögensstand die Freibeträge des Vermögens im Monat nach dem Zufluss der Erbschaft nicht übersteigt.


    Beispiel 1:


    Hans erhält Bürgergeld nach dem SGB II und ist alleinstehend. Er hat Vermögen von 20.000 €. Dieses Vermögen liegt unter dem neuen Freibetrag von 40.000 €. Er erbt im Januar 2023 einen Betrag von 5.000 €, über den er nicht verfügt, also nicht ausgibt. Zu Beginn des Monats Februar 2023 beträgt der neue Stand seines Vermögens 25.000 €. Da das Vermögen den Freibetrag von 40.000 € nicht überschreitet, darf sein Leistungsanspruch nicht vom Einsatz seines Vermögens abhängig gemacht werden. Im Ergebnis bleibt die Erbschaft also ohne Auswirkungen auf seinen Leistungsanspruch.


    Beispiel 2:


    Hans erhält Bürgergeld nach dem SGB II und ist alleinstehend. Er hat Vermögen von 38.000 €. Dieses Vermögen liegt unter dem neuen Freibetrag von 40.000 €. Er erbt im Januar 2023 einen Betrag von 5.000 €, über den er nicht verfügt, also nicht ausgibt. Im Februar beträgt der neue Stand seines Vermögens 43.000 €. Da das Vermögen den Freibetrag von 40.000 € übersteigt, hat Hans keinen Leistungsanspruch, sondern zunächst sein Vermögen einzusetzen, bis die Schonvermögensgrenze von 40.000 erreicht ist. In diesem Fall hätte die Erbschaft also Auswirkungen auf seinen Leistungsanspruch.


    Die Beispiele lassen sich entsprechend auf das Recht der Sozialhilfe nach dem SGB XII übertragen - nur mit dem Unterschied, dass der Schonvermögensbetrag dort mit 10.000 € für Alleinstehende wesentlich geringer ist.


    Die erwähnten Gesetzesmaterialien verlinke ich unten. Es handelt sich um die Drucksache 20/4360 vom 09.11.2022, der Beschlussempfehlung und dem Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales (11. Ausschuss). Bezogen auf Erbschaften ist daran im Gesetzgebungsverfahren nichts mehr geändert worden. Ab dem 01.01.2023 wird dies Gesetz werden, nachdem der Bundespräsident das Gesetz unterschrieben hat und es im Bundesgesetzblatt verkündet worden ist. Das ist die letzte formale Hürde.


    Aus der Drucksache 20/4360 zitiere ich wie folgt:


    a) für die Grundsicherung für Arbeitsuchende (Bürgergeld) nach dem SGB II:

    Zitat von Drucksache 20/4360 vom 09.11.2022, Seite 29 "Zu Buchstabe d (Nummer 10 - § 11) "

    Die neue Nummer 7 bestimmt, dass Einnahmen aus Erbschaften kein Einkommen darstellen. Sie stellt eine Sonderregelung zu § 11 Absatz 1 Satz 1 dar. Anders als sonstige einmalige Einnahmen im Sinne von § 11 Absatz 2 Satz 1 werden Einnahmen aus Erbschaften im Zuflussmonat nicht als Einkommen berücksichtigt. Wie alle Einnahmen sind sie aber im Folgemonat des Zuflusses dem Vermögen zuzuordnen. Erbschaften verbleiben damit im Rahmen der Vermögensfreibeträge bei den Leistungsberechtigten und müssen im Zuflussmonat nicht zur Lebensunterhaltssicherung eingesetzt werden. Auf diese Weise bleiben auch finanziell geringfügige Erbschaften dem Leistungsberechtigten erhalten. Dies dient auch der Verwaltungsvereinfachung, da es ansonsten im Zuflussmonat zu Rückforderungen kommen würde.b) für das Recht der Sozialhilfe nach dem SGB XII:

    Zitat von Drucksache 20/4360 vom 09.11.2022, Seite 39 "Zu Buchstabe e) (Nummer 13 - § 82)"

    In § 82 Absatz 1 Satz 2 SGB XII werden mit einer anzufügenden Nummer 9 geregelt, dass Erbschaften kein Einkommen darstellen. Sie stellt eine Sonderregelung zu § 82 Absatz 1 Satz 1 dar. Anders als sonstige einmalige Einkünfte werden Erbschaften im Zuflussmonat nicht als Einkommen qualifiziert, sondern direkt im Folgemonat dem Vermögen zugeschlagen. Erbschaften verbleiben damit im Rahmen der Vermögensfreibeträge bei den Leistungsberechtigten und müssen im Zuflussmonat nicht zur Lebensunterhaltssicherung eingesetzt werden. Auf diese Weise bleiben auch finanziell geringfügige Erbschaften dem Leistungsberechtigten erhalten. Dies dient auch der Verwaltungsvereinfachung.

    Link zur Drucksache: https://dserver.bundestag.de/btd/20/043/2004360.pdf

    Vielen Dank für die schnellen und kompetenten Auskünfte!

    Gern! Das Schonvermögen wird wahrscheinlich ab dem 01.01.2023 nicht mehr 5.000,00 € für Alleinstehende betragen, sondern 10.000,00 €. Mit der Einführung des Bürgergeldgesetzes ist auch eine Änderung des sozialhilferechtlichen Schonvermögens geplant. Sollte die Mutter aus den Ländern Mecklenburg-Vorpommern, Nordrhein-Westfalen oder Schleswig-Holstein kommen, ergibt es Sinn, vorab nach sogenanntem Pflegewohngeld zu fragen. Das ist keine Sozialhilfe, sondern eine Förderung nach Landesrecht. Das würde die Restkosten verringern, falls Anspruch besteht.


    Pflegewohngeld – Wikipedia

    Die Mutter lebt im Altenheim und bezieht eine Rente, die die Heimkosten nur zum Teil abdeckt.

    Lebt die Mutter im Pflegeheim, fällt sie nicht unter die Regelungen des Bürgergeldes. Das Bürgergeld bezieht sich auf die Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Das sollte man nicht mit dem Recht der Sozialhilfe nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) verwechseln.


    Kann die Mutter die Heimkosten nicht aus eigenen Mitteln decken, weswegen der Sozialhilfeträger Hilfe zur Pflege und einen Barbetrag zahlt, schützt die volljährigen Kinder die Regelung des § 94 Abs. 1a des SGB XII. Diese Regelung, die durch das Angehörigen-Entlastungsgesetz zum 01.01.2020 eingeführt wurde, hat folgenden Wortlaut:


    Zitat von § 94 Abs. 1a SGB XII


    (1a) Unterhaltsansprüche der Leistungsberechtigten gegenüber ihren Kindern und Eltern sind nicht zu berücksichtigen, es sei denn, deren jährliches Gesamteinkommen im Sinne des § 16 des Vierten Buches beträgt jeweils mehr als 100 000 Euro (Jahreseinkommensgrenze). Der Übergang von Ansprüchen der Leistungsberechtigten ist ausgeschlossen, sofern Unterhaltsansprüche nach Satz 1 nicht zu berücksichtigen sind. Es wird vermutet, dass das Einkommen der unterhaltsverpflichteten Personen nach Satz 1 die Jahreseinkommensgrenze nicht überschreitet. Zur Widerlegung der Vermutung nach Satz 3 kann der jeweils für die Ausführung des Gesetzes zuständige Träger von den Leistungsberechtigten Angaben verlangen, die Rückschlüsse auf die Einkommensverhältnisse der Unterhaltspflichtigen nach Satz 1 zulassen. Liegen im Einzelfall hinreichende Anhaltspunkte für ein Überschreiten der Jahreseinkommensgrenze vor, so ist § 117 anzuwenden. Die Sätze 1 bis 5 gelten nicht bei Leistungen nach dem Dritten Kapitel an minderjährige Kinder.

    Haben die volljährigen Kinder ein Einkommen von mehr als 100.000 € im Jahr ist also die Frage.

    Handelt es sich um Vermögen, das über einen "Notgroschen" hinaus geht, müsste die Mutter zunächst vom Stamm ihres Vermögens leben, bevor sie einen Unterhaltsanspruch hätte. Selbst wenn kein Vermögen vorhanden wäre, hätte sie eine Erwerbsobliegenheit. Die Möglichkeit, durch die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit den eigenen Bedarf zu decken, führt grundsätzlich dazu, dass keine Unterhaltsberechtigung vorliegt. Das Jobcenter hat zwar grundsätzlich einen Auskunftsanspruch (§ 60 SGB II i.V.m. § 1605 Abs. 1 BGB). Dies gilt aber nur, "soweit dies zur Feststellung eines Unterhaltsanspruchs oder einer Unterhaltsverpflichtung erforderlich ist." Da bei der beschriebenen Gemengelage gar keine Unterhaltsberechtigung der Mutter vorliegen dürfte, wäre nicht einleuchtend, warum das Jobcenter auf die Idee kommen sollte, die volljährigen Kinder anzuschreiben. Die Mutter dürfte nicht unterhaltsberechtigt nach § 1602 Abs. 1 BGB sein, so dass es auf die Leistungsfähigkeit der volljährigen Kinder nicht ankommen kann.