Das Landessozialgericht Baden-Württemberg hat im März 2025 ein wichtiges Urteil zur Befristung von Schwerbehindertenausweisen gefällt. Im Mittelpunkt stand die Frage, ob ein schwer psychisch erkrankter Kläger Anspruch auf einen unbefristeten Schwerbehindertenausweis hat. Das Urteil hat weitreichende Bedeutung für Betroffene mit ähnlichen Krankheitsbildern und klärt die Voraussetzungen für eine unbefristete Ausstellung eines Schwerbehindertenausweises. Die Einzelheiten hier auf Bürger & Geld!
Sachverhalt, der dem Urteil zugrunde lag
Der Kläger, ein 1972 geborener gelernter Bäcker, leidet an einer schweren psychischen Erkrankung (u. a. posttraumatische Belastungsstörung, depressive Störung, Persönlichkeitsstörung) und weiteren gesundheitlichen Einschränkungen. Nach langwierigen medizinischen Begutachtungen wurde ihm ein Grad der Behinderung (GdB) von 80 zuerkannt. Das Landratsamt stellte ihm daraufhin einen Schwerbehindertenausweis aus, der jedoch – wie gesetzlich üblich – zunächst auf fünf Jahre befristet wurde.
Der Kläger beantragte daraufhin die Ausstellung eines unbefristeten Ausweises. Er argumentierte, sein Krankheitsbild sei chronisch und eine Besserung nicht zu erwarten. Die Behörde lehnte dies ab, da bei psychischen Erkrankungen grundsätzlich eine Besserung nicht ausgeschlossen werden könne und daher die Befristung geboten sei.
Nach erfolglosem Widerspruch klagte der Betroffene vor dem Sozialgericht Stuttgart, das ihm zunächst einen unbefristeten Ausweis zusprach. Dagegen legte die Behörde Berufung ein.
Urteilsbegründung: kein unbefristeter Schwerbehindertenausweis
Das Landessozialgericht hob das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart teilweise auf: Einen Anspruch auf einen unbefristeten Schwerbehindertenausweis sah das LSG nicht als gegeben an.
Kernpunkte der Begründung:
- Befristung als Regelfall: Nach § 152 Abs. 5 SGB IX soll der Schwerbehindertenausweis grundsätzlich befristet ausgestellt werden. Eine unbefristete Ausstellung ist nur in atypischen Ausnahmefällen möglich.
- Keine dauerhafte Unveränderlichkeit: Bei psychischen Erkrankungen – auch bei schweren und chronifizierten Verläufen – ist eine Besserung durch Therapie oder Medikamente nie völlig ausgeschlossen. Die medizinischen Unterlagen zeigten beim Kläger bereits graduelle Verbesserungen und Stabilisierungstendenzen.
- Atypischer Fall nicht gegeben: Ein Ausnahmefall, der eine unbefristete Ausstellung rechtfertigen würde, liegt nur vor, wenn die Belastung durch die wiederholte Antragstellung für den Betroffenen deutlich über das übliche Maß hinausgeht. Im konkreten Fall sah das Gericht diese Schwelle nicht überschritten: Der Kläger war in der Lage, Anträge zu stellen, an Verhandlungen teilzunehmen und mit Behörden zu kommunizieren.
- Verwaltungsrechtliche Einordnung: Die Befristung oder Entfristung des Ausweises ist kein Verwaltungsakt mit eigenständiger Regelungswirkung, sondern eine sogenannte Realhandlung. Die Ablehnung eines unbefristeten Ausweises kann daher nicht isoliert angefochten werden.
Zusammenfassung: psychische Erkrankung rechtfertigt keinen unbefristeten Schwerbehindertenausweis
In dem dem Urteil zugrunde liegenden Fall, war beim Kläger eine Besserung des Gesundheitszustands zumindest nicht ausgeschlossen. Zudem war die mit der Befristung verbundenen Belastungen nicht über das Maß hinausgehend, das bei anderen schwerbehinderten Menschen üblich ist. Deshalb sah das Gericht die Voraussetzungen für einen Anspruch auf einen unbefristeten Schwerbehindertenausweis als nicht gegeben an. Die maximale Befristung von fünf Jahren war ausgeschöpft worden.
Das Urteil stellt also klar: Nur in seltenen Ausnahmefällen, bei denen eine Besserung medizinisch sicher ausgeschlossen ist und die Antragstellung eine unzumutbare Belastung darstellt, kann ein unbefristeter Schwerbehindertenausweis beansprucht werden.