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Kündigung wegen Krankschreibung – wann ist das rechtens?

Eine Kündigung während einer Krankschreibung gehört zu den sensibelsten Themen im deutschen Arbeitsrecht und sorgt immer wieder für Unsicherheit. Arbeitnehmer sind durch das Kündigungsschutzgesetz grundsätzlich geschützt, doch in bestimmten Fällen kann eine Kündigung wegen Krankheit durch den Arbeitgeber rechtmäßig sein. Im folgenden Artikel auf Bürger & Geld, dem Nachrichtenmagazin des Vereins Für soziales Leben e.V., werden die Voraussetzungen und typischen Konstellationen praxisnah erklärt.

Rechtlicher Rahmen: Kündigungsschutz bei Krankheit

Das deutsche Arbeitsrecht unterscheidet zwischen betriebsbedingten, verhaltensbedingten und personenbedingten Kündigungen. Eine Kündigung wegen Krankheit fällt fast immer in die Kategorie der personenbedingten Kündigung. Voraussetzung für den Kündigungsschutz sind eine Betriebszugehörigkeit von mehr als sechs Monaten und ein Unternehmen mit mindestens zehn Mitarbeitern.

Wichtig: Auch während einer laufenden Krankschreibung ist eine Kündigung grundsätzlich möglich. Das Gesetz verbietet keine Kündigungen im Krankheitsfall – doch die Hürden sind hoch. Besonders geschützt sind Schwangere, Menschen in Elternzeit und Schwerbehinderte.

Voraussetzungen für eine wirksame krankheitsbedingte Kündigung

Damit eine Kündigung wegen Krankheit vor Gericht Bestand hat, müssen alle folgenden Bedingungen erfüllt sein:

1. Negative Gesundheitsprognose:
Es muss anhand medizinischer Unterlagen deutlich werden, dass der Arbeitnehmer auch künftig längerfristig oder dauerhaft nicht in der Lage sein wird, seine Arbeitsleistung zu erbringen. Die häufig genannte Grenze liegt bei mehr als sechs Wochen Krankheit pro Jahr, insbesondere, wenn keine Besserung zu erwarten ist.​

2. Erhebliche betriebliche Beeinträchtigung:
Der Ausfall des Mitarbeiters muss zu erheblichen organisatorischen, wirtschaftlichen oder finanziellen Belastungen führen: Dazu gehören Lohnfortzahlungen, Ausfälle, Mehraufwand bei Ersatzpersonal oder anhaltende Betriebsstörungen.

3. Keine Möglichkeit der Weiterbeschäftigung:
Bevor gekündigt werden kann, muss der Arbeitgeber prüfen, ob der Mitarbeiter nicht auf einem anderen, seiner Gesundheit entsprechenden Arbeitsplatz eingesetzt werden kann. Nur wenn dies objektiv nicht möglich und dokumentiert ist, darf überhaupt eine Kündigung in Betracht gezogen werden.

4. Interessenabwägung:
Eine individuelle Abwägung muss ergeben, dass dem Unternehmen eine weitere Beschäftigung unter Berücksichtigung aller Umstände unzumutbar wäre. Hier werden Alter, Betriebszugehörigkeit, Familienstand, Sozialdaten und die Chance auf baldige Genesung berücksichtigt.

Kündigung wegen häufiger Kurzerkrankungen

Nicht jede wiederholte Krankschreibung rechtfertigt eine Kündigung. Erst wenn ein Arbeitnehmer Jahr für Jahr länger als sechs Wochen krank ist und keine Besserung absehbar ist, kann eine Kündigung in Betracht gezogen werden. Gerichte prüfen besonders streng, ob eine „Negative Gesundheitsprognose“ besteht.

Kündigung wegen dauerhafter Erkrankung

Auch eine dauerhaft schwere Krankheit kann als Grund für eine Kündigung reichen. Entscheidend ist dabei die ärztliche Prognose: Sieht ein Fachgutachten keinerlei Aussicht auf Genesung innerhalb von zwei Jahren ab Kündigungsausspruch, kann eine Kündigung rechtens sein.

Besondere Fälle – Täuschung, Arbeitsunfähigkeit und arbeitsvertragswidriges Verhalten

Eine Kündigung kann auch ausgesprochen werden, wenn der Arbeitgeber nachweisen kann, dass die Krankheit vorgetäuscht wurde oder der Arbeitnehmer während der Krankschreibung genesungswidriges Verhalten zeigt, das die Heilung hindert. Typische Beispiele sind Aktivitäten, die der attestierten Krankheit klar widersprechen: Tanzen mit Rückenleiden, Schwere Gartenarbeit bei orthopädischer Einschränkung, Sportreisen etc.
Hier sind sorgfältige Ermittlungen, Dokumentation und ggf. Einschaltung des Medizinischen Dienstes (§275 SGB V) nötig. Der bloße Verdacht reicht nicht aus.

Kündigung während Krankheit: Ablauf und Rechte

  • Die Kündigung muss schriftlich erfolgen.
  • Arbeitnehmer haben das Recht auf Kündigungsschutzklage beim Arbeitsgericht – Frist: drei Wochen nach Zugang des Kündigungsschreibens.
  • Besteht ein Betriebsrat, muss dieser bei jeder Kündigung vorher informiert und ggf. angehört werden.
  • Nach Zugang der Kündigung geht die Lohnfortzahlung maximal bis Ende der Kündigungsfrist weiter.

Betriebliches Eingliederungsmanagement (bEM)

Vor einer Kündigung bei häufiger oder langanhaltender Krankheit muss der Arbeitgeber ein betriebliches Eingliederungsmanagement (bEM) anbieten. Wird dies unterlassen, kann eine spätere Kündigung vor Gericht scheitern.

Abfindung und Sozialplan

Im Fall einer krankheitsbedingten Kündigung besteht kein gesetzlicher Anspruch auf Abfindung. Einvernehmliche Lösungen sind aber möglich, um längere Rechtsstreitigkeiten zu vermeiden.

Schutz durch das Kündigungsschutzgesetz

Der Kündigungsschutz gilt nicht:

  • Innerhalb der Probezeit (meist sechs Monate)
  • In Kleinbetrieben mit weniger als zehn Mitarbeitern.

Rechtsprechung und aktuelle Urteile (Stand November 2025)

Neueste Urteile der Landesarbeitsgerichte bestätigen, dass eine krankheitsbedingte Kündigung unter strengen Auflagen zulässig ist – etwa bei häufigen, nicht absehbaren Kurzerkrankungen und negativen Gesundheitsprognosen.

FAQ – Die wichtigsten Fragen im Überblick

Kann ich während einer Krankschreibung gekündigt werden?

Ja. Das Gesetz kennt keinen besonderen Kündigungsschutz während einer Krankschreibung – die Formalien der Kündigung müssen aber eingehalten werden.

Ist eine Kündigung wegen Krankheit immer rechtens?

Nein. Es gelten strenge Voraussetzungen, insbesondere eine negative Gesundheitsprognose, erhebliche Betriebsbeeinträchtigung, keine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit und eine Abwägung der Interessen.

Was tun nach Erhalt einer Kündigung?

Unbedingt rechtlich beraten lassen und ggf. eine Kündigungsschutzklage innerhalb von drei Wochen anstrengen.

Bekomme ich eine Abfindung?

Nur im Einzelfall als freiwillige Leistung – ein gesetzlicher Anspruch besteht nicht.

Was ist das bEM und warum ist es wichtig?

Das Betriebliche Eingliederungsmanagement muss vor einer Kündigung durchgeführt werden, sonst ist die Kündigung oft unwirksam.

Fazit und Praxistipp zur Kündigung wegen Krankheit

Eine Kündigung wegen Krankheit ist nur unter strengen Voraussetzungen rechtens und muss sorgfältig dokumentiert werden. Arbeitnehmer sollten ihr Recht kennen, das bEM wahrnehmen und im Zweifel immer rechtliche Hilfe (Gewerkschaft , Anwalt) suchen.

Vorsorglich sollte in jedem Fall ein Arbeitslosmeldung bei der Bundesagentur für Arbeit und die Beantragung von Arbeitslosengeld erfolgen!

Redakteure

  • ik

    Sozialrechtsexperte und Redakteur

    Ingo Kosick ist ein renommierter Experte im Bereich des Sozialrechts in Deutschland. Er engagiert sich seit über 30 Jahren in diesem Feld und hat sich als führende Autorität etabliert. Als Vorsitzender des Vereins Für soziales Leben e.V., der 2005 in Lüdinghausen gegründet wurde, setzt er sich für die Unterstützung von Menschen ein, die von Armut und Arbeitslosigkeit betroffen sind. Der Verein bietet über das Internet Informationen, Beratung und Unterstützung für sozial benachteiligte Menschen an.

    Ingo Kosick ist zudem ein zentraler Autor und Redakteur auf der Plattform buerger-geld.org, die sich auf Themen wie Bürgergeld, Sozialleistungen, Rente und Kindergrundsicherung spezialisiert hat. Seine Artikel bieten fundierte Analysen und rechtlich aufgearbeitete Informationen, die Menschen in schwierigen Lebenssituationen unterstützen sollen.

    Durch seine langjährige Erfahrung und sein Engagement hat Ingo Kosick maßgeblich dazu beigetragen, dass sozial benachteiligte Menschen in Deutschland besser informiert und unterstützt werden können.

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  • Peter Kosick
    Experte:

    Jurist und Redakteur

    Peter Kosick hat an der Universität Münster Rechtswissenschaften studiert und beide juristische Staatsexamen in Nordrhein-Westfalen mit Erfolg abgelegt. Er arbeitet als freiberuflicher Jurist, ist Autor verschiedener Publikationen und hält Vorträge im Bereich Arbeits- und Sozialrecht. Seit mehr als 30 Jahren engagiert er sich im sozialen Bereich und ist seit der Gründung des Vereins "Für soziales Leben e.V." dort Mitglied. Peter Kosick arbeitet in der Online Redaktion des Vereins und ist der CvD. Seinen Artikeln sieht man an, dass sie sich auf ein fundiertes juristisches Fachwissen gründen.

    Peter hat ebenfalls ein Herz für die Natur, ist gern "draußen" und setzt sich für den Schutz der Umwelt ein.

    Seine Arbeit im Redaktionsteam von buerger-geld.org gibt ihm das Gefühl,  etwas Gutes für das Gemeinwohl zu tun.

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