Hintergrund der Reform
Seit dem Regierungswechsel im Januar 2025 und der Bildung einer großen Koalition aus CDU/CSU und SPD unter Bundeskanzler Friedrich Merz stehen strengere Maßnahmen für Sozialleistungen ganz oben auf der politischen Agenda. Die Ampel-Regierung ist Geschichte, stattdessen prägt eine deutlich restriktivere Sozial- und Arbeitsmarktpolitik das Land. Die Sofortmaßnahme der Koalition: Das Bürgergeld wird abgeschafft.
Kernstück der neuen Grundsicherung sind die „Totalsanktionen“ bei mehrfachen Pflichtverletzungen. Ziel ist es, die Mitwirkungspflicht der Empfänger massiv zu stärken und das Sozialbudget zu entlasten. Die Regierung betont, dass die Neuregelung auf Menschen abzielt, „die sich konsequent jeder Mitwirkung verweigern“ – sogenannte Totalverweigerer.
Die neue Dreistufen-Sanktionsregel ab 2026
Die neue Sanktionspraxis sieht folgende Eskalationsstufen vor (neue “Dreimal plus eins” – Regel):
- 1. Verstoß: Wer einen Termin unentschuldigt versäumt, erhält eine sofortige Kürzung des monatlichen Grundsicherungsbetrags (Regelsatz) um 30 Prozent.
- 2. Verstoß: Wird auch der zweite Termin nicht wahrgenommen, folgt eine weitere Kürzung um zusätzliche 30 Prozent.
- 3. Verstoß: Nach dem dritten unentschuldigten Fehlen werden sämtliche Geldleistungen, noch nicht aber Miet- und Heizkosten für mindestens einen Monat gestrichen.
- Plus 1 Verstoß: Wird auch die 4. Einladung (dreimal plus eins) im nächsten Monat nicht wahrgenommen, so wir die komplette Grundsicherung inklusive Miete und Heizkosten gestrichen. Dies bleibt so lange bestehen, bis eine Kooperation mit dem Jobcenter erfolgt.
Diese konsequente Kürzungslogik ist im Vergleich zu früheren Regelungen radikal: Selbst Unterkunftskosten können verloren gehen, was Betroffene akut in Armut und Obdachlosigkeit treiben kann. Das Jobcenter muss vor jeder Sanktion eine Anhörung durchführen, sodass Betroffene die Möglichkeit haben, triftige Gründe wie Krankheit vorzubringen.
Wer ist betroffen?
Die Regel gilt für alle Empfänger der neuen Grundsicherung im erwerbsfähigen Alter, die vom Jobcenter betreut werden. Minderjährige und besonders geschützte Gruppen sind von der Totalsanktion ausgenommen, im Zweifel entscheidet das Jobcenter individuell. Besonders betroffen sind Menschen mit psychischen Problemen, Mehrfachbelastungen oder fehlenden Ressourcen für Selbstorganisation.
Ausnahmen und Härtefälle
Die Bundesregierung stellt klar: Bei nachgewiesenen Härtefällen, etwa plötzlicher Krankheit, familiären Notfällen oder tatsächlich nicht zumutbaren Arbeitsangeboten, werden Sanktionen abgemildert oder aufgehoben. Die Sozialverbände kritisieren jedoch, dass in der Praxis oft hohe Hürden für die Anerkennung solcher Ausnahmen bestehen.
Kritik und gesellschaftliche Folgen
Die neuen Regelungen stoßen auf breite Kritik: Sozialverbände, Verfassungsrechtler und Oppositionsparteien warnen vor „staatlich verordneter Armut“ und möglichen Verfassungsbrüchen. Das Existenzminimum ist nach ihrer Sicht nicht ausreichend geschützt, wenn sogar Miet- und Heizkosten gestrichen werden können.
- Viele Betroffene fürchten Obdachlosigkeit.
- Beratungsstellen erwarten einen Anstieg von Notfällen und existentiellen Krisen.
- Die Regierung betont, die Sanktionsregel treffe nur „Totalverweigerer“ – doch Experten warnen, dass auch vulnerable Gruppen Gefahr laufen können.
Handlungsempfehlungen für Grundsicherungsempfänger
Die neuen Regeln erfordern eine klare Mitwirkung der Betroffenen:
- Termine beim Jobcenter unbedingt wahrnehmen oder rechtzeitig mit Nachweisen absagen.
- Im Falle eines Sanktionsbescheids sofort reagieren, Widerspruch einlegen und fachliche Hilfe suchen.
- Sozialberatungsstellen, Anwälte und Gewerkschaften bieten Unterstützung, auch bei drohender Obdachlosigkeit.
Wer sich gut vorbereitet, kann Risiken minimieren – dennoch birgt die Neuregelung auch Unsicherheiten, besonders für Menschen mit gesundheitlichen oder sozialen Belastungen.
Ausblick und politische Debatte
Die Umsetzung der neuen Grundsicherung ist für Mitte 2026 geplant, einige Punkte sind jedoch noch Gegenstand von Debatten. Sozialgerichte und eventuell das Bundesverfassungsgericht werden sich sicherlich mit den Totalsanktionen und deren Zulässigkeit befassen. Die Frage, ob das Modell langfristig bleibt oder erneut reformiert wird, bleibt offen.
Fazit zur “Dreimal plus eins Regelung”
Die vollständige Streichung aller Leistungen nach dreimaligem Terminversäumnis im Jobcenter ist einer der härtesten Einschnitte im deutschen Sozialrecht seit Jahrzehnten. Die schwarz-rote Bundesregierung setzt damit konsequent auf Kontrolle und Mitwirkung. Wer Grundsicherungsleistungen erhält, muss die neuen Vorgaben kennen und systematisch befolgen – denn die Risiken für die eigene Existenz sind so hoch wie nie zuvor.