Wegweisendes Urteil zum Merkzeichen G bei Schwerbehinderung
Das Urteil L 13 SB 73/13 des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg bestätigt, dass das Merkzeichen „G“ auch bei einem Gesamt-GdB unter 50 vergeben werden kann, sofern die Bewegungsfähigkeit infolge einer spezifischen Behinderung im Straßenverkehr erheblich eingeschränkt ist.
Sachverhalt des Verfahrens
Der Kläger, Baujahr 1950, beantragte nach mehreren Operationen einen höheren Grad der Behinderung (GdB) und das Merkzeichen „G“. Ursprünglich wurde ihm ein Gesamt-GdB von 30 zuerkannt, basierend auf Kniegelenkersatz, Lungenfunktionseinschränkung und Bluthochdruck. Mit neuen medizinischen Gutachten und Teilanerkenntnissen wurde der GdB später auf 40 und schließlich auf 50 angehoben. Trotz dieser Entwicklungen wurde das Merkzeichen „G“ durch die Behörde und das Sozialgericht Cottbus zunächst abgelehnt.
Medizinischer Hintergrund der Schwerbehinderung
Das zentrale gesundheitliche Problem des Klägers war die Minderbelastbarkeit des linken Kniegelenks nach mehreren Eingriffen und Endoprothesenwechsel mit Reizkniebildung. Sachverständige stellten fest, dass ihm eine ortsübliche Wegstrecke von zwei Kilometern nicht ohne erhebliche Schwierigkeiten zugemutet werden könne – die Einschränkung sei einer Teilversteifung gleichzusetzen.
Gesundheitliche Voraussetzungen für das Merkzeichen „G“
Nach dem SGB IX haben schwerbehinderte Menschen, deren Beweglichkeit im Straßenverkehr infolge Behinderung erheblich beeinträchtigt ist, Anspruch auf unentgeltliche Beförderung. Die maßgebliche Frage ist, ob Beschwerden und Behinderungen das Zurücklegen der typischer Weise zu Fuß bewältigten Strecken gefährlich oder unzumutbar machen. Üblicherweise gilt eine Wegstrecke von etwa zwei Kilometern in 30 Minuten als Maßstab.
„Doppelte Kausalität“: Ursache und Umfang der Einschränkung
Entscheidend ist laut Gericht nicht allein die Unfähigkeit, die Wegstrecke zurückzulegen, sondern dass die Einschränkung auf eine körperliche Behinderung zurückzuführen ist – sogenannte doppelte Kausalität. Vergleichsmaßstab sind die allgemein anerkannten medizinischen Kriterien und einschlägigen Funktionsstörungen.
Der medizinische Sachverständige
Der vom Gericht hinzugezogene Sozialmediziner bestätigte, dass die durch das Knie verursachte Gang- und Standunsicherheit so gravierend sei, dass das Gehen auf Ortstrecken nicht mehr möglich sei. Die Einschränkung entspreche einer Teilversteifung in ungünstiger Stellung und müsse entsprechend eingestuft werden.
Rechtliche Prüfung und Auslegung im Schwerbehindertenrecht
Das Gericht hob die Entscheidung des Sozialgerichts Cottbus auf und stellte klar, dass die reine Höhe des GdB nicht allein über das Merkzeichen entscheidet. Auch bei einem GdB unter 50 kann das Merkzeichen „G“ vergeben werden, wenn die Funktionsstörungen schwerwiegend genug sind.
Fazit: Bedeutung für das Schwerbehindertenrecht
Das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg mit dem Az L 13 SB 73/13 macht deutlich, dass maßgeblich die individuelle Einschränkung der Bewegungsfähigkeit und nicht allein der numerische Gesamt-GdB für das Merkzeichen „G“ entscheidend ist. Besonders relevant ist dieses Urteil für Betroffene mit komplexen orthopädischen Problemen wie Gelenkersatz.