Wenn die Pflege das Leben verändert – und das Einkommen sinkt, was tun?
Kurzfristige Auszeit: Das Pflegeunterstützungsgeld als schnelle Hilfe
Wenn plötzlich Pflege notwendig wird, erlaubt das Pflegezeitgesetz (§ 2 Abs. 1) eine sofortige zehntägige Arbeitsverhinderung. Während dieser Zeit können Angehörige die Pflege organisieren, etwa ärztliche Termine oder Pflegedienste koordinieren. Damit der Verdienstausfall in dieser Phase abgefedert wird, gibt es das Pflegeunterstützungsgeld.
Diese Lohnersatzleistung funktioniert ähnlich wie das Krankengeld und wird von der Pflegekasse der pflegebedürftigen Person gezahlt. Der Antrag erfolgt direkt bei der jeweiligen Pflegekasse oder privaten Pflegepflichtversicherung.
Wie viel Geld gibt es?
- Ohne Sonderzahlungen (z. B. Weihnachtsgeld): 90 % des ausgefallenen Nettoarbeitsentgelts
- Mit Sonderzahlungen: 100 % des ausgefallenen Nettolohns
Der Betrag ist durch das Sozialgesetzbuch begrenzt. 2025 gilt eine Höchstgrenze von 128,63 Euro pro Tag.
Abgezogen werden Sozialversicherungsbeiträge für Kranken- und Rentenversicherung, allerdings keine Einkommensteuer.
Wichtig: Wer Teilzeit arbeitet, erhält das Pflegeunterstützungsgeld anteilig. Es kann einmal jährlich erneut beantragt werden, wenn eine neue akute Pflegesituation auftritt.
Wenn Pflege länger dauert: Die Pflegezeit
Wer einen Angehörigen über einen längeren Zeitraum pflegt, kann sich nach dem Pflegezeitgesetz (PflegeZG) bis zu sechs Monate von der Arbeit freistellen lassen. Dies gilt für Angestellte in Betrieben mit mindestens 15 Beschäftigten.
Während dieser Zeit besteht kein Anspruch auf Lohn, aber die Sozialversicherungen bleiben aufrechterhalten, sofern Angehörige eine Pflegeleistung beziehen (z. B. Pflegegeld oder Pflegesachleistung).
Beschäftigte sollten frühzeitig mit ihrem Arbeitgeber sprechen und die Pflegezeit schriftlich ankündigen. Der Antrag sollte mindestens zehn Arbeitstage vor Beginn gestellt werden.
Finanzierungsmöglichkeiten während der Pflegezeit
Während der unbezahlten Freistellung stehen Pflegenden mehrere Optionen offen:
- Pflegegeld des Pflegebedürftigen (bis zu 947 Euro ab 2025) kann der Angehörige als finanzielle Anerkennung erhalten.
- Ergänzende Sozialhilfe oder ergänzendes Bürgergeld**, falls Einkommen und Rücklagen nicht ausreichen.
- Zinsloses Darlehen vom Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben (BAFzA).
Pflegezeit und Darlehen: Zinsfreie Hilfe vom Staat
Das BAFzA-Darlehen unterstützt Pflegende, die aufgrund ihrer Freistellung kein Einkommen haben. Es deckt bis zu 50 Prozent des Nettoverdienstes und wird in monatlichen Raten ausgezahlt. Der Antrag erfolgt online über das Bundesamt für Familie. Das Darlehen ist zinslos und wird nach Ende der Pflegezeit in kleinen monatlichen Raten zurückgezahlt – bei besonderen Härtefällen kann die Rückzahlung sogar gestundet oder erlassen werden.
Voraussetzungen:
- Verwandtschaft bis zweiten Grades
- Schriftliche Bestätigung des Arbeitgebers über Freistellung
- Nachweis über die Pflegebedürftigkeit
Dieses Modell soll sicherstellen, dass Angehörige Pflegetätigkeit und Existenzsicherung verbinden können.
Langfristige Modelle: Familienpflegezeit mit Teilzeitlösung
Nicht immer ist eine vollständige Auszeit gewünscht oder möglich. Viele Pflegende wollen beruflich eingebunden bleiben und gleichzeitig Angehörige unterstützen. Hier greift die Familienpflegezeit nach dem Familienpflegezeitgesetz (FPfZG).
Die Familienpflegezeit ermöglicht, den Arbeitsumfang über einen längeren Zeitraum – maximal 24 Monate – zu reduzieren. Die wöchentliche Mindestarbeitszeit beträgt in der Regel 15 Stunden. Das Gehalt sinkt entsprechend, dafür sichert das Modell den Arbeitsplatz und die soziale Absicherung.
Auch hier kann über das BAFzA ein zinsloses Darlehen beantragt werden – diesmal über die gesamte Laufzeit. So wird der Verdienstausfall zumindest teilweise aufgefangen.
Versicherungen während der Pflege – was bleibt bestehen?
Während einer Pflegezeit bleiben Pflegepersonen über die Pflegeversicherung des Pflegebedürftigen sozial abgesichert. Das betrifft insbesondere:
- Rentenversicherung: Die Pflegekasse zahlt Beiträge, wenn mindestens Pflegestufe 2 vorliegt und die Pflege über zehn Stunden an mindestens zwei Tagen pro Woche erfolgt.
- Arbeitslosenversicherung: Pflegende können nach Ende der Pflege unter bestimmten Voraussetzungen Arbeitslosengeld I beantragen, wenn sie zuvor sozialversicherungspflichtig beschäftigt waren.
- Unfallversicherung: Pflegepersonen sind automatisch unfallversichert (§ 44 SGB XI), etwa bei Unfällen während der Pflege oder auf dem Weg zur pflegebedürftigen Person.
Damit bleibt die soziale Absicherung während der Pflegephase gewährleistet, ohne dass zusätzliche Beiträge gezahlt werden müssen.
Pflegegeld, Pflegezeit und Beruf: Wie sich Leistungen kombinieren lassen
Pflegeunterstützungsgeld, Pflegezeit und Familienpflegezeit lassen sich kombinieren – aber nicht gleichzeitig beziehen.
Ein typisches Beispiel:
Zunächst nimmt jemand zehn Tage Pflegeunterstützungsgeld, um die akute Situation zu organisieren. Danach folgt eine sechsmonatige Pflegezeit, wenn die Pflege fortgeführt wird. Später kann auf Teilzeit im Rahmen der Familienpflegezeit umgestellt werden, um langfristig beides – Pflege und Beruf – zu vereinbaren.
Vorab sollte geprüft werden, welche Variante finanziell tragfähig ist. Oft lohnt es sich, Pflegeberatung in Anspruch zu nehmen – etwa über die Pflegekasse, den Pflegestützpunkt oder Sozialdienste.
Finanzielle Unterstützung durch die Pflegekasse
Pflegebedürftige erhalten je nach Pflegegrad verschieden hohe Geld- oder Sachleistungen, die auch Angehörigen zugutekommen können:
Pflegegrad | Pflegegeld monatlich (ab 2025) | Pflegesachleistung |
---|---|---|
1 | 0 € | 0 € |
2 | 382 € | 760 € |
3 | 545 € | 1.455 € |
4 | 728 € | 1.693 € |
5 | 947 € | 2.095 € |
Quelle: Bundesgesundheitsministerium (Pflegereform 2025)
Das Pflegegeld wird an den Pflegebedürftigen ausgezahlt, kann aber an pflegende Angehörige als Entlohnung weitergegeben werden. Die Leistung gilt als steuerfrei (§ 3 Nr. 36 EStG).
Wenn das eigene Einkommen nicht reicht: Sozialhilfe und Pflegeergänzung
Auch mit Pflegegeld bleiben viele Familien knapp bei Kasse. Pflegende, die aufgrund fehlender Einnahmen in Not geraten, können Unterstützung durch die Hilfe zur Pflege nach dem Sozialgesetzbuch XII beantragen. Diese greift, wenn das eigene Einkommen und Vermögen nicht ausreichen, um den Lebensunterhalt zu sichern.
Zusätzlich kann Bürgergeld beantragt werden, wenn kein Anspruch auf Hilfe zur Pflege besteht oder Pflege mit eigener Erwerbstätigkeit kombiniert wird. Die Jobcenter erkennen Pflegezeiten als wichtigen Grund für Arbeitszeitreduzierung an.
Steuerliche Entlastung: Pflegekosten absetzen
Pflegende Angehörige können viele Ausgaben steuerlich geltend machen – entweder als:
- außergewöhnliche Belastung (z. B. Fahrtkosten, Pflegebedarf, Unterkunft),
- Pflegepauschbetrag (1.800 Euro jährlich ab Pflegegrad 2)
oder bei höheren Pflegekosten nach individuellem Nachweis.
Arbeitgeberleistungen, wie zusätzliche Urlaubstage oder Zuschüsse zur Pflege, sind ebenfalls steuerfrei, wenn sie direkt mit der Pflegesituation zusammenhängen.
Unterstützung durch Arbeitgeber und Pflegezeitberatung
Immer mehr Unternehmen bieten inzwischen interne Unterstützungsprogramme für pflegende Mitarbeitende an. Dazu gehören:
- flexible Arbeitszeiten, Homeoffice-Regelungen, Gleitzeit
- Beratungsstellen für Pflegekoordination
- Zuschüsse oder Freistellungen bei kurzfristigen Pflegesituationen
Wer pflegt, sollte aktiv auf Personalabteilung oder Betriebsrat zugehen – oft lassen sich individuelle Lösungen finden.
Ergänzend gibt es zahlreiche unabhängige Beratungsangebote, etwa:
- Servicetelefon Pflege des Bundesgesundheitsministeriums (030 – 340 60 66 02)
- Pflegewegweiser NRW
- Landespflegeberatung Baden-Württemberg
Pflegeunterstützung im Ausland oder für entfernte Angehörige
Pflegeleistungen gelten nicht nur für Menschen, die im selben Haushalt leben. Auch wer Eltern oder Partner in einer anderen Stadt pflegt, kann Anspruch auf Pflegezeit und Pflegeunterstützungsgeld haben – solange die Pflege tatsächlich erbracht oder organisiert wird.
Für pflegebedürftige Angehörige im EU-Ausland oder in Staaten mit Sozialversicherungsabkommen gelten Sonderregeln: Pflegegeld wird teilweise weitergezahlt, Sachleistungen sind jedoch auf Deutschland beschränkt.
Was sich 2025 in der Pflege geändert hat
Mit der Pflegereform 2025 gelten verbesserte finanzielle Rahmenbedingungen:
- Pflegegeld-Erhöhung um 5 Prozent ab Januar 2025
- Vereinheitlichung von Verhinderungs- und Kurzzeitpflege zu einem gemeinsamen Budget von 3.386 Euro pro Jahr
- Pflegeunterstützungsgeld jährlich möglich statt nur einmal pro Pflegesituation
- Beitragsentlastung für Eltern mit mehreren Kindern in der Pflegeversicherung
Diese Änderungen sollen pflegende Angehörige langfristig entlasten und den sozialen Schutz stärken.
Zusammenfassung: Niemand muss in der Pflegezeit finanziell ins Leere fallen
Pflege anzunehmen, ist eine menschliche Entscheidung – keine, die in Geldnot führen darf. Der Staat bietet Pflegenden heute vielfältige Wege, Einkommen zu sichern: Akut durch Pflegeunterstützungsgeld, mittelfristig durch Pflegezeit oder langfristig durch Familienpflegezeit.
Wichtig ist, rechtzeitig Anträge zu stellen, den Kontakt zur Pflegekasse zu halten und Beratung in Anspruch zu nehmen. So lässt sich die Pflegephase nicht nur emotional, sondern auch wirtschaftlich sicher gestalten.