Hintergrund: Mutterschutz und das Kündigungsschutzgesetz
Der Gesetzgeber schützt Schwangere besonders stark vor Kündigungen. Nach §17 des Mutterschutzgesetzes (MuSchG) ist eine Kündigung während der Schwangerschaft grundsätzlich unzulässig, sofern der Arbeitgeber vom besonderen Schutz weiß oder rechtzeitig informiert wird. Kennt der Arbeitgeber die Schwangerschaft nicht, ist die Arbeitnehmerin verpflichtet, spätestens zwei Wochen nach Zugang der Kündigung bescheid zu geben.
Gleichzeitig schreibt das Kündigungsschutzgesetz (KSchG) vor, dass eine Kündigungsschutzklage grundsätzlich innerhalb von drei Wochen nach Zugang der Kündigung beim Arbeitsgericht eingereicht werden muss. Versäumt eine Arbeitnehmerin diese Frist, gilt die Kündigung normalerweise als wirksam – selbst wenn sie objektiv angreifbar wäre.
Das Besondere am aktuellen Urteil des Bundesarbeitsgerichts
Im vorliegenden Fall hatte die Klägerin erst nach Ablauf der dreiwöchigen Klagefrist sicher erfahren, dass sie im Zeitpunkt der Kündigung tatsächlich schwanger war. Sie hatte zwar einen Schwangerschaftstest gemacht, aber das Ergebnis durch eine ärztliche Untersuchung erst verspätet bestätigen lassen können. Den Antrag auf nachträgliche Zulassung der Klage stellte sie umgehend, nachdem sie von der ärztlichen Bestätigung wusste.
Das BAG urteilte: Die verspätete Klage ist wegen des Mutterschutzes nachträglich zuzulassen, wenn die Arbeitnehmerin ohne eigenes Verschulden erst nach Ablauf der Drei-Wochen-Frist von ihrer Schwangerschaft zum Kündigungszeitpunkt Kenntnis erlangt.
Entscheidende Leitsätze des Urteils
Das Bundesarbeitsgericht legte in seinen Leitsätzen fest:
- Ein Antrag auf nachträgliche Zulassung der Klage gemäß § 5 KSchG ist auch möglich, wenn die Arbeitnehmerin später von ihrer Schwangerschaft bei Zugang der Kündigung erfährt und dies nicht selbst zu vertreten hat.
- Die Zweiwochen-Frist zur Nachholung gilt erst ab dem Zeitpunkt, an dem die Betroffene von der kündigungsrelevanten Schwangerschaft erfährt – meist durch eine ärztliche Bestätigung.
- Der besondere Kündigungsschutz nach Mutterschutzgesetz wiegt schwerer als die ordentliche Klagefrist – der Schutz von Schwangeren hat Vorrang.
Auswirkungen für Schwangere und deren Rechte
Das Urteil schützt Schwangere vor dem Risiko, trotz eigentlicher Unwirksamkeit der Kündigung wegen Fristversäumnis ihren Arbeitsplatz zu verlieren:
- Schwangere können auch nach Ablauf der drei Wochen noch Kündigungsschutzklage einreichen, wenn sie erst dann zuverlässig von der Schwangerschaft wissen.
- Ein ärztliches Attest ist dabei meist notwendig, um den exakten Schwangerschaftsbeginn zu belegen.
- Die Mitteilung an den Arbeitgeber sollte so schnell wie möglich erfolgen, ist aber auch nach Ablauf der zwei Wochen möglich, wenn die Verzögerung nicht im Verschulden der Schwangeren liegt.
Praktische Hinweise für betroffene Arbeitnehmerinnen
- Sobald es Anhaltspunkte auf eine Schwangerschaft im Kündigungszeitpunkt gibt, sollte schnellstmöglich ein Arzttermin vereinbart und die Klage samt Antrag auf nachträgliche Zulassung vorbereitet werden.
- Die Fristen für Anzeige der Schwangerschaft und Klagezulassung laufen ab dem Zeitpunkt, zu dem die Arbeitnehmerin sicher weiß, dass sie bei Zugang der Kündigung schwanger war – dies ist meist erst nach der ärztlichen Feststellung möglich.
- Auch eine vorsorgliche Klage samt Antrag auf Zulassung ist erlaubt, selbst wenn die ärztliche Bestätigung noch aussteht.
Signalwirkung und gesellschaftliche Bedeutung
Das Urteil des BAG stärkt nicht nur die Rechte von Schwangeren, sondern hat auch Signalwirkung für die Arbeitswelt in Deutschland. Der Mutterschutz wird noch deutlicher als vorrangiges Schutzrecht verstanden – auch vor formalen Barrieren wie Fristversäumnissen.
Das Urteil verpflichtet Arbeitgeber, bei jedem Fall einer Kündigung Vorsicht walten zu lassen – insbesondere, wenn der Verdacht auf eine Schwangerschaft vorliegt oder die Beschäftigte zeitnah nach der Kündigung entsprechende Hinweise gibt.
Fazit zum Urteil des Bundesarbeitsgerichts
Mit seiner Entscheidung verdeutlicht das Bundesarbeitsgericht: Mutterschutz geht vor Fristversäumnis! Schwangere Arbeitnehmerinnen sind auch dann geschützt, wenn sie ihre Schwangerschaft erst nach Ablauf der gesetzlichen Klagefrist erfahren. Arbeitgeber und Arbeitnehmerinnen sollten ihre Rechte und Pflichten genau kennen und im Fall der Fälle zügig handeln – der besondere Kündigungsschutz gilt auch dann, wenn die Zeit knapp ist.