Ein Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) mit dem Aktenzeichen B 5 R 10/23 R sorgt laufend für Diskussionen und weitreichende Folgen im deutschen Rentenrecht. Thema des Prozesses war die Zuordnung von Kindererziehungszeiten bei der gesetzlichen Rentenversicherung – und konkret, ob Väter strukturell benachteiligt werden, wenn im Streitfall die Erziehungszeiten automatisch der Mutter zugeordnet werden. Viele Millionen Eltern in Deutschland sind direkt betroffen, da Kindererziehungszeiten für die spätere Rente essentiell sind.
Sachverhalt: Was wurde vor Gericht verhandelt?
Geklagt hatte ein Vater aus Hessen, dem die Kindererziehungszeiten für seine im Jahr 2001 geborene Tochter von der Deutschen Rentenversicherung nicht anerkannt wurden – obwohl er das Kind gemeinsam mit der Mutter im Haushalt erzogen hatte und die Mutter in den ersten sechs Lebensjahren kaum erwerbstätig war. Nach der Trennung im Jahr 2008 lebte die Tochter eine Zeit lang unklar bei beiden Eltern, eine übereinstimmende Erklärung zur Zuordnung der Erziehungszeiten lag nie vor und Nachweise für eine überwiegende Erziehung durch den Vater bestanden nicht.
Die Deutsche Rentenversicherung entschied – wie es §56 Abs.2 Satz 9 SGB VI vorsieht –, die Erziehungszeiten automatisch der Mutter zuzuordnen. Der Vater klagte sich durch die Instanzen bis zum BSG.
Die wichtigsten Urteilsgründe des Bundessozialgerichts
Das Bundessozialgericht bestätigte die Entscheidungen der Vorinstanzen und wies die Klage ab. Hier die zentralen Punkte des Urteils:
- Keine verfassungswidrige Benachteiligung von Vätern: Das BSG sieht in der automatischen Zuordnung der Rentenpunkte für Kindererziehung an die Mutter keine Diskriminierung der Väter und keine Verletzung des Gleichstellungsgebots gemäß Grundgesetz Art.3. Die Regelung gleicht faktische Nachteile für Mütter aus – und ist damit gerechtfertigt.
- Rechtmäßigkeit der Auffangregelung (§56 Abs.2 Satz 9 SGB VI): Gibt es keine übereinstimmende Erklärung der Eltern sowie keinen klaren Überwieger bei der Erziehung, ordnet das Gesetz die Zeit automatisch der Mutter zu. Ziel ist, strukturelle Nachteile von Frauen bei der Rentenanwartschaft auszugleichen, da Mütter nach wie vor häufiger als Väter Erwerbspausen einlegen – trotz gestiegener Erwerbstätigenquoten von Frauen bleibt der Unterschied bestehen.
- Verhältnismäßigkeit und Gestaltungsspielraum: Väter, die tatsächlich überwiegend erziehen, haben Möglichkeiten, die Erziehungszeit durch Nachweise (z.B. Teilzeitbeschäftigung, Elternzeit, Zeugenaussagen) zu ihren Gunsten anerkennen zu lassen. Die übrigen Regelungen im SGB VI lassen laut BSG genügend Gestaltungsspielraum für eine Zuordnung der Zeit an den Vater, sofern er aktiv wird und dies rechtzeitig dokumentiert und beantragt.
- Keine automatische Gleichbehandlung bei gemeinsamer Erziehung: Erzieht ein Elternteil nicht nachweislich überwiegend, bleibt es bei der gesetzlichen Regelung: Die Zeit wird der Mutter zugesprochen – auch wenn der Vater ebenso anwesend und betreuend war.
Auswirkungen und praktische Tipps für Väter
Das Urteil hat weitreichende Folgen für die Rentenansprüche von Vätern in Deutschland:
- Erziehende Väter verlieren die Anerkennung der Kindererziehungszeit, sofern keine rechtzeitige, detaillierte gemeinsame Erklärung oder ein eindeutiger Nachweis der eigenen Erziehung vorliegt.
- Millionen Väter könnten deshalb in Zukunft weniger Rentenpunkte erhalten.
- Um Benachteiligungen zu vermeiden, sollten Väter frühzeitig ihre Erziehungsleistung nachweisen und gezielt Anträge bei der Rentenversicherung stellen.
- Wichtige Nachweise sind etwa Teilzeitjobs, Elternzeit, Abwesenheit der Mutter, Zeugenaussagen aus dem Umfeld oder Dokumentationen wie Betreuungstagebuch und Arztbesuche.
FAQ zum Kindererziehungszeiten BSG-Urteil
Was muss ein Vater tun, damit ihm Kindererziehungszeiten anerkannt werden?
Väter müssen aktiv eine gemeinsame Erklärung mit der Mutter abgeben oder detailliert nachweisen, dass sie überwiegend erzogen haben – z.B. durch Dokumente, Zeugen, Abwesenheit der Mutter.
Was passiert, wenn Eltern keine Erklärung abgeben?
Dann werden die Kindererziehungszeiten automatisch der Mutter zugeordnet – auch bei gemeinsamer Erziehung.
Ist die Regelung verfassungsgemäß?
Das BSG sieht sie als zulässig und verhältnismäßig, da sie faktische Nachteile von Müttern ausgleicht und Väter Gestaltungsspielraum haben, sofern sie aktiv werden.
Gilt das Urteil für alle Eltern?
Ja – die Auffangregelung betrifft jeden Fall, in dem es keine eindeutige Erklärung und keinen eindeutigen Erziehungsüberwieger gibt.
Zusammenfassung: Kindererziehungszeiten im Zweifel an Mutter
Mit diesem Urteil stärkt das Bundessozialgericht die Auffangregelung zugunsten von Müttern und schafft damit Klarheit für künftige Rentenansprüche. Für Väter ist es essenziell, aktiv ihre Erziehungsleistung zu dokumentieren und entsprechende Anträge bei der Deutschen Rentenversicherung zu stellen, um bei der Rente nicht leer auszugehen.
Quelle
https://www.sozialgerichtsbarkeit.de/node/176557