Für soziales Leben e. V.

gemeinnützig & unabhängig

Stand:

Autor: Experte:

Schwerbehinderung – Landessozialgericht urteilt: Kostenübernahme für privates Gutachten zum GdB! Dann!

Das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen entschied, dass bei Streit um die Bewertung des Grades der Behinderung (GdB) private medizinische Gutachten entscheidend zur Sachaufklärung beitragen können – und dass die Kosten dafür nach § 109 SGG von der Landeskasse getragen werden müssen, sofern das Gutachten maßgeblich zur Klärung des Sachverhalts führt. Alle Details hier auf Bürger & Geld, dem Nachrichtenmagazin des Vereins Für soziales Leben e.V.!

Darum geht es im Gerichtsverfahren: Feststellung des GdB

Das Verfahren drehte sich um die Feststellung eines Grades der Behinderung (GdB) von mindestens 50 und das Merkzeichen „G“ für erhebliche Gehbehinderung. Die Klägerin war mit der ursprünglichen Bewertung ihrer körperlichen und psychischen Einschränkungen durch die zuständige Versorgungsbehörde nicht einverstanden. Im Verlauf des Prozesses brachte sie ein privates medizinisches Sachverständigengutachten ein, das von der Auslegung der Behörde deutlich abwich und wesentliche neue Erkenntnisse lieferte.

Schritt für Schritt: Ablauf des Prozesses

  • Das Sozialgericht Duisburg hatte die Kostenübernahme für das private Gutachten zunächst abgelehnt.
  • Die Klägerin legte Beschwerde beim Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen ein (Az. L 6 SB 210/22 B).
  • Das private Gutachten stellte einen deutlich höheren Einzel-GdB von 20 für die Anpassungsstörung und von 30 für die Angststörung fest.
  • Diese Feststellungen führten dazu, dass die Beklagte (das Land) ein Angebot zur Erledigung des Verfahrens vorlegte.

Dann Kostenübernahme für privat eingeholtes Gutachten zum GdB (§ 109 SGG)!

Das zentrale Thema war die Erstattung der Kosten eines privat eingeholten Gutachtens gemäß § 109 SGG. Die Richter betonten:

  • Wenn ein Gutachten maßgeblich zur Klärung des Sachverhalts beiträgt, muss die Landeskasse die Kosten übernehmen.
  • Das Gutachten muss wesentlich zur Sachaufklärung beigetragen und neue relevante medizinische Aspekte eingebracht haben.

Im vorliegenden Fall war dies gegeben: Das private Gutachten führte zu einer vollständigen Neubewertung der psychischen Erkrankungen und damit zu einem höheren GdB, was die Beklagte zum Einlenken brachte.

Das Gericht urteilte somit: die Kosten für ein privat eingeholtes Gutachten müssen von der beklagten Schwerbehindertenbehörde übernommen werden.

Kostenübernahme des Privatgutachtens

Vorteil für Antragsteller:
Wer im Klageverfahren gegen eine Behörde nach dem SGB IX ein selbst eingeholtes Sachverständigengutachten vorlegt, kann in bestimmten Fällen die Kosten erstattet bekommen, wenn dieses für die gerichtliche Entscheidung ausschlaggebend war.

Weitere finanzielle Entlastung:
Die Klägerin erhielt zudem sämtliche außergerichtlichen Kosten im Beschwerdeverfahren von der Landeskasse erstattet.

Bedeutung für die Praxis

  • Ein solches Urteil stärkt die Position von Menschen, die mit behördlichen Bewertungen ihrer Behinderung oder Erkrankung nicht einverstanden sind.
  • Es lohnt sich, bei komplexen medizinischen Themen ein unabhängiges Gutachten einzuholen.
  • Das Urteil macht deutlich, dass Gerichte umfassende, qualifizierte Sachaufklärung erwarten und dass Behördenfehler nicht auf Kosten der Betroffenen gehen dürfen.

Fazit: Schwerbehinderte können auch ein privates Gutachten zum GdB einholen und Kostenerstattung verlangen

Das Urteil setzt ein wichtiges Zeichen im Schwerbehindertenrecht. Es schafft mehr Rechtssicherheit und Gerechtigkeit bei Streitigkeiten um die Bewertung des GdB. Privat eingeholte Gutachten, die substanzielle neue Fakten liefern, können jetzt nicht nur die gerichtliche Entscheidung beeinflussen, sondern auch finanziell abgesichert werden. Das stärkt den Rechtsschutz und eröffnet Antragstellern neue Wege im Verfahren.

Redakteure

  • ik

    Sozialrechtsexperte und Redakteur

    Ingo Kosick ist ein renommierter Experte im Bereich des Sozialrechts in Deutschland. Er engagiert sich seit über 30 Jahren in diesem Feld und hat sich als führende Autorität etabliert. Als Vorsitzender des Vereins Für soziales Leben e.V., der 2005 in Lüdinghausen gegründet wurde, setzt er sich für die Unterstützung von Menschen ein, die von Armut und Arbeitslosigkeit betroffen sind. Der Verein bietet über das Internet Informationen, Beratung und Unterstützung für sozial benachteiligte Menschen an. Ingo Kosick ist zudem ein zentraler Autor und Redakteur auf der Plattform buerger-geld.org, die sich auf Themen wie Bürgergeld, Sozialleistungen, Rente und Kindergrundsicherung spezialisiert hat. Seine Artikel bieten fundierte Analysen und rechtlich aufgearbeitete Informationen, die Menschen in schwierigen Lebenssituationen unterstützen sollen. Durch seine langjährige Erfahrung und sein Engagement hat Ingo Kosick maßgeblich dazu beigetragen, dass sozial benachteiligte Menschen in Deutschland besser informiert und unterstützt werden können.

    Alle Beiträge ansehen Ingo Kosick
  • Peter Kosick
    Experte:

    Jurist und Redakteur

    Peter Kosick hat an der Universität Münster Rechtswissenschaften studiert und beide juristische Staatsexamen in Nordrhein-Westfalen mit Erfolg abgelegt. Er arbeitet als freiberuflicher Jurist, ist Autor verschiedener Publikationen und hält Vorträge im Bereich Arbeits- und Sozialrecht. Seit mehr als 30 Jahren engagiert er sich im sozialen Bereich und ist seit der Gründung des Vereins "Für soziales Leben e.V." dort Mitglied. Peter Kosick arbeitet in der Online Redaktion des Vereins und ist der CvD. Seinen Artikeln sieht man an, dass sie sich auf ein fundiertes juristisches Fachwissen gründen. Peter hat ebenfalls ein Herz für die Natur, ist gern "draußen" und setzt sich für den Schutz der Umwelt ein. Seine Arbeit im Redaktionsteam von buerger-geld.org gibt ihm das Gefühl,  etwas Gutes für das Gemeinwohl zu tun.

    Alle Beiträge ansehen Peter Kosick

Hinweis zur Redaktion und zum Faktencheck
Die Redaktion von Bürger & Geld prüft sämtliche Artikel vor Veröffentlichung sorgfältig nach aktuellen gesetzlichen Grundlagen, offiziellen Statistiken und seriösen Quellen wie Bundesministerien, Sozialverbänden und wissenschaftlichen Studien. Unser Redaktionsteam besteht aus erfahrenen Fachautorinnen für Sozialpolitik, die alle Inhalte regelmäßig überarbeiten und aktualisieren. Jeder Text durchläuft einen strukturierten Faktencheck-Prozess sowie eine redaktionelle Qualitätssicherung, um höchste Genauigkeit und Transparenz zu gewährleisten. Bei allen wesentlichen Aussagen werden Primärquellen direkt im Fließtext verlinkt. Die Unabhängigkeit von Werbung und Drittinteressen sichert neutralen Journalismus – zum Schutz unserer Leserinnen und zur Förderung der öffentlichen Meinungsbildung.


Verantwortlich für die Inhalte auf dieser Seite: Redaktion des Vereins Für soziales Leben e. V. – Ihre Experten rund um Soziale Sicherheit und Altersvorsorge.