Grundprinzip der Einkommensanrechnung
Bei der großen und der kleinen Witwenrente / Witwerrente wird eigenes Einkommen oberhalb eines Freibetrags auf die Rente angerechnet. Maßgeblich ist dafür ein „bereinigtes“ Einkommen, das aus dem Bruttoeinkommen mit pauschalen Abzügen (für Steuern/Sozialabgaben) ermittelt wird. Einkommen, das unter dem Freibetrag liegt, bleibt vollständig anrechnungsfrei; nur der darüber liegende Teil wird zu 40 % auf die Witwenrente angerechnet.
Freibetrag bei der Witwenrente 2025
Der allgemeine Freibetrag für zusätzliches Einkommen neben der Hinterbliebenenrente beträgt vom 1. Juli 2025 bis 30. Juni 2026 monatlich 1.076,86 Euro in den alten und neuen Bundesländern. Pro Kind, das (potenziell) Anspruch auf Waisenrente hat, erhöht sich dieser Freibetrag um jeweils 228,42 Euro. Die Höhe ergibt sich aus einer festen Formel: 26,4‑facher aktueller Rentenwert, der ab Juli 2025 bundeseinheitlich 40,79 Euro beträgt.
Welche Einkommen überhaupt angerechnet werden
Grundsätzlich anrechenbar sind alle Einkünfte, die der Witwe oder dem Witwer selbst zuzurechnen sind, nicht aber Einkommen von Kindern oder neuen Partnern. Wichtig ist die Unterscheidung zwischen alten und neuen Rechtsfällen („Altrecht“ vs. „Neurecht“):
- In vielen Altrechtsfällen werden vor allem Erwerbseinkommen und bestimmte Lohnersatzleistungen als Einkommen berücksichtigt.
- In Neurechtsfällen wird eine deutlich breitere Palette von Einkünften einbezogen, zum Beispiel auch Renten, Vermietung und Kapitalerträge.
- Altrecht liegt vor, wenn die Ehe vor dem 1. Januar 2002 geschlosen wurde und einer der Ehepartner vor dem 1. Januar 1962 geboren wurde
Typisch: Altrecht (enger Einkommensbegriff)
In sogenannten Altrechtsfällen gilt § 114 SGB IV als Grundlage. Dort werden im Kern nur Erwerbseinkommen und Erwerbsersatzeinkommen erfasst, etwa:
- Arbeitslohn aus Beschäftigung
- Arbeitseinkommen aus selbstständiger Tätigkeit
Nicht angerechnet werden in dieser Konstellation zum Beispiel Einkünfte aus Vermietung, Kapitalerträge, Betriebsrenten, private Renten oder Erträge aus eigenem Vermögen.
Neurecht: Breiter Einkommensbegriff
In Neurechtsfällen werden dagegen viel mehr Einkommensarten bei der Anrechnung berücksichtigt. Dazu gehören neben Erwerbseinkommen unter anderem:
- eigene gesetzliche Alters- oder Erwerbsminderungsrenten
- Betriebsrenten und Versorgungsbezüge
- Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung
- Kapitalerträge.
Dadurch kann die Einkommensanrechnung bei neueren Witwenrentenfällen erheblich stärker ausfallen als bei Altrechtsfällen.
Schritt 1: Einkommen „bereinigen“
Vor der eigentlichen Prüfung gegen den Freibetrag wird das Bruttoeinkommen pauschal in ein „Nettoeinkommen“ umgerechnet. Typische pauschale Abzüge (Richtwerte):
- Arbeitsentgelt aus Beschäftigung: 40 % Abzug
- Arbeitseinkommen aus selbstständiger Tätigkeit: rund 39,8 %
- Einkünfte aus Vermietung/Verpachtung: rund 25 %
- Kapitalvermögen (normal besteuert): rund 25 %
- Beamtenähnliche Bezüge und Betriebsrenten: rund 12,7–29,6 % je nach Art.
Erst dieses bereinigte, pauschale Nettoeinkommen wird mit dem Freibetrag verglichen.
Schritt 2: Vergleich mit dem Freibetrag
Liegt das bereinigte Nettoeinkommen unter oder genau auf dem Freibetrag (plus eventuelle Kinderzuschläge), wird die Witwenrente nicht gekürzt. Übersteigt das Einkommen den Freibetrag, wird nur der übersteigende Teil relevant:
- Differenz = bereinigtes Einkommen – Freibetrag
- von dieser Differenz werden 40 % von der Witwenrente abgezogen.
Dadurch bleibt immer ein Teil des zusätzlichen Einkommens „rentenunschädlich“.
Konkrete Rechenlogik (vereinfacht)
Die Kürzung wird im Grundsatz so berechnet:
- Bruttoeinkommen nach Art pauschal bereinigen (z.B. 40 % Abzug bei Arbeitslohn).
- Bereinigte Beträge aller anrechenbaren Einkünfte addieren.
- Freibetrag (ggf. erhöht um Kinderzuschläge) abziehen.
Selbst relativ kleine monatliche Differenzen über dem Freibetrag können so spürbare Kürzungen der Witwenrente auslösen.
Typische Fallstricke und „versteckte“ Risiken
- Eigene Altersrente kann allein schon den Freibetrag ausschöpfen, sodass zusätzliche Nebenjobs die Witwenrente deutlich mindern.
- In Neurechtsfällen werden zum Teil auch Vermietungserträge und Kapitalerträge einbezogen, was viele Betroffene unterschätzen.
- Ab 2026 sind weitere Detailänderungen in der Berechnung im Gespräch, etwa zur Behandlung bestimmter Rentenzuschläge als anrechenbares Einkommen.
Wer nicht prüft, ob Altrecht oder Neurecht gilt, verzichtet im Zweifel auf mehrere hundert Euro im Monat.
Was nicht als eigenes Einkommen zählt
Keine Anrechnung erfolgt auf Einkommen, das anderen Personen zusteht, etwa dem verstorbenen Ehepartner oder den Kindern. Auch bestimmte Hinterbliebenenleistungen (z.B. Betriebswitwenrenten, die sich unmittelbar aus der Versorgung des Verstorbenen ableiten) können – je nach Rechtslage – außen vor bleiben, weil sie nicht als „eigenes“ Erwerbs- oder Vermögenseinkommen der Witwe gelten. Wichtig ist immer die rechtliche Zuordnung der Einnahme zur Person der Witwe bzw. des Witwers.
Praktische Tipps zur Vermeidung unnötiger Kürzungen
- Unbedingt prüfen (lassen), ob Ihr Fall unter Altrecht oder Neurecht fällt; beim Altrecht werden oft deutlich weniger Einkommensarten angerechnet.
- Einnahmen strukturieren: z.B. Vermietung, Kapitalerträge oder betriebliche Vorsorge so gestalten, dass die anrechenbaren Einkünfte nicht unnötig steigen.
- Minijobs und Teilzeitjobs clever wählen: Ob der Job rentenversicherungspflichtig ist, kann die Bereinigung und damit die Anrechnung beeinflussen.
- Rentenbescheide und Anrechnungsmitteilungen genau prüfen und im Zweifel fachkundige Beratung (Sozialverband, Rentenberater, Anwalt) in Anspruch nehmen.
Kernaussage für Hinterbliebene
Die Witwenrente wird nicht einfach „1:1“ mit anderem Einkommen verrechnet, sondern erst ab einem Freibetrag und dann nur zu 40 %. Entscheidend sind aber die richtige Einordnung (Altrecht/Neurecht), die Art des Einkommens und die korrekte Bereinigung – Fehler hierbei kosten schnell bares Geld.


