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Keine rückwirkende Kürzung des Grades der Behinderung – neues Urteil Bundessozialgericht

Das Bundessozialgericht (BSG) hat mit dem Urteil vom 21.12.2022 (Az.: B 9 SB 3/20 R) die Rechte von Menschen mit Schwerbehinderung signifikant gestärkt: Eine rückwirkende Herabsetzung des Grades der Behinderung (GdB) ist unzulässig. Das Grundsatzurteil sorgt damit für mehr Rechtssicherheit und schützt Betroffene vor dem Verlust wichtiger sozialer und steuerlicher Vorteile rückwirkend. Einzelheiten in nachfolgendem Beitrag auf Bürger & Geld, dem Nachrichtenmagazin des Vereins Für soziales Leben e.V.!

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Autor: Chef-Redakteur Experte: Chef-Redakteur

Das Bundessozialgericht (BSG) hat mit einem viel beachteten Urteil die Rechte schwerbehinderter Menschen gestärkt und eine wichtige Klarstellung für Behörden getroffen: Die nachträgliche, also rückwirkende, Kürzung eines bereits festgestellten Grades der Behinderung (GdB) ist grundsätzlich unzulässig. Was auf den ersten Blick wie ein reiner Formalakt klingt, hat große Auswirkungen auf den Alltag, die soziale Sicherheit und sogar steuerrechtliche und arbeitsrechtliche Privilegien von Menschen mit Schwerbehinderung.

Der Streitfall: worum ging es bei dem Urteil?

Im Zentrum des Streits vor dem Bundessozialgericht stand die Frage, ob die zuständige Behörde bei einer mutmaßlichen Verbesserung des Gesundheitszustands rückwirkend den GdB – zum Beispiel von 50 auf 20 – herabsetzen darf. Konkret ging es um eine Frau, bei der nach einer Krebserkrankung eine Schwerbehinderung mit GdB 50 anerkannt und befristet festgelegt wurde. Nach Ablauf der „Heilungsbewährung“ stellte die Behörde einen verbesserten Zustand fest und reduzierte den Grad der Behinderung. Der neue Bescheid datierte die Herabsetzung rückwirkend – mit gravierenden Folgen für die Betroffene: Steuerliche Vergünstigungen und arbeitsrechtliche Sonderrechte wären verloren gegangen, und sie hätte nachträglich auf Leistungen verzichten müssen.

Das Bundessozialgericht beurteilte diese Praxis als unrechtmäßig: Niemand soll plötzlich rückwirkend Ansprüche verlieren, die ihm auf Basis einer gültigen Feststellung zustehen.

Die zentralen Entscheidungsgründe des BSG-Urteils

Das Aktenzeichen des Urteils des Bundessozialgerichts zur rückwirkenden Kürzung des Grades der Behinderung (GdB) lautet: B 9 SB 3/20 R. In diesem Grundsatzurteil wurde entschieden, dass eine nachträgliche, also rückwirkende, Herabsetzung des GdB unzulässig ist und betroffene Personen ihre Ansprüche für den bereits festgestellten Zeitraum behalten. Nachfolgend die wichtigsten Punkte zusammengefasst:

  • Keine rückwirkende Herabsetzung: Der GdB darf von den Behörden grundsätzlich nur für die Zukunft, nicht aber für einen zurückliegenden Zeitraum herabgesetzt werden. Die Betroffenen dürfen sich auf die Rechtssicherheit ihrer Bescheide verlassen und müssen nicht nachträglich den Verlust von Steuerfreibeträgen, Zusatzurlaub oder Kündigungsschutz fürchten.
  • Änderungen müssen begründet und frühzeitig kommuniziert werden: Behörden dürfen den GdB nur dann für die Zukunft herabsetzen, wenn sie eine erhebliche gesundheitliche Verbesserung nachweisen können. Eine pauschale, unbegründete Kürzung reicht ausdrücklich nicht aus.
  • Teilweise Rechtswidrigkeit von Bescheiden ist möglich: Ein Verwaltungsakt – etwa ein Herabsetzungsbescheid – kann auch teilweise rechtswidrig sein und bleibt im rechtmäßigen Umfang bestehen. Nur die rückwirkende Kürzung wird aufgehoben, die zukünftige kann bestehen bleiben, wenn die Heilungsbewährung abgelaufen ist und die Voraussetzungen objektiv entfallen sind.

Was bedeutet das Urteil für Menschen mit Schwerbehinderung?

Mehr Rechtssicherheit für Betroffene

  • Sicherheit bei Sozial- und Steuerleistungen: Wer für einen bestimmten Zeitraum einen GdB von 50 hatte, behält rückwirkend alle damit verbundenen Nachteilsausgleiche und steuerlichen Vorteile, auch wenn die Behörde später anders entscheidet.
  • Kündigungsschutz und Zusatzurlaub bleiben erhalten: Ansprüche im Arbeitsrecht, die an den GdB anknüpfen (wie etwa besonderer Kündigungsschutz oder Zusatzurlaub), dürfen im Nachgang nicht einfach gestrichen werden.

Handlungsoptionen für Betroffene

  • Widerspruch bei rückwirkender GdB-Herabsetzung: Erhalten Betroffene einen Bescheid mit einer rückwirkenden Kürzung, sollten sie umgehend Widerspruch einlegen und gegebenenfalls sozialrechtliche Beratung in Anspruch nehmen.
  • Genaues Prüfen der Begründung: Eine Herabsetzung ist nur dann zulässig, wenn sie umfassend und nachvollziehbar begründet ist – insbesondere bei Heilungsbewährung nach Krebserkrankungen oder anderen schweren Leiden.

Zusammenfassung: Historische Klarstellung für alle mit Schwerbehindertenausweis

Das BSG-Urteil sorgt für mehr Planungssicherheit und schützt schwerbehinderte Menschen vor unliebsamen Überraschungen durch rückwirkend kassierte Ansprüche. Das BSG hat geurteilt: Rückwirkende Kürzungen des GdB (Grad der Behinderung) sind tabu – ein wichtiger Punkt für die Rechte schwerbehinderter Menschen!

Quelle

Bundessozialgericht

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