Deutschlands Startposition im Rentenvergleich
Deutschland erreicht im Mercer CFA Institute Global Pension Index 2024 nur einen Platz im unteren Mittelfeld und bleibt damit deutlich hinter den Top-Nationen zurück. Die OECD weist für Deutschland eine Nettoersatzquote von rund 50 bis 55 Prozent aus – also deutlich weniger als in vielen Vergleichsländern mit ähnlich hohem Wohlstand.
Hinzu kommt der demografische Druck: Der Anteil älterer Menschen steigt stark, während die Erwerbstätigenbasis schrumpft, sodass das umlagefinanzierte System immer stärker belastet wird. Um die Finanzen zu stabilisieren, wurde das deutsche Rentenniveau gedämpft, was die Lücke zu den durchschnittlichen Erwerbseinkommen größer werden lässt.
Was Spitzenreiter wie die Niederlande besser machen
Die Niederlande führen viele Rankings an, weil sie eine auskömmliche Grundrente mit einer nahezu flächendeckenden, obligatorischen betrieblichen Zusatzrente kombinieren. So erreichen sie Nettoersatzquoten von teils 90 Prozent und mehr, während in Deutschland selbst mit geförderter Privatvorsorge oft deutlich niedrigere Gesamtquoten erzielt werden.
Zugleich gibt es dort strenge Regeln für Kapitaldeckung, Risikostreuung und Transparenz, sodass die zweite Säule nicht nur existiert, sondern auch effizient gemanagt wird. Die Beitragssätze sind hoch, aber klar kommuniziert: Rund 18 Prozent gehen ins staatliche System und etwa noch einmal so viel verpflichtend in kapitalgedeckte Betriebsrenten.
Skandinavische Modelle: Nachhaltigkeit und automatische Anpassung
Länder wie Schweden, Dänemark und Island setzen stark auf Nachhaltigkeit und automatische Stabilisatoren im System. Dort sind das Renteneintrittsalter und die Rentenhöhe teilweise an die Lebenserwartung gekoppelt, sodass steigende Lebensdauer automatisch zu längerer Erwerbsphase oder geringeren Rentenansprüchen führt
Zugleich existieren einkommensunabhängige Grundsicherungen im Alter sowie obligatorische kapitalgedeckte Komponenten, die für breite Teile der Bevölkerung gelten. Dadurch sind die Systeme weniger anfällig für kurzfristige politische Eingriffe und bieten zugleich bessere Perspektiven auf stabile Leistungen bei vertretbarer Beitragsbelastung.
Grundrente und Mindestsicherung: Besserer Schutz unten
Viele der führenden Länder nutzen explizite Grundrenten oder Mindestsicherungen, die über das deutsche Grundsicherungsniveau hinausgehen. Das Ziel ist, Altersarmut strukturell zu verhindern, statt sie über nachgelagerte Fürsorgesysteme abzufedern, wie es in Deutschland mit der Grundsicherung im Alter oder dem Bürgergeld geschieht.
Besonders für Menschen mit gebrochenen Erwerbsbiografien oder niedrigen Einkommen bieten solche Grundrenten ein verlässlicheres Sicherheitsnetz. In Deutschland hängt die Rente dagegen stärker von der individuellen Beitragsbiografie ab, wodurch Lücken, Teilzeit und atypische Beschäftigung deutlich härter durchschlagen.
Pflicht zur zusätzlichen Vorsorge statt freiwilliger Riester
Ein zentraler Unterschied: In den Top-Ländern ist private oder betriebliche Zusatzvorsorge meist obligatorisch oder quasi flächendeckend – nicht nur empfohlen. In Deutschland wurde mit Riester- und Rürup-Rente auf Freiwilligkeit gesetzt, was dazu führte, dass gerade Geringverdiener und Selbstständige häufig unzureichend vorsorgen.
Die Folge ist eine große Spreizung im Alter: Wer zusätzlich sparen konnte, steht insgesamt solide da, während viele andere sich auf eine vergleichsweise niedrige gesetzliche Rente und Grundsicherung verlassen müssen. Länder mit verpflichtender Zusatzvorsorge schaffen hier mehr Gleichmäßigkeit und senken das Risiko späterer Altersarmut.
Steuer- und Familienpolitik als Hebel
Einige Länder integrieren Steuer- und Familienrecht enger in die Alterssicherung, etwa über großzügige Splitting-Systeme, Kinderzuschläge oder staatliche Co-Finanzierung von Vorsorgebeiträgen. Dadurch wird es attraktiver, früh und kontinuierlich Beiträge für das Alter aufzubauen, auch bei mittleren und niedrigen Einkommen.
In Deutschland führen komplexe Förderbedingungen, Bürokratie und teils unübersichtliche Kostenstrukturen dazu, dass viele Menschen das Potenzial der privaten Altersvorsorge nicht ausschöpfen. Andere Staaten punkten hier mit einfacher gestalteten Standardprodukten und automatischer Einbeziehung („auto-enrolment“) mit Opt-out statt Opt-in.
Renteneintrittsalter: Klare Koppelung statt Dauerstreit
Mehrere OECD-Staaten haben ihr Renteneintrittsalter bereits fest an die Entwicklung der Lebenserwartung gekoppelt. Anpassungen erfolgen dort automatisch nach transparenten Formeln, sodass politische Einzelentscheidungen weniger nötig sind und die langfristige Finanzierbarkeit besser planbar bleibt.
Deutschland erhöht das gesetzliche Rentenalter zwar schrittweise auf 67 Jahre, eine darüber hinausgehende Koppelung an die Lebenserwartung ist aber politisch hoch umstritten. Im internationalen Vergleich fehlen damit automatische Stabilisatoren, die langfristig helfen könnten, Beiträge und Leistungsniveau im Gleichgewicht zu halten.
Was Deutschland aus anderen Rentensystemen lernen kann
- Stärkere Grundsicherung: Eine klar definierte, auskömmliche Grundrente könnte die Gefahr von Altersarmut deutlich reduzieren.
- Verpflichtende Zusatzvorsorge: Ein konsequentes Drei-Säulen-Modell mit Pflicht zur kapitalgedeckten Vorsorge würde die Gesamtleistungen im Alter erhöhen.
- Automatische Stabilisatoren: Koppelung von Renteneintrittsalter und teilweise auch Anpassungsformel an die Lebenserwartung kann das System zukunftssicherer machen.
Zudem könnten mehr Transparenz und verständliche Standardprodukte nach Vorbild der Spitzenländer das Vertrauen in die Altersvorsorge stärken. Die internationalen Vergleiche zeigen klar: Deutschland muss sich vor allem bei Angemessenheit und Nachhaltigkeit seines Rentensystems deutlich verbessern, um nicht weiter vom Spitzenniveau wegzurutschen.


