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Bürgergeld Zuschuss für Auszubildende / Studierende: Urteil Bundessozialgericht!

Ein aktuelles Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) (Az.: B 7 AS 5/24 R) sorgt für eine grundlegende Klärung bei Bürgergeld-Zuschüssen für Auszubildende und Studierenden im Schnittstellenbereich zwischen BAföG und Grundsicherung. Das Urteil stellt fest: Ein solcher Bürgergeld Anspruch besteht nur bis zur ersten Entscheidung des Amts für Ausbildungsförderung. Dies hat enorme Auswirkungen auf die Sozialpraxis, Familien und junge Menschen in schulischer Ausbildung oder an der Uni. Alle Einzelheiten hier auf Bürger & Geld, dem Nachrichtenmagazin des Vereins Für soziales Leben e.V.!

Hintergrund: Bürgergeld und Ausbildung

Das Bürgergeld (Grundsicherung für Arbeitsuchende) soll als soziale Grundsicherung Betroffenen in Notlagen unterstützen. Auszubildende sind dabei in der Regel vom Bürgergeld-Leistungsbezug ausgeschlossen, weil sie grundsätzlich mit BAföG gefördert werden – so regelt es das SGB II. Allerdings existierte eine “Rückausnahme”: Wer BAföG beantragt hatte und noch keine Entscheidung vom Amt erhalten hatte, durfte übergangsweise Bürgergeld als Zuschuss bekommen. Doch wie lange gilt diese Rückausnahme? Das Urteil vom BSG gibt dazu nun eine eindeutige Antwort.

Der Streitfall: Wo liegt die Grenze?

Im Fall aus 2025 beantragte eine Auszubildende Bürgergeld-Zuschuss, während ihr BAföG-Antrag noch nicht entschieden war. Nach der BAföG-Ablehnung wollte sie den Bürgergeld-Zuschuss trotzdem weiter erhalten und berief sich auf eine angebliche Fristverlängerung. Mehrere Instanzen urteilten unterschiedlich – das Bundessozialgericht musste Klarheit schaffen.

Kernaussage des BSG-Urteils

Im Orientierungssatz zum Urteil heißt es:

  • Ein Anspruch auf Bürgergeld als Zuschuss besteht nur bis zur ersten Entscheidung des Amts für Ausbildungsförderung (BAföG-Amt).
  • Nach der ersten Entscheidung – selbst wenn es eine Ablehnung ist – endet der Anspruch sofort.
  • Die Rückausnahmevorschrift des § 7 Absatz 6 Nummer 2b SGB II wird dadurch eng ausgelegt.
  • Die Zuschussleistung hat einen klaren Überbrückungscharakter, um echte Notlagen zwischen Antrag und Entscheidungszeitpunkt abzufangen.

Rechtliche Bewertung & Auswirkungen

Die Richter betonen: Es handelt sich nur um eine kleine Notfallregelung zur Abfederung von Härten bei langen Bearbeitungszeiten der BAföG-Anträge. Eine Fristenverlängerung oder eine dauerhafte Parallelförderung durch Bürgergeld ist nicht zulässig. Nach der ersten Entscheidung – auch im Ablehnungsfall – ist Schluss mit dem Zuschuss. Dies deckt sich mit der Systematik des SGB II, das einen grundsätzlichen Leistungsausschluss für Auszubildende vorsieht.

Bedeutung für Betroffene

  • Wer eine schulische Ausbildung absolviert und BAföG beantragt, muss wissen: Bürgergeld als Zuschuss gibt es nur bis zur ersten Entscheidung des Ausbildungsförderungsamtes.
  • Nach der BAföG-Entscheidung (egal ob positiver oder negativer Bescheid) verliert man sofort den Anspruch auf den Bürgergeld-Zuschuss.
  • Eine zeitliche Ausdehnung dieses Anspruchs ist laut BSG ausgeschlossen.
  • Eltern, Familien und junge Singles müssen frühzeitig klären, ob sie zum Bürgergeld-Zuschuss berechtigt sind – und in welcher Höhe.

So funktioniert die Schnittstelle BAföG/Bürgergeld in der Praxis

  • BAföG wird grundsätzlich Vorrang eingeräumt.
  • Bürgergeld greift nur als “Notlösung” vorübergehend ein – als Zuschuss bis zur BAföG-Entscheidung.
  • Sobald das BAföG-Amt entschieden hat, tritt wieder der Leistungsausschluss ein: Bürgergeld ist für Auszubildende dann nicht mehr möglich.
  • Wer keine Leistungen nach dem BAföG erhält, kann nach bestimmten weiteren Ausnahmefällen unter Umständen Bürgergeld bekommen – aber nur sehr selten und unter besonderen Bedingungen.

Beispielrechnung zur Überbrückungsleistung

Stellen wir uns einen Schüler vor, der für drei Monate nach Ausbildungsbeginn auf den BAföG-Bescheid wartet:

  • Er kann Bürgergeld beantragen – für maximal drei Monate, also bis zur Bescheidzustellung.
  • Ab Tag der Bescheidzustellung (Ablehnung oder Bewilligung) endet der Zuschuss-Anspruch.
  • Bleibt die BAföG-Entscheidung aus, besteht weiterhin ein Überbrückungsanspruch.

Nicht zulässig: Ein “Verlängern” des Zuschuss-Zeitraums durch Widerspruch oder Beschwerde gegen den BAföG-Bescheid; die Entscheidung des Amts beendet den Anspruch.

Rechtspolitische Debatte: Verfassungskontrolle?

Das BSG-Urteil hebt hervor, dass kein Anlass besteht, diese klare Abgrenzung dem Bundesverfassungsgericht zur Normkontrolle vorzulegen. Die Systematik sei eindeutig und die Rechtsfolgen für Betroffene zumutbar. Das Urteil sorgt damit für Rechtssicherheit und schützt die Funktionsfähigkeit der Grundsicherung.

FAQ: Was sollten Auszubildende beachten?

  • Bürgergeld-Zuschuss ist eine reine Überbrückungsleistung – kein Ersatz zum BAföG.
  • Der Anspruch endet immer mit der BAföG-Entscheidung.
  • Für den Nachweis ist der Antrag auf Ausbildungsförderung ausschlaggebend – “frühes Handeln” kann finanzielle Nachteile vermeiden.
  • Im Zweifel sollte ein Fachanwalt für Sozialrecht konsultiert werden.

Auswirkungen auf die Sozialpraxis & Behörden

Das Urteil verpflichtet die Jobcenter, bei schulischen Ausbildungen strikt zu prüfen, ob und wann ein BAföG-Antrag beschlossen wurde. Die Information über den Bescheid ist taggenau relevant. Zuschüsse sind fortan nur noch bis zu diesem Datum gestattet. Das vereinfacht Verwaltungsverfahren und sorgt für einheitliche Umsetzung des Bürgergeldes für Auszubildende im ganzen Bundesgebiet.

Fazit: Klarheit, Rechtssicherheit und weniger Bürokratie

Das neue BSG-Urteil beseitigt Unsicherheiten, vereinfacht die Handhabung in Jobcentern und sorgt dafür, dass Auszubildende und Familien Klarheit über den Anspruch auf Bürgergeld-Zuschüsse besitzen. Die Rückausnahme wurde deutlich eingegrenzt; Notlagen über den BAföG-Antrag hinaus sind nun ausgeschlossen. Damit gewinnt die Schnittstelle von Grundsicherung und Ausbildungsförderung an Rechtssicherheit und Planbarkeit.

Redakteure

  • ik

    Sozialrechtsexperte und Redakteur

    Ingo Kosick ist ein renommierter Experte im Bereich des Sozialrechts in Deutschland. Er engagiert sich seit über 30 Jahren in diesem Feld und hat sich als führende Autorität etabliert. Als Vorsitzender des Vereins Für soziales Leben e.V., der 2005 in Lüdinghausen gegründet wurde, setzt er sich für die Unterstützung von Menschen ein, die von Armut und Arbeitslosigkeit betroffen sind. Der Verein bietet über das Internet Informationen, Beratung und Unterstützung für sozial benachteiligte Menschen an. Ingo Kosick ist zudem ein zentraler Autor und Redakteur auf der Plattform buerger-geld.org, die sich auf Themen wie Bürgergeld, Sozialleistungen, Rente und Kindergrundsicherung spezialisiert hat. Seine Artikel bieten fundierte Analysen und rechtlich aufgearbeitete Informationen, die Menschen in schwierigen Lebenssituationen unterstützen sollen. Durch seine langjährige Erfahrung und sein Engagement hat Ingo Kosick maßgeblich dazu beigetragen, dass sozial benachteiligte Menschen in Deutschland besser informiert und unterstützt werden können.

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  • Peter Kosick
    Experte:

    Jurist und Redakteur

    Peter Kosick hat an der Universität Münster Rechtswissenschaften studiert und beide juristische Staatsexamen in Nordrhein-Westfalen mit Erfolg abgelegt. Er arbeitet als freiberuflicher Jurist, ist Autor verschiedener Publikationen und hält Vorträge im Bereich Arbeits- und Sozialrecht. Seit mehr als 30 Jahren engagiert er sich im sozialen Bereich und ist seit der Gründung des Vereins "Für soziales Leben e.V." dort Mitglied. Peter Kosick arbeitet in der Online Redaktion des Vereins und ist der CvD. Seinen Artikeln sieht man an, dass sie sich auf ein fundiertes juristisches Fachwissen gründen. Peter hat ebenfalls ein Herz für die Natur, ist gern "draußen" und setzt sich für den Schutz der Umwelt ein. Seine Arbeit im Redaktionsteam von buerger-geld.org gibt ihm das Gefühl,  etwas Gutes für das Gemeinwohl zu tun.

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