Einleitung: Bedeutung des 7. Armuts- und Reichtumsberichts
Deutschland steht wirtschaftlich und sozial vor tiefgreifenden Veränderungen. Der siebte Bericht ist ein Gradmesser dafür, wie sich die Lebenslagen der Bevölkerung in den letzten Jahren verschoben haben und welche Akzentsetzungen die Bundesregierung für die Zukunft plant. Die Grundlage bildet ein breiter wissenschaftlicher Konsens und umfangreiche empirische Studien.
Hintergrund und Entstehung des Berichts
Der aktuelle Entwurf wurde vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) unter Einbeziehung zahlreicher wissenschaftlicher Expertisen und ressortübergreifender Zusammenarbeit erarbeitet. Nach der Abstimmung im Ressortkreis wurde das Dokument am 1. Oktober 2025 dem wissenschaftlichen Gutachtergremium zur Stellungnahme zugeleitet. Die Rückmeldungen der Begleitgremien werden in einem Symposium Mitte Oktober diskutiert – anschließend folgt die Verabschiedung im Kabinett und die Vorlage an den Bundestag.
Neben amtlichen Statistiken und Forschungsdaten fließen zahlreiche Begleitstudien zu Bildung, Erwerbstätigkeit, Vermögen und Teilhabe ein.
Schwerpunkte des 7. ARB
1. Aktuelle Herausforderungen: Pandemie, Inflation und Energie
Der Bericht greift zentrale Herausforderungen wie die Corona-Pandemie und die kriegsbedingte Inflation auf. Besonders Haushalte mit niedrigen Einkommen leiden spürbar unter steigenden Preisen für Energie und Konsumgüter. Die soziale Belastung hat sich in diesen Gruppen deutlich verschärft.
2. Einkommen und Vermögensverteilung
Eine der Kernaussagen: Die Einkommensungleichheit in Deutschland bleibt hoch, der Abstand zwischen Arm und Reich wächst weiter. Während das unterste Perzentil der Einkommensverteilung nur geringe Zuwächse verzeichnet, konnten Besserverdienende deutliche Wohlstandssteigerungen erzielen. Die „Mitte“ der Gesellschaft schrumpft, die Ränder wachsen.
| Einkommensgruppe | Reale Entwicklung 2013-2023 | Fazit |
|---|---|---|
| Unteres Perzentil | +5% | Kaum Verbesserung |
| Höchstes Perzentil | +20% | Starke Wohlstandsgewinne |
| Mittelschicht | Stagnierend | Schrumpfende Mitte |
Der Bericht führt erstmals die „verankerte Armutsrisikoquote“ ein, um die Entwicklung auch bei sich verändernden Lebenshaltungskosten darzustellen.
3. Armutsrisiken: Wer ist besonders betroffen?
Der 7. ARB zeigt: Alleinerziehende, Menschen mit Migrationshintergrund, Erwerbslose, Geringqualifizierte und Kinder sind besonders armutsgefährdet. Alleinerziehende Frauen weisen dabei die höchste Betroffenheit auf.
| Gruppe | Armutsgefährdungsquote 2023 |
|---|---|
| Alleinerziehende | 27% |
| Menschen mit Migrationshintergrund | Überdurchschnittlich |
| Geringqualifizierte | Überdurchschnittlich |
| Erwerbslose | Sehr hoch |
Beteiligung und Gesellschaftliche Perspektiven
Erstmals wurden Menschen mit eigener Armutserfahrung systematisch in den Bericht aufgenommen. Durch Veranstaltungsformate und Beteiligungsprozesse soll ihre Perspektive authentisch eingebracht werden – das fördert die Expertise „von unten“ im politischen Prozess.
Die Einstellungen zu sozialer Ungleichheit und Chancengleichheit werden empirisch ausgewertet: Die Mehrheit der Deutschen sieht den Sozialstaat als wichtig, empfindet aber die Kosten als wachsendes Problem.
Forschungsschwerpunkte und Datengrundlagen
Mehrere Begleitprojekte untersuchen die Ursachen der Nichtinanspruchnahme von Sozialhilfe, die soziale Mobilität im Lebensverlauf (Auf- und Abstiege), Vermögensaufbau und die Wahrnehmung von Armut. Im Fokus stehen:
- Die Wirkungen steigender Preise auf unterschiedliche Einkommensgruppen.
- Strukturen und Veränderungen in der Vermögensverteilung.
- Geschlechtsspezifische Einkommensunterschiede und Betroffenheit von Armut.
Soziale Mobilität: Aufstieg und Abstieg
Der Bericht analysiert besonders die „intragenerationale Mobilität“ – also die sozialen Auf- und Abstiege im Lebensverlauf. Forschungsprojekte des ZEW und des Instituts SOCIUM zeigen die außergewöhnliche Persistenz von Ungleichheit und die Schwierigkeiten, sich aus Armutslagen zu befreien.
Wohnen, Gesundheit und Bildung als Zukunftsthemen
Zentrale soziale Lebensbereiche werden vertieft behandelt:
- Wohnen: Hohe Wohnkosten belasten besonders armutsgefährdete Gruppen; die Gefahr der Wohnungslosigkeit steigt.
- Gesundheit: Armutsbetroffene haben ein erhöhtes Risiko für Krankheiten und sind von Versorgungslücken betroffen.
- Bildung: Bildungsbenachteiligung verfestigt soziale Ungleichheiten.
Empfehlungen und Maßnahmen der Bundesregierung
Der Entwurf des 7. ARB fordert „zielgerichtete Reformen“ zur Bekämpfung von Armut und zur Sicherung sozialer Teilhabe.
Empfohlene Strategien umfassen:
- Ausbau existenzsichernder Sozialleistungen mit Fokus auf Kinder, Alleinerziehende und Erwerbslose
- Förderung sozialer Mobilität und mehr Chancengleichheit im Bildungssystem
- Arbeitsmarktpolitik mit Schwerpunkt auf die Integration benachteiligter Gruppen
- Stärkere Unterstützung beim Wohnungsbau und Kampf gegen Wohnungslosigkeit
Sozialverbände wie der DGB und die Caritas fordern eine Ausfinanzierung der Grundsicherung, eine nachhaltige Arbeitsmarktintegration und gezielten Kinderschutz.
Kritik und gesellschaftliche Debatte
Viele Experten kritisieren, dass Handlungsempfehlungen zur Gleichberechtigung von Frauen, zum Abbau struktureller Ungleichheit und zur Armutsprävention fehlen oder zu vage bleiben. Besonders geschlechtsspezifische Einkommensunterschiede und der Zugang zu guter Arbeit werden noch nicht ausreichend adressiert.
Zudem wird die Einführung neuer Indikatoren wie der verankerten Armutsrisikoquote diskutiert – sie ermöglicht zwar eine präzisere Analyse, erschwert aber den Vergleich mit den Vorjahren.
Ausblick: Reformdruck und politische Folgen
Der fertig abgestimmte Bericht soll im Dezember 2025 verabschiedet und dem Bundestag zur Debatte übergeben werden. Die Bundesregierung plant, die Befunde in die laufenden Diskussionen rund um Sozialstaats-, Renten- und Pflegereformen zeitnah einfließen zu lassen.
Fazit: Der 7. ARB als wegweisendes Dokument
Der siebte Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung dokumentiert eine besorgniserregende Entwicklung sozialer Ungleichheit in Deutschland. Der Reformdruck wächst angesichts anhaltender Armutsgefährdung, stagnierender Einkommen für breite Bevölkerungsschichten und den sozialen Verwerfungen der letzten Krisenjahre. Ein neuer Fokus auf Teilhabe, gezielt unterstützte Gruppen und die Expertise von Menschen mit Armutserfahrung bieten Chancen für einen wirksamen sozialpolitischen Wandel.
FAQ zum Entwurf des 7. Armuts- und Reichtumsberichts
Welche Gruppen sind laut Bericht besonders von Armut betroffen?
Alleinerziehende, Menschen mit Migrationshintergrund, Geringqualifizierte und Erwerbslose zählen zu den Hauptbetroffenen.
Wie werden neue Armutsrisiken berechnet?
Neben der etablierten Armutsrisikogrenze führt der Bericht die „verankerte Armutsrisikoquote“ ein, die Veränderungen der Lebenshaltungskosten besser abbilden soll.
Was fordert der Bericht zur Armutsbekämpfung?
Er plädiert für gezielte Reformen, Ausbau der Sozialleistungen, Bildungsförderung und bessere Integration in den Arbeitsmarkt.
Wann wird der Bericht endgültig veröffentlicht?
Die Verabschiedung im Bundeskabinett ist für Dezember 2025 geplant, danach folgt die Vorstellung im Bundestag.


