Das Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg hat mit einem Urteil klargestellt, dass Pflegepersonen, die während des Bezugs von Krankengeld aufgrund eines mehr als 30 Stunden umfassenden Beschäftigungsverhältnisses nicht der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung nach §3 Satz1 Nr.1a SGBVI unterliegen. Die Entscheidung (Az. L5R3093/24) bestätigt die Rechtsauffassung der Sozialgerichte und des Rentenversicherungsträgers.
Sachverhalt: Pflege, Krankengeld und Rentenversicherung
Der Kläger, geboren 1962, war bis 30.04.2022 in einem Arbeitsverhältnis mit einer Wochenarbeitszeit von über 30 Stunden beschäftigt. Aufgrund einer Erkrankung bezog er vom 15.04.2022 bis 27.04.2022 Lohnfortzahlung und anschließend vom 28.04.2022 bis 13.09.2023 Krankengeld, das auf Basis seines Arbeitsentgelts berechnet wurde. Zeitgleich versorgte er seinen pflegebedürftigen Sohn (Pflegegrad2, Bezug von Pflegegeld) mit einer täglichen, nicht erwerbsmäßigen Pflege im Umfang von 28 Stunden pro Woche.
Die zuständige Pflegekasse informierte den Kläger, dass für die Zeit des Lohnfortzahlung und Krankengeldbezuges keine Beiträge zur Rentenversicherung zu zahlen seien, da diese Leistungen aus einem Arbeitsverhältnis mit mehr als 30 Stunden Wochenarbeitszeit berechnet würden. Der Kläger widersprach, da er sich durch die Regelung benachteiligt sah und argumentierte, dass bei der Berechnung der rentenversicherungspflichtigen Zeiten nicht primär auf die Wochenarbeitsstundenzahl, sondern auf die tatsächliche Höhe des erzielten Entgelts abzustellen sei.
Rechtliche Würdigung: Ausschluss der Rentenversicherungspflicht
Das Gericht hat die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe zurückgewiesen. Grundlegend stützen die Richter ihre Entscheidung auf folgende Rechtsvorschriften und Grundsätze:
Voraussetzungen der Versicherungspflicht (§3 Satz1 Nr.1a SGBVI)
Pflegepersonen sind bei der nicht erwerbsmäßigen Pflege von Angehörigen versicherungspflichtig, wenn mindestens zehn Stunden wöchentlich Pflege geleistet wird und der Pflegebedürftige einen Anspruch auf Leistungen der Pflegeversicherung besitzt. Diese Grundvoraussetzungen wurden im Fall des Klägers grundsätzlich erfüllt.
Ausschlussgrund bei umfangreicher Beschäftigung (§3 Satz3 SGBVI)
Nach §3 Satz3 SGBVI entfällt die Versicherungspflicht für Pflegepersonen, wenn diese neben der Pflege regelmäßig mehr als 30 Stunden pro Woche beschäftigt oder selbstständig tätig sind. Diese Regelung soll sicherstellen, dass der rentenversicherungsrechtliche Vorteil nur solchen Personen zugutekommt, die wegen der Pflege beruflich zurückstecken müssen und nicht bereits ausreichend abgesichert sind.
Krankengeld als Ausschlussgrund der Rentenversicherungspflicht
Das LSG folgt der herrschenden Meinung, wonach auch bei Bezug von Krankengeld diejenigen Personen ausgenommen sind, deren Krankengeld auf einer Beschäftigung von mehr als 30 Wochenstunden basiert. Für Empfänger von Krankengeld werden Pflichtbeiträge in die Rentenversicherung entrichtet, sodass keine zusätzliche Absicherung notwendig ist. Krankengeldbezieher gelten versicherungsrechtlich weiterhin als Beschäftigte, auch wenn sie faktisch nicht arbeiten.
Systematische und teleologische Auslegung
Das Gericht betont, dass der Zweck des Gesetzgebers darin besteht, Pflegepersonen abzusichern, die wegen der Pflege ihre berufliche Tätigkeit aufgeben oder reduzieren. Personen, die vollzeitig beschäftigt sind oder deren Versicherungsstatus im Krankengeldbezug darauf beruht, sind bereits umfassend abgesichert. Eine additive Versicherungspflicht nur wegen der Pflege käme einer ungerechtfertigten Privilegierung gleich – insbesondere im Verhältnis zu anderen Vollzeiterwerbstätigen.
Keine Berücksichtigung des Entgelts als Höchstgrenze
Die vom Kläger geforderte Anknüpfung der Pflegezeiten an die Höhe des erzielten Entgelts ist mit §166 Abs.2 SGBVI nicht vereinbar. Die Bemessungsgrundlage für Pflegezeiten erfolgt unabhängig vom bisherigen Erwerbseinkommen und orientiert sich am Schweregrad der Pflegebedürftigkeit.
Bedeutung und Folgen des Urteils
Mit dieser Entscheidung schafft das LSG Baden-Württemberg Rechtssicherheit für betroffene Pflegepersonen und Sozialversicherungsträger. Wer parallel zur Pflege eines Angehörigen Krankengeld aus einem Arbeitsverhältnis mit mehr als 30 Stunden Wochenarbeitszeit bezieht, kann nicht zusätzliche Pflichtbeitragszeiten wegen der Pflege geltend machen. Die Regelung dient der Gleichbehandlung und Vermeidung einer Überprivilegierung gegenüber anderen Beschäftigten.
Das Urteil hat grundlegende Bedeutung, wie die Zulassung der Revision durch das LSG zeigt. In ähnlichen Fällen empfiehlt sich eine genaue Prüfung der Arbeitszeit und der zugrundeliegenden rentenversicherungsrechtlichen Vorschriften.
Zusammenfassung: Krankengeld schließt Rentenversicherungspflicht durch Pflege aus
Das LSG Baden-Württemberg bestätigt die restriktive Auslegung des §3 Satz3 SGBVI: Krankengeldbezieher aus mehr als 30 Stunden Beschäftigung genießen keinen Anspruch auf zusätzliche Versicherungspflicht als Pflegeperson. Entscheidend sind die gesetzgeberischen Intentionen und die typisierende Betrachtung der sozialen Absicherung.
Für Betroffene bedeutet dies: Wer während einer Pflegetätigkeit Krankengeld aus Vollzeitbeschäftigung erhält, bleibt in der Rentenversicherung umfangreich abgesichert, kann jedoch keine zusätzlichen Pflegezeiten anrechnen lassen. Die Revision gegen das Urteil ist zugelassen, sodass eine höchstrichterliche Klärung möglich ist. Wahrscheinlich wird diese jedoch zu keinem anderen Ergebnis führen.
Quelle
https://www.sozialgerichtsbarkeit.de/node/177994