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Pflegegrad 1 ohne Pflegegeld: Diese überraschenden Leistungen gibt es trotzdem!

Pflegegrad 1 ist für viele Betroffene ein Rätsel: Warum gibt es kein Pflegegeld, obwohl bereits ein Unterstützungsbedarf besteht? Oft folgt auf die Enttäuschung die nächste Frage: „Was bringt Pflegegrad 1 dann überhaupt?“ Dieser Beitrag auf Bürger & Geld, dem Nachrichtenmagazin des Vereins Für soziales Leben e.V., beleuchtet ausführlich, was Pflegegrad 1 tatsächlich bietet, für wen er gedacht ist und wie sich Betroffene im Alltag konkrete Vorteile sichern können – auch ohne klassisches Pflegegeld.

Was bedeutet Pflegegrad 1?

Pflegegrad 1 wird Menschen zugesprochen, die eine geringe Beeinträchtigung der Selbstständigkeit aufweisen. Betroffene können die meisten alltäglichen Aufgaben noch eigenständig erledigen, benötigen aber etwas Unterstützung – zum Beispiel beim Haushalt, bei Arztbesuchen oder Einkäufen. Deshalb bietet der Pflegegrad 1 deutlich geringere Leistungen als Pflegegrad 2 bis 5 und ist speziell für Menschen konzipiert, deren Pflegebedarf noch am Anfang steht.

Warum gibt es kein Pflegegeld bei Pflegegrad 1?

Pflegegeld ist eine finanzielle Leistung an Menschen, die zu Hause von Angehörigen gepflegt werden. Es soll Aufwand und Einsatz der pflegenden Personen honorieren. Bei Pflegegrad 1 ist der Pflegeaufwand allerdings noch so gering, dass der Gesetzgeber hier ausdrücklich kein Pflegegeld vorsieht. Erst ab Pflegegrad 2 werden Pflegegeld oder Pflegesachleistungen gewährt. Dies ist ein zentraler Kritikpunkt, sorgt aber auch für Klarheit: Die Pflegeversicherung will gezielt höhere Pflegebedarfe finanziell unterstützen.

Welche Leistungen gibt es stattdessen bei Pflegegrad 1?

Auch wenn es kein Pflegegeld gibt, bietet Pflegegrad 1 sinnvolle Hilfen und finanzielle Unterstützung. Im Mittelpunkt steht der Entlastungsbetrag.

Entlastungsbetrag: 131 Euro monatlich

Jeder mit Pflegegrad 1 erhält monatlich 131 Euro Entlastungsbetrag. Dieser kann flexibel eingesetzt werden für:

  • Leistungen ambulanter Pflegedienste (z.B. Unterstützung im Haushalt)
  • Betreuungs- und Entlastungsangebote nach Landesrecht
  • (Teil-)stationäre Tages- oder Nachtpflege
  • Kurzzeitpflege im Notfall

Der Clou bei Pflegegrad 1: Im Gegensatz zu den höheren Pflegegraden darf der Entlastungsbetrag bei Pflegegrad 1 sogar für hauswirtschaftliche Hilfen, Betreuung und viele Unterstützungsangebote komplett flexibel eingesetzt werden.

Pflegehilfsmittel zum Verbrauch

Pflegebedürftige können Pflegehilfsmittel wie Inkontinenzmaterial, Einmalhandschuhe oder Desinfektionsmittel bis 42 Euro pro Monat beantragen. Zusätzlich sind technische Hilfen wie Hausnotrufsysteme mit bis zu 25,50 Euro im Monat förderfähig.

Zuschüsse zur Wohnraumanpassung

Wer seine Wohnung alters- oder behindertengerecht umbauen muss, erhält bis zu 4.180 Euro als Zuschuss von der Pflegekasse. Einzelne Bewohner einer Wohngemeinschaft bekommen darüber hinaus einen Gründungszuschuss (bis zu 2.613 Euro) sowie einen monatlichen Wohngruppenzuschuss (224 Euro).

Beratung und Unterstützung

  • Pflegeberatung: Kostenlos für alle Pflegebedürftigen und Angehörigen
  • Pflegekurse und Beratungsbesuche: Zur Information und Entlastung pflegender Angehöriger
  • Digitale Pflegeanwendungen: Zuschuss von bis zu 53 Euro pro Monat für anerkannte Apps (seit 2025 möglich)

Was bringt Pflegegrad 1 im Alltag wirklich?

Trotz des fehlenden Pflegegeldes hat Pflegegrad 1 handfeste Vorteile:

  • Finanzielle Entlastung: Gerade für alleinlebende Senioren oder chronisch Erkrankte können die 131 Euro monatlich einen großen Unterschied machen, weil Haushaltshilfen offiziell bezahlt werden können.
  • Haushaltsnahe Dienstleistungen: Vom Einkaufen bis zum Reinigen – der Entlastungsbetrag deckt viele einfache Alltagshilfen ab.
  • Bessere Versorgungssicherheit: Pflegehilfsmittel und technische Hilfen können frühzeitig beantragt werden, bevor der Unterstützungsbedarf massiv ansteigt.
  • Wohnraumanpassung: Frühe Zuschüsse ermöglichen barrierearme Wohnungen, noch bevor schwere Einschränkungen auftreten.
  • Vorsorge für den Ernstfall: Professionelle Beratung, Notrufsysteme und leichte Unterstützung sorgen für mehr Sicherheit zuhause.

Für wen ist Pflegegrad 1 sinnvoll?

Pflegegrad 1 ist ideal für:

  • Personen mit leichten Einschränkungen, die aktuell keine intensive Pflege, aber Unterstützung im Alltag brauchen.
  • Ältere Menschen, bei denen nach Krankheit oder Unfall die Selbstständigkeit nur gering eingeschränkt ist.
  • Menschen mit chronischer Erkrankung, deren Zustand noch stabil ist, aber Schonung oder geringfügige Hilfe verlangt.
  • Angehörige, die vorsorglich in die Versorgung eingebunden werden wollen und auf Beratung und Kurse angewiesen sind.

Tipps: So holt man das Maximum aus Pflegegrad 1 heraus

  • Entlastungsbetrag immer voll ausschöpfen; ggf. sammeln und nachträglich größere Rechnungen einreichen.
  • Tätigkeiten dokumentieren: Jede in Anspruch genommene Leistung sollte offiziell über anerkannte Dienste oder Anbieter abgerechnet werden, damit die Kasse zahlt.
  • Rechtzeitig Pflegehilfsmittel beantragen – diese werden oft schnell genehmigt und helfen, Unfälle zu vermeiden.
  • Kostenlos Pflegeberatung nutzen – gerade bei ersten Einschränkungen lassen sich viele Verbesserungen im Alltag erreichen.
  • Zuschüsse für Wohnraumanpassung nutzen, noch bevor schwere Stürze oder Unfälle passieren.
  • Digitale Hilfsmittel wie Apps, Notrufsysteme oder Erinnerungssysteme unterstützen ebenfalls frühzeitig die Selbstständigkeit.

Kritik und Weiterentwicklung

Viele Sozialverbände fordern, auch bei Pflegegrad 1 ein reduziertes Pflegegeld einzuführen, um besonders pflegenden Angehörigen einen Ausgleich zu bieten. Bisher setzte die Politik jedoch darauf, zunächst allen Betroffenen mit geringem Bedarf vorrangig flexible Alltagsunterstützung zu ermöglichen, statt eine pauschale Geldleistung zu zahlen. Ob es hier in naher Zukunft Änderungen geben wird, steht aktuell nicht fest.

Fazit zu Pflegegrad 1: Kein klassisches Pflegegeld, aber viele Vorteile

Auch ohne Pflegegeld ist Pflegegrad 1 mehr als „nur“ ein kleiner Stempel im Sozialgesetzbuch. Wer die Leistungen kennt und gezielt nutzt, profitiert von alltagstauglicher Unterstützung, mehr Sicherheit und einem Plus an Lebensqualität bereits beim ersten Schritt in die Pflegeversicherung. Für viele ist das eine wertvolle Starthilfe, um möglichst lange selbstständig bleiben zu können – und oft der rechtzeitige Start in eine würdige Versorgung im Alter.

Redakteure

  • ik

    Sozialrechtsexperte und Redakteur

    Ingo Kosick ist ein renommierter Experte im Bereich des Sozialrechts in Deutschland. Er engagiert sich seit über 30 Jahren in diesem Feld und hat sich als führende Autorität etabliert. Als Vorsitzender des Vereins Für soziales Leben e.V., der 2005 in Lüdinghausen gegründet wurde, setzt er sich für die Unterstützung von Menschen ein, die von Armut und Arbeitslosigkeit betroffen sind. Der Verein bietet über das Internet Informationen, Beratung und Unterstützung für sozial benachteiligte Menschen an. Ingo Kosick ist zudem ein zentraler Autor und Redakteur auf der Plattform buerger-geld.org, die sich auf Themen wie Bürgergeld, Sozialleistungen, Rente und Kindergrundsicherung spezialisiert hat. Seine Artikel bieten fundierte Analysen und rechtlich aufgearbeitete Informationen, die Menschen in schwierigen Lebenssituationen unterstützen sollen. Durch seine langjährige Erfahrung und sein Engagement hat Ingo Kosick maßgeblich dazu beigetragen, dass sozial benachteiligte Menschen in Deutschland besser informiert und unterstützt werden können.

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  • Peter Kosick
    Experte:

    Jurist und Redakteur

    Peter Kosick hat an der Universität Münster Rechtswissenschaften studiert und beide juristische Staatsexamen in Nordrhein-Westfalen mit Erfolg abgelegt. Er arbeitet als freiberuflicher Jurist, ist Autor verschiedener Publikationen und hält Vorträge im Bereich Arbeits- und Sozialrecht. Seit mehr als 30 Jahren engagiert er sich im sozialen Bereich und ist seit der Gründung des Vereins "Für soziales Leben e.V." dort Mitglied. Peter Kosick arbeitet in der Online Redaktion des Vereins und ist der CvD. Seinen Artikeln sieht man an, dass sie sich auf ein fundiertes juristisches Fachwissen gründen. Peter hat ebenfalls ein Herz für die Natur, ist gern "draußen" und setzt sich für den Schutz der Umwelt ein. Seine Arbeit im Redaktionsteam von buerger-geld.org gibt ihm das Gefühl,  etwas Gutes für das Gemeinwohl zu tun.

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