Schwerbehinderung (GdB 50+) – rechtliche Grundlagen und Bedeutung
- Definition (§ 2 Abs. 2 SGB IX): Menschen sind schwerbehindert, wenn bei ihnen ein Grad der Behinderung von wenigstens 50 festgestellt wird.
- Feststellung: Zuständig sind die Versorgungsämter bzw. Landesämter für Soziales.
- Rechte: Anspruch auf Nachteilsausgleiche, wie:
- Steuerfreibeträge (§ 33b EStG)
- Zusatzurlaub von 5 Tagen (§ 208 Abs. 1 SGB IX)
- Besonderer Kündigungsschutz (§ 168 SGB IX)
👉 Wichtig: Der GdB beeinflusst nicht die Höhe der Rente. Er ist nur ein Status, der Nachteilsausgleiche im Arbeitsleben und Alltag sichert.
Erwerbsminderungsrente – Anspruch nach SGB VI
Die gesetzliche Erwerbsminderungsrente ist in § 43 SGB VI geregelt:
- Volle Erwerbsminderung (§ 43 Abs. 2 SGB VI): Wenn die Leistungsfähigkeit auf weniger als drei Stunden täglich unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes absinkt.
- Teilweise Erwerbsminderung (§ 43 Abs. 1 SGB VI): Wenn drei bis unter sechs Stunden tägliche Arbeit möglich sind.
Voraussetzungen (nach SGB VI):
- Fünf Jahre Mindestversicherungszeit (§ 50 Abs. 1 SGB VI)
- Drei Jahre Pflichtbeiträge in den letzten fünf Jahren
- Ärztliche Begutachtung durch den Rentenversicherungsträger
Hier sieht man: Das Feststellungsverfahren der DRV ist unabhängig vom GdB-Bescheid. Zwar kann ein hoher GdB ein starkes Indiz für gesundheitliche Einschränkungen sein, doch die Rentenversicherung trifft ihre Entscheidung auf Basis eigener medizinischer Gutachten.
Politische Reformen – rechtliche Anpassungen seit 2014
Die Erwerbsminderungsrente wurde mehrfach reformiert, um die Benachteiligung gegenüber Altersrentnern auszugleichen:
- 2014 Reform: Erste Verlängerung der Zurechnungszeit (§ 59 SGB VI) – Hochrechnung der Versicherungszeiten zur Verbesserung der Rente.
- 2019 Rentenpaket: Weitere Ausdehnung der Zurechnungszeiten bis zur Regelaltersgrenze (§ 59 Abs. 1 SGB VI).
- 2024 Leistungsverbesserungsgesetz: Einführung zusätzlicher Zuschläge für Bestandsrentner, geregelt in den §§ 307b und 307d SGB VI.
Zuschlagsregelung 2024 – Paragraphenbezug
Seit Juli 2024 gilt eine neue Zuschlagsregelung:
- § 307b SGB VI: Zuschläge für Erwerbsminderungsrenten mit Rentenbeginn zwischen dem 1. Januar 2001 und dem 31. Dezember 2018 (bis zu 7,5%).
- § 307d SGB VI: Zuschläge für Renten mit Beginn zwischen 2019 und 2023 (bis zu 4,5%).
👉 Klarstellung: Diese Zuschläge gelten für alle EM-Renten in den genannten Zeiträumen, unabhängig vom Grad der Behinderung.
Rechenbeispiele mit Bezug auf Recht
Beispiel 1: Volle Erwerbsminderung, Rente seit 2010 (§ 43 Abs. 2 SGB VI, Zuschlag nach § 307b SGB VI)
- Rente bisher: 950 €
- Zuschlag: +7,5%
- Neue Rente: 1.021,25 €
Beispiel 2: Volle Erwerbsminderung, Rente seit 2021 (§ 43 Abs. 2 i.V.m. § 307d SGB VI)
- Rente bisher: 1.150 €
- Zuschlag: +4,5%
- Neue Rente: 1.201,75 €
Unterschied Schwerbehinderung ≠ Erwerbsminderung
Noch einmal deutlich:
- GdB (SGB IX): Feststellung von gesundheitlichen Einschränkungen und Anspruch auf Nachteilsausgleiche.
- EM-Rente (SGB VI): Anspruch auf Rentenzahlungen bei eingeschränkter Erwerbsfähigkeit.
- Überschneidung: Viele mit GdB 50+ erfüllen die Kriterien für volle oder teilweise Erwerbsminderung – aber beide Systeme sind rechtlich komplett unterschiedlich verankert.
FAQ – juristisch fundiert erklärt
Bekomme ich automatisch EM-Rente, wenn mein GdB bei 50 liegt?
Nein. Der GdB wird nach SGB IX festgestellt, die EM-Rente nach SGB VI. Beide Verfahren sind getrennt.
Gilt die Zuschlagsregelung 2024 auch für Menschen ohne Schwerbehindertenausweis?
a. Der Zuschlag hängt nur vom Rentenbeginn gemäß § 307b/d SGB VI ab.
Muss man die Zuschläge beantragen?
Nein. Die Umsetzung erfolgt automatisch durch die Deutsche Rentenversicherung (§ 115 SGB VI – Rentenanpassung).
Kann ein hoher GdB die EM-Rente erleichtern?
Er wirkt sich nicht direkt auf die Höhe aus. Aber im DRV-Verfahren können ärztliche Befunde, die Grundlage für den GdB sind, auch in die Begutachtung einfließen.
Fazit: Stärkung der EM-Rente, aber keine Erhöhung durch GdB
- Der GdB nach SGB IX bringt Nachteilsausgleiche im Alltag, aber keinen Rentenzuschlag.
- Die Erwerbsminderungsrente nach SGB VI wurde durch Reformen verbessert – mit Zuschlägen von bis zu 7,5% für Bestandsrentner.
- Ab 2024 profitieren Millionen Menschen.
- Dennoch bleibt eine große Herausforderung: Viele EM-Rentner leben weiterhin auf Grundsicherungsniveau (§ 41 SGB XII i.V.m. § 19 Abs. 2 SGB XII).
Damit ist klar: Eine Schwerbehinderung erleichtert Rentenansprüche indirekt, aber die Rentenerhöhung 2024 beruht ausschließlich auf den neuen Zuschlagsregelungen in § 307b/d SGB VI, unabhängig vom GdB.