Was ist die Aktivrente?
Unter Aktivrente versteht die Bundesregierung ein neues Modell, bei dem Menschen über die Regelaltersgrenze hinaus freiwillig im Job bleiben – und dafür zusätzliche finanzielle Vorteile genießen.
- Freiwilligkeit statt Pflicht: Niemand wird gezwungen, länger zu arbeiten. Die Aktivrente basiert auf Eigenentscheidung.
- Kombination von Rente und Arbeit: Schon heute ist es möglich, neben der Rente zu arbeiten. Neu sind ab 2026 die erweiterten Anreize und Bonusregelungen.
- Attraktive Zuschläge: Wer nach Erreichen der Regelaltersgrenze weiterarbeitet, soll spürbar mehr Rente erhalten – zusätzlich zum Arbeitseinkommen.
Die Bundesregierung setzt darauf, dass viele ältere Beschäftigte gerne noch ein paar Jahre tätig bleiben, wenn sich das finanziell lohne und bürokratische Hürden abgebaut würden.
Hintergrund: Warum jetzt die Aktivrente?
Deutschland steht vor einer doppelten Herausforderung:
- Demografie: Die Babyboomer gehen in Rente. Bis 2035 verliert der Arbeitsmarkt Millionen Fachkräfte.
- Fachkräftemangel: Schon heute melden Unternehmen massive Probleme, offene Stellen zu besetzen – insbesondere in Pflege, Handwerk, IT und Bildung.
- Rentenfinanzen: Steigende Lebenserwartung bedeutet längere Rentenbezugszeiten und damit höhere Kosten in der Rentenkasse.
Bundeskanzler Merz betonte, dass es klüger sei, „auf Freiwilligkeit zu setzen, statt über starre Rentenaltererhöhungen zu diskutieren“. Die Aktivrente schaffe Flexibilität und biete win-win-Szenarien: Unternehmen behalten erfahrene Kräfte, Rentner bessern Einkommen und Rente auf, die Rentenkasse wird entlastet.
Die Eckpunkte der Einigung
Die noch unveröffentlichte Reformvorlage sieht mehrere konkrete Maßnahmen vor:
- Rentenzuschläge: Für jedes zusätzliche Jahr Erwerbstätigkeit nach der Regelaltersgrenze gibt es höhere Rentenpunkte, die sofort wirksam werden.
- Steuer- und Beitragsvorteile: Rentner, die weiterarbeiten, sollen weniger Sozialabgaben zahlen. Insbesondere sollen Rentenbeiträge für Arbeitgeber entfallen.
- Flexiblere Übergänge: Mit der Aktivrente können Arbeitnehmer ihre Arbeitszeit stufenweise reduzieren – etwa über Teilrentenmodelle mit gleitendem Übergang in den Ruhestand.
- Bürokratieabbau: Anmeldungen und Antragsverfahren sollen digitalisiert und vereinfacht werden, um Hemmnisse zu beseitigen.
Die Ampel-Vorgängerregierung hatte schon ähnliche Ansätze diskutiert (Stichwort „Flexirente“). Doch im Unterschied dazu setzt die Aktivrente stärker auf klare finanzielle Boni und auf die mediale Breitenwirkung eines neuen Labels.
Vorteile für Arbeitnehmer
Für Beschäftigte bietet die Aktivrente gleich mehrere Anreize:
- Mehr Einkommen: Neben der vollen Rente erhalten Rentner ein reguläres Arbeitsgehalt – ohne gesetzliche Hinzuverdienstgrenzen.
- Rentenzuwachs: Jeder zusätzliche Monat Arbeit bringt höhere Altersbezüge. Das steigert die Rente langfristig erheblich.
- Flexibilität: Arbeitnehmer können entscheiden, ob sie voll weiterarbeiten oder in Teilzeit langsam aussteigen wollen.
- Gesellschaftliche Teilhabe: Viele Menschen möchten länger aktiv bleiben, um ihre Erfahrung einzubringen und soziale Kontakte zu pflegen.
Chancen für Arbeitgeber
Auch Betriebe profitieren unmittelbar:
- Halten von Fachkräften: Know-how bleibt länger im Unternehmen.
- Planungssicherheit: Flexible Modelle erlauben abgestufte Übergaben an jüngere Generationen.
- Wettbewerbsvorteil: Unternehmen, die Aktivrentenmodelle nutzen, wirken attraktiver für qualifizierte ältere Arbeitnehmer.
- Kostenersparnis: Wenn Rentner weiterarbeiten, entfallen für Arbeitgeber künftig bestimmte Sozialabgaben.
Kritik und Risiken
Trotz vieler Vorteile gibt es auch kritische Stimmen zur Aktivrente.
- Soziale Ungleichheit: Nicht alle können länger arbeiten. Wer körperlich hart arbeitet, profitiert weniger von solchen Modellen als Akademiker oder Büroangestellte.
- Gefahr der „verdeckten Pflicht“: Kritiker warnen, die Aktivrente dürfe nicht als Druckmittel dienen, faktisch länger im Job zu bleiben.
- Rentengerechtigkeit: Gewerkschaften weisen darauf hin, dass nicht die Freiwilligkeit, sondern gerechte Rentenhöhen entscheidend seien.
- Begrenzte Wirkung: Experten sehen die Aktivrente nicht als Ersatz für gezielte Fachkräftezuwanderung und Ausbildungsoffensiven.
Vergleich: Aktivrente, Flexirente und Rente mit 63
Modell | Startalter | Charakteristik | Vorteile | Nachteile |
---|---|---|---|---|
Flexirente | variabel, ab 63 | Teilrenten, Hinzuverdienstgrenze (gelockert seit 2023) | Flexibler Übergang in Rente | Komplex, weniger bekannt |
Rente mit 63 | 63 Jahre (für langjährig Versicherte) | Vorzeitiger Ruhestand ohne Abschläge bei 45 Versicherungsjahren | Frühzeitiger Rentenbeginn möglich | Entlastet Arbeitsmarkt nicht, kostet Rentenkasse viel |
Aktivrente | nach Regelaltersgrenze | Weiterarbeit + finanzielle Boni, keine Grenze beim Zuverdienst | Mehr Geld, höhere Rente, freiwillig | Vorteil vor allem für Gesunde, Akademiker |
Beispiele: So wirkt sich die Aktivrente aus
Ein Rechenbeispiel verdeutlicht die Effekte:
- Fall 1 – 67-Jährige Facharbeiterin im Handwerk
Sie entscheidet sich, zwei Jahre länger zu arbeiten. Neben ihrer Rente von 1.800 Euro verdient sie monatlich 2.200 Euro weiter. Dank der Aktivrente steigt ihre Rente ab dem 69. Lebensjahr um rund 180 Euro im Monat – dauerhaft. - Fall 2 – 66-jähriger Ingenieur
Er arbeitet in Teilzeit weiter, 50 Prozent. Mit seinem Gehalt plus voller Rente kommt er auf ähnlich hohes Einkommen wie zuvor. Zusätzlich erhöhen die geleisteten Beiträge dauerhaft seine Altersbezüge – ein doppelter Gewinn.
Politische Bedeutung
Die Aktivrente ist das erste große Sozialprojekt der Merz-Regierung. Symbolträchtig steht sie für ein neues Narrativ: weg von Debatten um Zwangsmaßnahmen wie Rente mit 70, hin zu Eigenverantwortung und Chancenmodellen.
Merz erklärte: „Wir wollen die Lebensleistung anerkennen und die Freiheit stärken. Wer länger arbeiten möchte, soll auch mehr davon haben.“ Damit versucht die Bundesregierung, sowohl wirtschaftspolitische Rationalität als auch soziale Akzeptanz zu verbinden.
Auswirkungen auf den Rentenmarkt
Experten erwarten durch die Aktivrente:
- mehr Erwerbstätige über 67 Jahren: Prognosen gehen von einem Zuwachs von mindestens 300.000 Personen bis 2030 aus.
- leichte Entspannung der Rentenkasse: Jeder zusätzliche Beitragszahler entlastet die Rentenversicherung.
- höhere Mindereinnahmen bei Sozialabgaben: Wenn Beitragsfreistellungen greifen, trägt zunächst der Staatshaushalt gewisse Lasten.
Die Reform gilt als finanzpolitischer Balanceakt: kurzfristige Kosten gegen langfristige positive Effekte für Arbeitsmarkt und Rentenversicherung.
FAQ zur Aktivrente
Wann startet die Aktivrente?
Offizieller Beginn ist Anfang 2026.
Muss man länger arbeiten?
Nein. Die Aktivrente ist ein freiwilliges Modell.
Wie hoch sind die Zuschläge?
Für jedes zusätzliche Jahr Erwerbstätigkeit steigt die Rente um einige Prozentpunkte. Details veröffentlicht das Bundesarbeitsministerium in der Durchführungsverordnung.
Wer kann teilnehmen?
Alle, die die Regelaltersgrenze erreicht haben und weiterarbeiten wollen.
Was unterscheidet sie von der Flexirente?
Die Aktivrente ist einfacher ausgestaltet: keine Hinzuverdienstgrenzen, stärkere finanzielle Boni und weniger Bürokratie.
Fazit
Die Einführung der Aktivrente ab 2026 markiert einen Paradigmenwechsel in der deutschen Rentenpolitik. Statt starre Altersgrenzen zu verschieben, setzt die Regierung unter Kanzler Merz auf Anreize, Eigenverantwortung und Flexibilität.
Für viele Arbeitnehmer eröffnen sich dadurch neue finanzielle Spielräume und individuelle Gestaltungsmöglichkeiten. Arbeitgeber können wertvolles Personal länger halten, und die Gesellschaft gewinnt Fachkräfte – ohne Pflicht und Zwang.
Gleichzeitig bleiben wichtige Fragen offen: Wie sozial gerecht ist das Modell für Menschen mit belastenden Berufen? Wie stark ist die Aktivrente wirklich in der Lage, die Fachkräftelücke zu schließen? Und welche Zusatzkosten entstehen für den Staat?
Die nächsten Monate werden entscheidend sein, ob die Aktivrente Akzeptanz und Begeisterung findet – oder ob sie als unausgereiftes Prestigeprojekt wahrgenommen wird. Klar ist bereits jetzt: Sie wird die Rentendebatte in Deutschland nachhaltig verändern.