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Kündigung bei Schwerbehinderung – Kündigungsschutz durch Integrationsamt!

Schwerbehinderte Arbeitnehmer sind im Job besonders geschützt – doch welche Rechte haben sie konkret bei einer Kündigung? Unser Artikel auf Bürger & Geld, dem Nachrichtenmagazin des Vereins Für soziales Leben e.V., erklärt verständlich, wie der Kündigungsschutz funktioniert, welche Rolle das Integrationsamt spielt und welche Schritte betroffene Beschäftigte unternehmen können, um ihre Chancen auf Weiterbeschäftigung zu wahren. Informieren Sie sich jetzt über Ihre Möglichkeiten!

Mehr als acht Millionen Menschen in Deutschland leben mit einer anerkannten Schwerbehinderung – ein großer Teil davon ist berufstätig. Damit sie nicht benachteiligt und ihre berufliche Teilhabe gestärkt wird, genießt diese Gruppe einen besonderen, gesetzlich verankerten Kündigungsschutz.

Wer gilt als schwerbehindert?

Schwerbehindert ist laut Sozialgesetzbuch (SGB IX), wer einen Grad der Behinderung (GdB) von mindestens 50 hat oder durch die Agentur für Arbeit als gleichgestellt gilt (bei GdB ab 30, wenn ohne Gleichstellung Nachteile im Berufsleben entstehen könnten).

Besonderer Kündigungsschutz: Das Wichtigste

  • Nicht unkündbar, aber besonders geschützt: Schwerbehinderte und gleichgestellte Arbeitnehmer sind nicht grundsätzlich unkündbar. Eine Kündigung ist aber deutlich erschwert und an strenge formale Vorgaben gebunden.
  • Integrationsamt als zentrale Instanz: Jede Kündigung – ob personen-, verhaltens- oder betriebsbedingt – darf nur nach vorheriger Zustimmung des Integrationsamts erfolgen (§168 SGB IX).
  • Einbeziehung der Schwerbehindertenvertretung: Vor jeder Kündigungsabsicht muss die Schwerbehindertenvertretung im Betrieb informiert und angehört werden.
  • Prüfung der sozialen Rechtfertigung: Das Integrationsamt prüft, ob die Kündigung notwendigerweise erfolgt und nicht nur wegen der Behinderung ausgesprochen werden soll. Zudem muss der Arbeitgeber alle Möglichkeiten einer Weiterbeschäftigung ausschöpfen, etwa durch Arbeitsplatzanpassung.

Wie läuft das Kündigungsverfahren ab?

  1. Kündigungsabsicht mitteilen: Der Arbeitgeber muss seine Kündigungsabsicht zuerst dem Integrationsamt offenlegen – mit ausführlicher Begründung.
  2. Schwerbehindertenvertretung anhören: Parallel dazu ist die betriebliche Schwerbehindertenvertretung zu beteiligen. Sie erhält Gelegenheit zur Stellungnahme – Frist: meist eine Woche.
  3. Prüfung durch Integrationsamt: Das Integrationsamt bewertet den Sachverhalt, holt ggf. Stellungnahmen ein (Arbeitnehmer, Betriebsrat), empfiehlt Lösungen und kann ein Präventionsverfahren starten. Ziel ist, die Kündigung möglichst zu verhindern.
  4. Entscheidung & Kündigung: Erst wenn das Integrationsamt zustimmt, kann die Kündigung verabschiedet werden. Die Zustimmung ist nur innerhalb einer bestimmten Frist gültig.

Besonderheiten und Fristen

  • Probezeit: Innerhalb der ersten sechs Monate des Arbeitsverhältnisses gilt der besondere Kündigungsschutz in der Regel nicht (§173 Abs.1 SGB IX). Allerdings muss der Arbeitgeber auch in dieser Zeit die Schwerbehinderung kennen, um zugunsten des Arbeitnehmers handeln zu können.
  • Nachträgliche Anerkennung: Wer kündigt wird und erst danach einen Antrag auf Schwerbehinderung stellt, kann Schutz nur beanspruchen, wenn der Antrag spätestens drei Wochen vor Zugang der Kündigung gestellt wurde.
  • Außerordentliche Kündigung: Bei schwerwiegenden Pflichtverletzungen (z.B. Diebstahl) kann auch eine fristlose Kündigung erfolgen – mit Zustimmung des Integrationsamts.

Was prüft das Integrationsamt?

Das Amt prüft, ob die Kündigung arbeitsrechtlich zulässig ist, ob andere Maßnahmen möglich sind (Umsetzung, Arbeitsplatzanpassung, BEM) und ob die Kündigung unbegründet mit der Behinderung zusammenhängt. Ohne Zustimmung ist die Kündigung unwirksam. Das Amt gewichtet auch die Interessen des Arbeitgebers vs. die Schutzbedürftigkeit des Betroffenen.

Was können Betroffene tun?

  • Rechtsmittel einlegen: Gegen eine Kündigung oder eine abgelehnte Zustimmung des Integrationsamts kann Klage beim Arbeitsgericht eingereicht werden. Das Gericht prüft dann, ob die Kündigung sozial gerechtfertigt ist und weitere Schutzmechanismen greifen.
  • Beratung nutzen: Expertenrat von Fachanwälten für Arbeitsrecht oder Beratungsstellen (Integrationsfachdienst, Sozialverbände, Gewerkschaft) wird empfohlen.

Zusammenfassung: Kündigungsschutz bei Schwerbehinderung

Schwerbehinderte und ihnen gleichgestellte Arbeitnehmer verfügen über einen umfassenden Kündigungsschutz, der sie vor Diskriminierung auf dem Arbeitsmarkt bewahrt und ihre Integration sowie soziale Teilhabe fördert. Trotzdem kann eine Kündigung in Ausnahmefällen erfolgen, muss aber immer das strenge Verfahren mit Integrationsamt und Schwerbehindertenvertretung durchlaufen. Wer betroffen ist, sollte seine Rechte kennen und professionelle Unterstützung suchen, um sich bestmöglich zu schützen und die Chancen auf Weiterbeschäftigung zu wahren.

Quellen

Landschaftsverband Westfalen Lippe

Redakteure

  • ik

    Sozialrechtsexperte und Redakteur

    Ingo Kosick ist ein renommierter Experte im Bereich des Sozialrechts in Deutschland. Er engagiert sich seit über 30 Jahren in diesem Feld und hat sich als führende Autorität etabliert. Als Vorsitzender des Vereins Für soziales Leben e.V., der 2005 in Lüdinghausen gegründet wurde, setzt er sich für die Unterstützung von Menschen ein, die von Armut und Arbeitslosigkeit betroffen sind. Der Verein bietet über das Internet Informationen, Beratung und Unterstützung für sozial benachteiligte Menschen an. Ingo Kosick ist zudem ein zentraler Autor und Redakteur auf der Plattform buerger-geld.org, die sich auf Themen wie Bürgergeld, Sozialleistungen, Rente und Kindergrundsicherung spezialisiert hat. Seine Artikel bieten fundierte Analysen und rechtlich aufgearbeitete Informationen, die Menschen in schwierigen Lebenssituationen unterstützen sollen. Durch seine langjährige Erfahrung und sein Engagement hat Ingo Kosick maßgeblich dazu beigetragen, dass sozial benachteiligte Menschen in Deutschland besser informiert und unterstützt werden können.

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  • Peter Kosick
    Experte:

    Jurist und Redakteur

    Peter Kosick hat an der Universität Münster Rechtswissenschaften studiert und beide juristische Staatsexamen in Nordrhein-Westfalen mit Erfolg abgelegt. Er arbeitet als freiberuflicher Jurist, ist Autor verschiedener Publikationen und hält Vorträge im Bereich Arbeits- und Sozialrecht. Seit mehr als 30 Jahren engagiert er sich im sozialen Bereich und ist seit der Gründung des Vereins "Für soziales Leben e.V." dort Mitglied. Peter Kosick arbeitet in der Online Redaktion des Vereins und ist der CvD. Seinen Artikeln sieht man an, dass sie sich auf ein fundiertes juristisches Fachwissen gründen. Peter hat ebenfalls ein Herz für die Natur, ist gern "draußen" und setzt sich für den Schutz der Umwelt ein. Seine Arbeit im Redaktionsteam von buerger-geld.org gibt ihm das Gefühl,  etwas Gutes für das Gemeinwohl zu tun.

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