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Arbeitsmarktrente: Volle Rente trotz Teilzeitfähigkeit – Anspruch und Antrag

Die sogenannte Arbeitsmarktrente ist eine Sonderform der Erwerbsminderungsrente: Sie sichert Menschen ab, die zwar noch eingeschränkt arbeiten könnten, aber keinen passenden Teilzeit-Arbeitsplatz finden und deshalb tatsächlich arbeitslos sind. Im Folgenden findest du auf Bürger & Geld, dem Nachrichtenmagazin des Vereins Für soziales Leben e.V., einen Artikel zu diesem Thema, inklusive Definition, Voraussetzungen, Beantragungsprozess und nützlichen Praxisinfos.

Was ist die Arbeitsmarktrente?

Die Arbeitsmarktrente ist keine offizieller Begriff; sie bezeichnet umgangssprachlich eine besondere Leistungsform innerhalb der gesetzlichen Rentenversicherung. Sie richtet sich an Versicherte, deren gesundheitliches Leistungsvermögen ausreicht, um unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes noch zwischen drei und weniger als sechs Stunden täglich zu arbeiten. Gesetzlich liegt dann eine „teilweise Erwerbsminderung“ vor. Die Arbeitsmarktrente kommt ins Spiel, wenn Betroffene keinen leidensgerechten Teilzeitarbeitsplatz finden können – also der Teilzeitarbeitsmarkt für sie verschlossen ist. In diesem Fall erhalten sie die volle Erwerbsminderungsrente, obwohl ihr Restleistungsvermögen theoretisch für eine Teilzeit-Funktion reicht.

  • Der Unterschied zur klassischen Erwerbsminderungsrente: Bei der Arbeitsmarktrente spielt zusätzlich die Lage am Arbeitsmarkt eine Rolle. Die Rente hat eine wichtige finanzielle Kompensationsfunktion, da die volle EM-Rente meist doppelt so hoch bezahlt wird wie die halbe Rente bei teilweiser Erwerbsminderung.

Gesetzliche Grundlage und Rechtsprechung zur Arbeitsmarktrente

Die rechtliche Basis findet sich in § 43 SGB VI. Laut Bundessozialgericht gilt: Wer aus medizinischen Gründen nur noch begrenzt leistungsfähig ist und keinen Arbeitsplatz findet, wird so behandelt, als wäre er voll erwerbsgemindert. Zuvor wurde vom Rentenversicherer verlangt, dass Bewerbungsversuche nachgewiesen werden, doch nach aktueller Rechtsprechung reicht die abstrakte Verschlossenheit des Teilzeitarbeitsmarkts. Nachgewiesene Bemühungen sind nicht mehr nötig.

Wer kann die Arbeitsmarktrente beantragen?

Die wichtigsten Voraussetzungen für einen Anspruch auf Arbeitsmarktrente:

  • Die Leistungsfähigkeit ist medizinisch für mind. 3 aber weniger als 6 Stunden täglich bestätigt.
  • Es besteht keine Möglichkeit, so eine Teilzeittätigkeit am allgemeinen Arbeitsmarkt auszuüben (also ist nachweislich kein leidensgerechter Arbeitsplatz verfügbar).
  • Die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für die Erwerbsminderungsrente sind erfüllt: Mindestens fünf Jahre Wartezeit und mindestens drei Jahre Pflichtbeiträge in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung.
  • Die gesundheitlichen Einschränkungen sind auf „nicht absehbare Zeit“, in der Regel mindestens sechs Monate, zu erwarten.
  • Die Arbeitslosigkeit darf nicht selbst verschuldet sein – eine freiwillige Arbeitslosigkeit führt in der Regel zum Ausschluss.

Ablauf: Antrag auf Arbeitsmarktrente

Die Beantragung erfolgt wie bei der regulären Erwerbsminderungsrente:

  • Der Rentenantrag wird bei der Deutschen Rentenversicherung gestellt, entweder persönlich, schriftlich oder online.
  • Zunächst werden alle medizinischen Unterlagen und Nachweise zu den gesundheitlichen Einschränkungen benötigt. Ein ärztliches Gutachten ist oft Voraussetzung.
  • Zur Feststellung, ob der Teilzeitarbeitsmarkt verschlossen ist, werden ggf. auch Stellungnahmen von der Agentur für Arbeit oder Informationen zum regionalen Arbeitsangebot hinzugezogen.
  • Die Bearbeitungszeit des Rentenantrags kann mehrere Monate dauern – bis zu sechs Monate sind durchaus möglich.
  • Wird die Arbeitsmarktlage bestätigt und alle Voraussetzungen stimmen, gewährt die Deutsche Rentenversicherung die volle Erwerbsminderungsrente als Arbeitsmarktrente.
  • Es empfiehlt sich, spätestens sechs Monate vor Ablauf einer bestehenden Rente einen Neuantrag zu stellen, da der Prozess zeitaufwendig ist.

Praxis-Tipps und häufige Fragen

  • Wer sich beraten lassen will, kann sich an die Beratungsstellen der Deutschen Rentenversicherung wenden. Dort wird der Antrag auf Wunsch elektronisch aufgenommen und direkt weitergeleitet.
  • Die rechtliche Komplexität der Arbeitsmarktrente ist hoch – im Zweifel lohnt sich professionelle Unterstützung von Sozialverbänden oder spezialisierten Anwälten.
  • Ein Anspruch auf die Arbeitsmarktrente besteht grundsätzlich nicht, wenn das tägliche Leistungsvermögen sechsstündig oder höher liegt, oder wenn ein Teilzeitarbeitsplatz vorhanden und zumutbar ist.
  • Wer eine Arbeitsmarktrente erhält, bleibt grundsätzlich verpflichtet, jede zumutbare Arbeit anzunehmen – bei Änderungen der gesundheitlichen Lage kann die Rente entfallen.

Tabelle: Unterschiede und Voraussetzungen der Rente

PunktTeilweise EM-RenteVolle EM-Rente (Arbeitsmarktrente)
Leistungsvermögen3 bis <6 Stunden täglich <3 Stunden oder Teilzeitarbeitsmarkt verschlossen
VoraussetzungTeilzeitarbeitsplatz verfügbar Kein Teilzeitarbeitsplatz verfügbar
Höhe der RenteCa. 50% der vollen Rente ​100% der vollen Rente
BeantragungBei DRVBei DRV, Nachweis der Arbeitsmarktlage

Fazit zur Arbeitsmarktrente

Die Arbeitsmarktrente ist ein wichtiger Rettungsanker für Menschen mit geminderter Erwerbsfähigkeit, die trotz Teilzeit-Leistungsvermögen keinen passenden Arbeitsplatz finden. Wer die Voraussetzungen erfüllt, sollte die Beantragung frühzeitig angehen und sich idealerweise fachkundig unterstützen lassen – so können Fehler vermieden und der Leistungsanspruch gesichert werden.

Redakteure

  • ik

    Sozialrechtsexperte und Redakteur

    Ingo Kosick ist ein renommierter Experte im Bereich des Sozialrechts in Deutschland. Er engagiert sich seit über 30 Jahren in diesem Feld und hat sich als führende Autorität etabliert. Als Vorsitzender des Vereins Für soziales Leben e.V., der 2005 in Lüdinghausen gegründet wurde, setzt er sich für die Unterstützung von Menschen ein, die von Armut und Arbeitslosigkeit betroffen sind. Der Verein bietet über das Internet Informationen, Beratung und Unterstützung für sozial benachteiligte Menschen an.

    Ingo Kosick ist zudem ein zentraler Autor und Redakteur auf der Plattform buerger-geld.org, die sich auf Themen wie Bürgergeld, Sozialleistungen, Rente und Kindergrundsicherung spezialisiert hat. Seine Artikel bieten fundierte Analysen und rechtlich aufgearbeitete Informationen, die Menschen in schwierigen Lebenssituationen unterstützen sollen.

    Durch seine langjährige Erfahrung und sein Engagement hat Ingo Kosick maßgeblich dazu beigetragen, dass sozial benachteiligte Menschen in Deutschland besser informiert und unterstützt werden können.

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  • Peter Kosick
    Experte:

    Jurist und Redakteur

    Peter Kosick hat an der Universität Münster Rechtswissenschaften studiert und beide juristische Staatsexamen in Nordrhein-Westfalen mit Erfolg abgelegt. Er arbeitet als freiberuflicher Jurist, ist Autor verschiedener Publikationen und hält Vorträge im Bereich Arbeits- und Sozialrecht. Seit mehr als 30 Jahren engagiert er sich im sozialen Bereich und ist seit der Gründung des Vereins "Für soziales Leben e.V." dort Mitglied. Peter Kosick arbeitet in der Online Redaktion des Vereins und ist der CvD. Seinen Artikeln sieht man an, dass sie sich auf ein fundiertes juristisches Fachwissen gründen.

    Peter hat ebenfalls ein Herz für die Natur, ist gern "draußen" und setzt sich für den Schutz der Umwelt ein.

    Seine Arbeit im Redaktionsteam von buerger-geld.org gibt ihm das Gefühl,  etwas Gutes für das Gemeinwohl zu tun.

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