Witwenrente: Streit um die Versorgungsehe – Das steckt hinter dem Urteil
Das Urteil dreht sich um eine Frau, die ihren schwer kranken Lebensgefährten nach sieben Jahren Beziehung im Krankenhaus heiratete. Der Ehemann verstarb nur sieben Tage nach der Eheschließung. Die Klägerin beantragte daraufhin eine große Witwenrente, die ihr von der Rentenversicherung mit Verweis auf die gesetzlich vermutete Versorgungsehe und die zu kurze Ehedauer verweigert wurde. Nach mehreren Instanzen entschied das Landessozialgericht Baden-Württemberg abschließend gegen die Klägerin.
Juristischer Hintergrund: Versorgungsehe und Anspruchsausschluss
Nach § 46 Abs. 2a SGB VI ist die Witwenrente ausgeschlossen, wenn die Ehe weniger als ein Jahr andauerte. Hier gilt die Vermutung, dass der primäre oder überwiegende Zweck der Eheschließung die Versorgung durch Hinterbliebenenleistungen war. Diese gesetzliche Vermutung kann widerlegt werden, wenn besondere Umstände nachgewiesen sind, die zeigen, dass die Ehe aus anderen als Versorgungsgesichtspunkten geschlossen wurde.
Die Fakten im vorliegenden Fall
Das Gericht würdigte die langjährige Beziehung, die gemeinsame Wohnung und gegenseitige Unterstützung, ebenso wie die testamentarische Erbfolge und die Vollmachten. Die Klägerin betonte ihre religiösen Motive und die innige Partnerschaft, die als Beweggrund für die späte Eheschließung galten. Dennoch wurde die Ehe erst im Krankenhaus geschlossen – kurz vor dem absehbaren Tod des Partners.
Gerichtliche Wertung: Warum reicht die Beziehung nicht zur Widerlegung?
Das LSG stellte klar:
- Die kurze Ehedauer und die tödliche Erkrankung waren der Klägerin bewusst.
- Ein Heiratsentschluss über bloße Absicht hinaus, etwa konkrete vorbereitende Maßnahmen oder ein festes Vorhaben lange vor der Erkenntnis der tödlichen Krankheit, war nicht feststellbar.
- Emotionale Verbundenheit, gemeinsame Glaubensausübung oder familiäre Bindung reichen laut ständiger Rechtsprechung allein nicht aus, um die gesetzliche Vermutung zu widerlegen.
Zur Widerlegung braucht es nachweisbare, gewichtige Umstände, die eindeutig den Versorgungsgedanken überlagern. Im konkreten Fall fehlten konkrete Hochzeitspläne oder Vorbereitungen vor Bekanntwerden der Krankheit. Die Anmeldung der Eheschließung erfolgte erst nach der stationären Aufnahme des Versicherten und der Diagnose der lebensbedrohlichen Infektion.
Besondere Würdigung: Religiöse Motive und Lebensgemeinschaft
Das Gericht prüfte auch die Angaben zur religiösen Motivation kritisch. Die Klägerin konnte nicht ausreichend darlegen, inwiefern die Eheschließung aus ihrem christlichen Glauben heraus und unabhängig vom absehbaren Lebensende des Partners erfolgte. Die Tatsache, dass die siebenjährige Partnerschaft zuvor ohne Trauschein geführt wurde, wurde gewertet als bewusste Entscheidung gegen eine frühere Eheschließung.
Das Ergebnis: Kein Anspruch auf Witwenrente
Das Landessozialgericht entschied – entgegen dem erstinstanzlichen Urteil –, dass die Klägerin die gesetzliche Vermutungsregel der Versorgungsehe nicht widerlegen konnte. Die Klage wurde abgewiesen, die Witwenrente bleibt versagt. Auch einen besonderen Grad der Individualität oder religiöser Überzeugung konnte das Gericht nicht als ausreichend gewichtigen Grund anerkennen.
Fazit: Anspruch auf Witwenrente nach kurzer Ehe bleibt Ausnahmefall
Das Urteil zeigt deutlich, dass bei einer Ehe von unter einem Jahr grundsätzlich vom Versorgungsgedanken ausgegangen wird und hohe Anforderungen an die Widerlegung dieser Vermutung bestehen. Besonders bei Krankheit und Eheschließung im Krankenhaus bedarf es starker, belegbarer Motive außer Versorgungsgesichtspunkten – reine emotionale Bindung und Religion werden rechtlich nicht als ausreichend angesehen.
Quelle
Landessoszialgericht Baden-Württemberg auf sozialgerichtsbarkeit.de