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Witwenrente bekommt ein Problem: die neue Mütterrente 3!

Die Mütterrente war bislang ein Segen für Millionen Mütter mit vor 1992 geborenen Kindern. Mit der geplanten „Mütterrente 3“ kommt nun die groß angekündigte Renten-Gleichstellung – allerdings mit einer Schattenseite: Viele Bezieherinnen von Witwenrente werden durch die neue Regelung spürbare Nachteile erleben. Was wie eine Gerechtigkeitsreform aussieht, kann sich für Hinterbliebene zur finanziellen Falle entwickeln. Warum ist das so und was steckt hinter den neuen Regeln? Die Antwort hier auf Bürger & Geld, dem Nachrichtenmagazin des Vereins Für soziales Leben e.V.!

Was ist die Mütterrente 3?

Mit der Mütterrente 3 plant die Bundesregierung ab dem 1. Januar 2027 eine vollständige Angleichung der Kindererziehungszeiten: Für jedes Kind – egal ob vor oder nach 1992 geboren – werden dann 36 Monate Kindererziehungszeit in der Rente anerkannt. Mütter (und ebenso Väter, Pflegeeltern, Großeltern mit Erziehungszeiten) erhalten durch die Reform für die oft benachteiligte Erziehungsarbeit automatisch mehr Rentenpunkte gutgeschrieben. Das Gesetz wurde im Juli 2025 vorgestellt und soll ab 2027 greifen, die technische Umsetzung und Auszahlung passiert aber erst ab 2028 und wirkt dann rückwirkend.

Mehr Entgeltpunkte für Mütter – warum ist das Problematisch bei der Witwenrente?

Sozialpolitisch begrüßen viele die Reform: Zusätzlich zur bisherigen Mütterrente gibt es nun einen halben Entgeltpunkt (ca. 20,40 € pro Kind und Monat) obendrauf. Dies gilt entweder als maschinelle Gutschrift (bei Bestandsrentnerinnen) oder als voller Ausgleich ab Rentenbeginn 2027. Doch diese Erhöhung wirkt sich in mehrfacher Hinsicht ungünstig auf die Witwenrente aus:

  • Die zusätzlichen Rentenpunkte durch die Mütterrente 3 führen dazu, dass Betroffene jetzt selbst eine höhere eigene Altersrente erhalten.
  • Gleichzeitig greifen aber bei der Witwen- oder Witwerrente die Anrechnungsregeln verschärft: Eigene Renteneinkünfte, auch die neuen Mütterrenten-Beträge, werden auf die Hinterbliebenenrente angerechnet und können diese damit kürzen!

Durch das Zusammenwirken dieser Regeln kann die unterm Strich gezahlte Witwenrente sinken – trotz höherer Gesamtrente.

Wer ist betroffen?

Der Effekt trifft speziell folgende Gruppen:

  • Rentnerinnen, bei denen durch die neuen Kindererziehungszeiten die eigene Rente steigt, parallel aber eine Witwenrente bezogen wird.
  • Frauen (und Männer), die auf Grundsicherung im Alter angewiesen sind: Hier wird ebenfalls jede Rentenerhöhung aus der Mütterrente 3 voll mit der Grundsicherung verrechnet, sodass die Mehrleistung im Zweifel verpufft oder durch Kürzungen kompensiert wird.
  • Bestandsrentnerinnen, deren Kinder vor 1992 geboren wurden, können statt einer Neuberechnung meist pauschal 0,5 Entgeltpunkte pro Kind bekommen – diese wirken sich ebenso auf die Anrechnung bei der Witwenrente aus.

Rechenbeispiel zur Rentenfalle

  • Eine Witwe bezieht neben ihrer eigenen Altersrente von 900 € monatlich eine Witwenrente von 800 €.
  • Durch die Mütterrente 3 erhält sie ab 2028 für zwei vor 1992 geborene Kinder 0,5 zusätzliche Entgeltpunkte pro Kind – das sind rund 40,79 € pro Punkt, also rund 41 € monatlich mehr, insgesamt 82 €.
  • Diese 82 € werden aber als zusätzliches Einkommen auf die Witwenrente angerechnet (nach Abzug des neuen Freibetrags, aktuell 1.076,86 € pro Monat Stand Juli 2025), jeder Cent darüber wird zu 40% von der Witwenrente abgezogen.

Fazit: Die Betroffene hat am Ende deutlich weniger Nettomehrwert als der Schein suggeriert.

Auswirkungen auf die Grundsicherung

Gerade ärmere Rentnerinnen trifft die Anrechnung besonders hart: Wer Grundsicherung bezieht, verliert durch die Anrechnung der Mütterrente 3 einen Teil seiner staatlichen Hilfeleistung. Das Plus gleicht sich also oft durch entsprechende Kürzungen aus.

Politik argumentiert mit Gleichstellung – aber zu welchem Preis?

Die Bundesregierung rechtfertigt die Mütterrente 3 als große Angleichung und Gleichstellung über die Generationen. Für Mütter, die ausschließlich Altersrente beziehen, bringt die Neuerung echten finanziellen Nutzen. Für viele Hinterbliebene, Witwen und Rentnerhaushalte mit Grundsicherung bedeutet sie aber eine Nullrechnung oder sogar Nettoverlust.

Tabelle: So wirkt sich die Mütterrente 3 auf die Witwenrente aus

FallbeispielBisherige eigene RenteNeue Mütterrente 3 (pro Kind)Zusätzliche eigene RenteAnrechnung bei WitwenrenteResultat Netto
Witwe, 1 Kind vor 1992900 €+20,40 €920,40 €Abzug auf Witwenrente (40%)Netto-Plus nur ca. 12 €
Witwe, 2 Kinder vor 1992900 €+40,80 €940,80 €Abzug auf Witwenrente (40%)Netto-Plus nur ca. 25 €
Mit Grundsicherung900 €+40,80 €940,80 €GrundsicherungsabzugNetto-Null

Reaktionen und Ausblick

Sozialverbände, u.a. der Verein Für soziales Leben e.V., warnen bereits vor einer neuen „Rentenschere“: Die Reform will Gerechtigkeit schaffen, streift aber Millionen betroffener Hinterbliebener, die unterm Strich kein oder kaum mehr Geld sehen. Kritiker fordern daher, die Mütterrente 3 bei der Anrechnung auf Hinterbliebenenrenten und Grundsicherung zu privilegieren – wie das in anderen Bereichen auch gemacht wird.

FAQ: Die wichtigsten Fragen zur Mütterrente 3 und Witwenrente

Wann kommt die Mütterrente 3?

Gesetzliche Regelung ab 1. Januar 2027, Auszahlung technisch aber erst ab 2028 rückwirkend.

Muss die Mütterrente beantragt werden?

Nein, die Gutschrift erfolgt automatisch, bei Bestandsrentnerinnen maschinell, für Neurentnerinnen direkt.

Trifft die Rentenkürzung alle Witwen?

Betroffen sind besonders Witwen mit zusätzlicher Altersrente oder Grundsicherung im Alter – dort wird die höhere Mütterrente auf die Hinterbliebenenleistung angerechnet.

Fazit zur Anrechnung der Mütterrente auf die Witwenrente

Für viele Mütter bedeuten die neuen Regelungen weiterhin bessere Rentenperspektiven – aber alle, die Witwenrente beziehen, sollten ab 2028 genau prüfen, ob die Mütterrente 3 nicht zur „Rentenfalle“ wird. Beratungsstellen helfen, individuelle Auswirkungen transparent zu machen.

Redakteure

  • ik

    Sozialrechtsexperte und Redakteur

    Ingo Kosick ist ein renommierter Experte im Bereich des Sozialrechts in Deutschland. Er engagiert sich seit über 30 Jahren in diesem Feld und hat sich als führende Autorität etabliert. Als Vorsitzender des Vereins Für soziales Leben e.V., der 2005 in Lüdinghausen gegründet wurde, setzt er sich für die Unterstützung von Menschen ein, die von Armut und Arbeitslosigkeit betroffen sind. Der Verein bietet über das Internet Informationen, Beratung und Unterstützung für sozial benachteiligte Menschen an. Ingo Kosick ist zudem ein zentraler Autor und Redakteur auf der Plattform buerger-geld.org, die sich auf Themen wie Bürgergeld, Sozialleistungen, Rente und Kindergrundsicherung spezialisiert hat. Seine Artikel bieten fundierte Analysen und rechtlich aufgearbeitete Informationen, die Menschen in schwierigen Lebenssituationen unterstützen sollen. Durch seine langjährige Erfahrung und sein Engagement hat Ingo Kosick maßgeblich dazu beigetragen, dass sozial benachteiligte Menschen in Deutschland besser informiert und unterstützt werden können.

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  • Peter Kosick
    Experte:

    Jurist und Redakteur

    Peter Kosick hat an der Universität Münster Rechtswissenschaften studiert und beide juristische Staatsexamen in Nordrhein-Westfalen mit Erfolg abgelegt. Er arbeitet als freiberuflicher Jurist, ist Autor verschiedener Publikationen und hält Vorträge im Bereich Arbeits- und Sozialrecht. Seit mehr als 30 Jahren engagiert er sich im sozialen Bereich und ist seit der Gründung des Vereins "Für soziales Leben e.V." dort Mitglied. Peter Kosick arbeitet in der Online Redaktion des Vereins und ist der CvD. Seinen Artikeln sieht man an, dass sie sich auf ein fundiertes juristisches Fachwissen gründen. Peter hat ebenfalls ein Herz für die Natur, ist gern "draußen" und setzt sich für den Schutz der Umwelt ein. Seine Arbeit im Redaktionsteam von buerger-geld.org gibt ihm das Gefühl,  etwas Gutes für das Gemeinwohl zu tun.

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