Für soziales Leben e. V.

gemeinnützig & unabhängig

Stand:

Autor: Experte:

Sensation für Schwangere: Kündigungsschutzklage jetzt auch verspätet zulässig – Bundesarbeitsgericht!

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat in einem wegweisenden Urteil (Az: 2 AZR 156/24) entschieden, dass der besondere Mutterschutz auch dann gilt, wenn eine werdende Mutter die Drei-Wochen-Frist für die Kündigungsschutzklage verpasst. Die Rechte von Schwangeren werden damit erheblich gestärkt, denn das Gericht stellte klar: Der Mutterschutz besitzt Vorrang – sogar dann, wenn die Betroffene ihre Schwangerschaft erst nach Ablauf der Frist erfährt und die Klage später einreicht. Einzelheiten zu diesem "sensationellen" Urteil im folgenden Artikel auf Bürger & Geld, dem Nachrichtenmagazin des Vereins Für soziales Leben e.V.!

Hintergrund: Mutterschutz und das Kündigungsschutzgesetz

Der Gesetzgeber schützt Schwangere besonders stark vor Kündigungen. Nach §17 des Mutterschutzgesetzes (MuSchG) ist eine Kündigung während der Schwangerschaft grundsätzlich unzulässig, sofern der Arbeitgeber vom besonderen Schutz weiß oder rechtzeitig informiert wird. Kennt der Arbeitgeber die Schwangerschaft nicht, ist die Arbeitnehmerin verpflichtet, spätestens zwei Wochen nach Zugang der Kündigung bescheid zu geben.

Gleichzeitig schreibt das Kündigungsschutzgesetz (KSchG) vor, dass eine Kündigungsschutzklage grundsätzlich innerhalb von drei Wochen nach Zugang der Kündigung beim Arbeitsgericht eingereicht werden muss. Versäumt eine Arbeitnehmerin diese Frist, gilt die Kündigung normalerweise als wirksam – selbst wenn sie objektiv angreifbar wäre.

Das Besondere am aktuellen Urteil des Bundesarbeitsgerichts

Im vorliegenden Fall hatte die Klägerin erst nach Ablauf der dreiwöchigen Klagefrist sicher erfahren, dass sie im Zeitpunkt der Kündigung tatsächlich schwanger war. Sie hatte zwar einen Schwangerschaftstest gemacht, aber das Ergebnis durch eine ärztliche Untersuchung erst verspätet bestätigen lassen können. Den Antrag auf nachträgliche Zulassung der Klage stellte sie umgehend, nachdem sie von der ärztlichen Bestätigung wusste.

Das BAG urteilte: Die verspätete Klage ist wegen des Mutterschutzes nachträglich zuzulassen, wenn die Arbeitnehmerin ohne eigenes Verschulden erst nach Ablauf der Drei-Wochen-Frist von ihrer Schwangerschaft zum Kündigungszeitpunkt Kenntnis erlangt.

Entscheidende Leitsätze des Urteils

Das Bundesarbeitsgericht legte in seinen Leitsätzen fest:

  • Ein Antrag auf nachträgliche Zulassung der Klage gemäß § 5 KSchG ist auch möglich, wenn die Arbeitnehmerin später von ihrer Schwangerschaft bei Zugang der Kündigung erfährt und dies nicht selbst zu vertreten hat.
  • Die Zweiwochen-Frist zur Nachholung gilt erst ab dem Zeitpunkt, an dem die Betroffene von der kündigungsrelevanten Schwangerschaft erfährt – meist durch eine ärztliche Bestätigung.
  • Der besondere Kündigungsschutz nach Mutterschutzgesetz wiegt schwerer als die ordentliche Klagefrist – der Schutz von Schwangeren hat Vorrang.

Auswirkungen für Schwangere und deren Rechte

Das Urteil schützt Schwangere vor dem Risiko, trotz eigentlicher Unwirksamkeit der Kündigung wegen Fristversäumnis ihren Arbeitsplatz zu verlieren:

  • Schwangere können auch nach Ablauf der drei Wochen noch Kündigungsschutzklage einreichen, wenn sie erst dann zuverlässig von der Schwangerschaft wissen.
  • Ein ärztliches Attest ist dabei meist notwendig, um den exakten Schwangerschaftsbeginn zu belegen.
  • Die Mitteilung an den Arbeitgeber sollte so schnell wie möglich erfolgen, ist aber auch nach Ablauf der zwei Wochen möglich, wenn die Verzögerung nicht im Verschulden der Schwangeren liegt.

Praktische Hinweise für betroffene Arbeitnehmerinnen

  • Sobald es Anhaltspunkte auf eine Schwangerschaft im Kündigungszeitpunkt gibt, sollte schnellstmöglich ein Arzttermin vereinbart und die Klage samt Antrag auf nachträgliche Zulassung vorbereitet werden.
  • Die Fristen für Anzeige der Schwangerschaft und Klagezulassung laufen ab dem Zeitpunkt, zu dem die Arbeitnehmerin sicher weiß, dass sie bei Zugang der Kündigung schwanger war – dies ist meist erst nach der ärztlichen Feststellung möglich.
  • Auch eine vorsorgliche Klage samt Antrag auf Zulassung ist erlaubt, selbst wenn die ärztliche Bestätigung noch aussteht.

Signalwirkung und gesellschaftliche Bedeutung

Das Urteil des BAG stärkt nicht nur die Rechte von Schwangeren, sondern hat auch Signalwirkung für die Arbeitswelt in Deutschland. Der Mutterschutz wird noch deutlicher als vorrangiges Schutzrecht verstanden – auch vor formalen Barrieren wie Fristversäumnissen.

Das Urteil verpflichtet Arbeitgeber, bei jedem Fall einer Kündigung Vorsicht walten zu lassen – insbesondere, wenn der Verdacht auf eine Schwangerschaft vorliegt oder die Beschäftigte zeitnah nach der Kündigung entsprechende Hinweise gibt.

Fazit zum Urteil des Bundesarbeitsgerichts

Mit seiner Entscheidung verdeutlicht das Bundesarbeitsgericht: Mutterschutz geht vor Fristversäumnis! Schwangere Arbeitnehmerinnen sind auch dann geschützt, wenn sie ihre Schwangerschaft erst nach Ablauf der gesetzlichen Klagefrist erfahren. Arbeitgeber und Arbeitnehmerinnen sollten ihre Rechte und Pflichten genau kennen und im Fall der Fälle zügig handeln – der besondere Kündigungsschutz gilt auch dann, wenn die Zeit knapp ist.

Quelle

Bundesarbeitsgericht, Az: 2 AZR 156/24

Redakteure

  • ik

    Sozialrechtsexperte und Redakteur

    Ingo Kosick ist ein renommierter Experte im Bereich des Sozialrechts in Deutschland. Er engagiert sich seit über 30 Jahren in diesem Feld und hat sich als führende Autorität etabliert. Als Vorsitzender des Vereins Für soziales Leben e.V., der 2005 in Lüdinghausen gegründet wurde, setzt er sich für die Unterstützung von Menschen ein, die von Armut und Arbeitslosigkeit betroffen sind. Der Verein bietet über das Internet Informationen, Beratung und Unterstützung für sozial benachteiligte Menschen an. Ingo Kosick ist zudem ein zentraler Autor und Redakteur auf der Plattform buerger-geld.org, die sich auf Themen wie Bürgergeld, Sozialleistungen, Rente und Kindergrundsicherung spezialisiert hat. Seine Artikel bieten fundierte Analysen und rechtlich aufgearbeitete Informationen, die Menschen in schwierigen Lebenssituationen unterstützen sollen. Durch seine langjährige Erfahrung und sein Engagement hat Ingo Kosick maßgeblich dazu beigetragen, dass sozial benachteiligte Menschen in Deutschland besser informiert und unterstützt werden können.

    Alle Beiträge ansehen Ingo Kosick
  • Peter Kosick
    Experte:

    Jurist und Redakteur

    Peter Kosick hat an der Universität Münster Rechtswissenschaften studiert und beide juristische Staatsexamen in Nordrhein-Westfalen mit Erfolg abgelegt. Er arbeitet als freiberuflicher Jurist, ist Autor verschiedener Publikationen und hält Vorträge im Bereich Arbeits- und Sozialrecht. Seit mehr als 30 Jahren engagiert er sich im sozialen Bereich und ist seit der Gründung des Vereins "Für soziales Leben e.V." dort Mitglied. Peter Kosick arbeitet in der Online Redaktion des Vereins und ist der CvD. Seinen Artikeln sieht man an, dass sie sich auf ein fundiertes juristisches Fachwissen gründen. Peter hat ebenfalls ein Herz für die Natur, ist gern "draußen" und setzt sich für den Schutz der Umwelt ein. Seine Arbeit im Redaktionsteam von buerger-geld.org gibt ihm das Gefühl,  etwas Gutes für das Gemeinwohl zu tun.

    Alle Beiträge ansehen Peter Kosick

Hinweis zur Redaktion und zum Faktencheck
Die Redaktion von Bürger & Geld prüft sämtliche Artikel vor Veröffentlichung sorgfältig nach aktuellen gesetzlichen Grundlagen, offiziellen Statistiken und seriösen Quellen wie Bundesministerien, Sozialverbänden und wissenschaftlichen Studien. Unser Redaktionsteam besteht aus erfahrenen Fachautorinnen für Sozialpolitik, die alle Inhalte regelmäßig überarbeiten und aktualisieren. Jeder Text durchläuft einen strukturierten Faktencheck-Prozess sowie eine redaktionelle Qualitätssicherung, um höchste Genauigkeit und Transparenz zu gewährleisten. Bei allen wesentlichen Aussagen werden Primärquellen direkt im Fließtext verlinkt. Die Unabhängigkeit von Werbung und Drittinteressen sichert neutralen Journalismus – zum Schutz unserer Leserinnen und zur Förderung der öffentlichen Meinungsbildung.


Verantwortlich für die Inhalte auf dieser Seite: Redaktion des Vereins Für soziales Leben e. V. – Ihre Experten rund um Soziale Sicherheit und Altersvorsorge.