Einordnung: Warum die KVdR so wichtig ist
Die KVdR ist die günstige Pflichtversicherung für Rentner innerhalb der gesetzlichen Krankenversicherung. Wer die Voraussetzungen nicht erfüllt, landet als Rentner in der freiwilligen GKV oder in der PKV – meist mit deutlich höheren Beiträgen auf alle Einkünfte.
Kernvoraussetzung ist die sogenannte Vorversicherungszeit: In der zweiten Hälfte des Erwerbslebens muss mindestens 9/10 der Zeit eine Mitgliedschaft oder Familienversicherung in der GKV bestanden haben. Genau an dieser Hürde scheitern viele Menschen, die lange familienversichert oder privat versichert waren – hier greifen die Kinderjahre.
Die 9/10‑Regelung verständlich erklärt
Für die Vorversicherungszeit wird der Zeitraum vom Beginn der ersten Erwerbstätigkeit bis zum Zeitpunkt des Rentenantrags betrachtet. Die Hälfte dieser Rahmenfrist bildet die „zweite Hälfte des Erwerbslebens“, in der zu mindestens 90 Prozent eine gesetzliche Versicherung vorliegen muss.
Dabei zählen Pflichtversicherung, freiwillige Versicherung und Familienversicherung vollwertig mit. Wird die 9/10‑Quote knapp verfehlt, führt dies ohne Kinderanrechnung häufig zum Ausschluss aus der KVdR.
Rechenbeispiel zur Rahmenfrist
- Beginn Erwerbsleben mit 20, Rentenantrag mit 65: Rahmenfrist 45 Jahre.
- Zweite Hälfte: 22,5 Jahre; davon müssen rund 20 Jahre gesetzlich versichert sein, um die 9/10‑Regel zu erfüllen.
- Ohne Kinderanrechnung reichen selbst 18 oder 19 Versicherungsjahre nicht – mit Kindern kann sich das aber ändern.
Kinderregelung: Welche Kinder zählen?
Seit 1. August 2017 werden für jedes Kind pauschal drei Jahre als Vorversicherungszeit in der KVdR angerechnet. Diese Anrechnung erfolgt unabhängig davon, ob in dieser Zeit eine Pflichtversicherung, Familienversicherung oder gar keine eigene GKV-Mitgliedschaft bestand.
Als Kinder im Sinne der Regelung gelten nicht nur leibliche Kinder, sondern auch
- Adoptivkinder,
- Pflegekinder,
- Stiefkinder (bei tatsächlicher Erziehung im Haushalt).
Enkelkinder sind demgegenüber explizit nicht erfasst. Beide Elternteile erhalten jeweils drei Jahre pro Kind angerechnet – es kommt nicht darauf an, wer hauptsächlich erzogen hat.
Rechtliche Grundlage der Kinderanrechnung
Die Kinderanrechnung zur KVdR ist in § 5 Abs. 2 Satz 3 SGB V geregelt. Mit dem Heil- und Hilfsmittelversorgungsgesetz (HHVG) wurde zum 1. August 2017 die pauschale Dreijahres-Anrechnung pro Kind eingeführt, um Eltern – vor allem Mütter – besser zu stellen.
Die Kinderzeiten werden fiktiv der zweiten Hälfte des Erwerbslebens zugerechnet, auch wenn die Kinder deutlich früher geboren wurden. Dadurch kann die 9/10‑Quote oft erst durch die Kinderanrechnung erreicht werden, obwohl die reale Versicherungsbiografie in der zweiten Hälfte Lücken aufweist.
So verändern Kinder die Vorversicherungszeit
Die Kinderjahre erhöhen fiktiv den Anteil gesetzlicher Versicherung in der maßgeblichen Rahmenfrist. Praktisch bedeutet das: Die Versicherungszeit wird gerechnet, als ob für jedes berücksichtigungsfähige Kind drei zusätzliche Jahre GKV-Mitgliedschaft vorliegen würden.
Wichtig ist, dass diese drei Jahre immer voll in die zweite Hälfte der Erwerbsbiografie gelegt werden, selbst wenn die tatsächliche Erziehungszeit früher lag. Dadurch kann etwa eine Mutter, die wegen Familienversicherung oder Teilzeitphasen die 9/10‑Regel knapp verfehlt, durch die Kinderjahre doch noch KVdR-pflichtversichert werden.
Typische Effekt-Szenarien
- Versicherte mit zwei Kindern erhalten fiktiv sechs zusätzliche Jahre Vorversicherungszeit.
- Bei drei Kindern kommen neun Jahre hinzu, was die Quote in vielen Fällen schlagartig über die 9/10‑Schwelle hebt.
- Besonders profitieren Personen mit Unterbrechungen im Erwerbsleben oder langen Phasen der Familienversicherung.
Typische Fallkonstellationen, in denen Kinder helfen
Viele Betroffene erfüllen die Vorversicherungszeit nur dank der Kinderregelung. Typische Konstellationen sind etwa:
- Langjährige Familienversicherung über den Ehepartner: Hier fehlten früher oft „eigene“ Beitragsjahre, obwohl faktisch eine GKV-Anbindung bestand.
- Späte Rückkehr in die GKV aus der PKV: Wer erst im höheren Alter wieder in die gesetzliche Kasse wechselt, kann mit Kinderanrechnung die 9/10‑Regel doch noch knacken.
- Berufsunterbrechungen wegen Kindererziehung: Phasen ohne eigene Pflichtversicherung werden durch die pauschalen Kinderjahre teilweise kompensiert.
Gerade Frauen mit längeren Erziehungszeiten und Teilzeitphasen profitieren überdurchschnittlich von der Neuregelung. Auch Pflege- und Stiefeltern können sich durch anrechenbare Kinderzeiten den Zugang zur KVdR sichern, sofern die Erziehungsvoraussetzungen erfüllt sind.
KVdR mit und ohne Kinderanrechnung im Überblick
| Aspekt | Ohne Kinderanrechnung | Mit Kinderanrechnung (3 Jahre pro Kind) |
|---|---|---|
| Rechtsgrundlage | 9/10‑Regel, § 5 Abs. 1 Nr. 11 SGB V | Zusätzl. § 5 Abs. 2 S. 3 SGB V |
| Berücksichtigte Zeiten | Pflicht‑, freiwillige‑, Familienversicherung | Plus pauschale Kinderjahre als fiktive GKV‑Zeiten |
| Umfang pro Kind | Kein Zusatzanspruch | 3 Jahre Vorversicherungszeit pro Kind |
| Geltende Kinderarten | – | Leibliche, Adoptiv‑, Pflege‑, Stiefkinder |
| Verteilung auf Erwerbsleben | Nur reale Versicherungszeiten zählen | Kinderjahre werden automatisch der zweiten Hälfte zugeschlagen |
| Begünstigte Personengruppen | Versicherte mit lückenloser GKV‑Biografie | Eltern mit Unterbrechungen, Familienversicherung, Späteintritt GKV |
Wie Rentner die Kinderregelung konkret nutzen
Wer kurz vor der Rente steht, sollte die eigene Vorversicherungszeit prüfen und alle berücksichtigungsfähigen Kinder melden. Zuständig ist in der Regel die Krankenkasse, die auf Grundlage der Angaben und Nachweise (Geburtsurkunden, Adoptionsunterlagen, Pflegekinder-Nachweise) die KVdR-Berechtigung ermittelt.
Wichtig ist, dass die Kinderanrechnung auch nachträglich zu einer günstigeren Einstufung führen kann: Stellt sich erst später heraus, dass die 9/10‑Regel dank Kinderzeiten erfüllt ist, kann die KVdR rückwirkend ab Rentenantrag gelten. Betroffene sollten daher Bescheide prüfen und im Zweifel Widerspruch einlegen oder eine Neubewertung der Vorversicherungszeit beantragen.
Praktische Tipps zur Optimierung
- Versicherungsbiografie frühzeitig zusammentragen und Lücken identifizieren (Pflicht-, freiwillige- und Familienversicherung).
- Alle Kinder, auch Stief‑ und Pflegekinder, vollständig gegenüber Krankenkasse und Rentenversicherung angeben.
- Ablehnungsbescheide zur KVdR kritisch prüfen lassen; Sozialverbände und Beratungsstellen kennen die Kinderregelung im Detail.


