Seit Juli 2024 profitieren Millionen Rentnerinnen und Rentner von einem Zuschlag von bis zu 7,5 Prozent. Doch der Bonus, der bislang „nicht auf andere Einkünfte angerechnet“ wurde, verliert zum 1. Dezember 2025 seinen Sonderstatus. Dann fließt der Zuschlag in die reguläre Rente ein – und kann bei einkommensabhängigen Leistungen zu Kürzungen führen.
Die Übergangsregelung läuft aus
Laut der Deutschen Rentenversicherung (DRV) galt der Zuschlag bis einschließlich November 2025 als nicht anzurechnendes Einkommen. Das bedeutete: Wer Witwen‑ oder Witwerrente bezieht, musste keine Minderung befürchten.
Doch diese Ausnahme endete planmäßig mit Ablauf des 30. November 2025. Ab Dezember gilt der Zuschlag als Teil der laufenden Monatsrente – und damit als anrechenbares Einkommen im Sinne der Hinterbliebenenrenten‑Berechnung.
Wie aus einem aktuellen DRV-Hinweis hervorgeht, „kann der Zuschlag ab Dezember 2025 zu einer Minderung der Witwen‑ beziehungsweise Witwerrente führen“.
Warum es überhaupt den Zuschlag gibt
Der Rentenzuschlag ist Teil der großen Rentenreform 2024, die beschlossen wurde, um langjährig Versicherte mit niedrigen Rentenansprüchen besserzustellen. Die Erhöhung betrug je nach Versicherungsverlauf zwischen 2,5 und 7,5 Prozent.
So sollten vor allem sogenannte Bestandsrentnerinnen – also Personen, die bereits vor 2024 Rente bezogen – von einem gerechteren Leistungsniveau profitieren.
Der Zuschlag wirkt damit wie eine „Mini-Grundrente“, allerdings ohne gesonderte Einkommensprüfung. Die Bundesregierung betonte damals, Ziel sei es, Rentenlücken zu verringern und kleine Renten aufzuwerten.
Anrechnung trifft vor allem Witwen und Witwer
Während die Regelung bisher vielen Hinterbliebenen finanzielle Entlastung brachte, droht ab Dezember 2025 nun das Gegenteil. Bei den rund 4,1 Millionen Beziehern von Witwen‑ oder Witwerrenten wird das zusätzliche Einkommen mit der individuellen Einkommensanrechnung verrechnet.
Das bedeutet: Der Zuschlag kann künftig zu einer teilweisen oder vollständigen Kürzung der Hinterbliebenenrente führen. Besonders betroffen sind diejenigen, deren eigene Altersrente knapp über den Freibeträgen liegt.
DRV-Expertinnen warnen bereits: „Ab Dezember 2025 kann sich die Nettoeinkommenssituation vieler Hinterbliebener verändern.“
Wie die Anrechnung technisch funktioniert
Für die Berechnung der Witwenrente wird das eigene Einkommen berücksichtigt. Übersteigt dieses den gesetzlichen Freibetrag, wird die Rente um 40 Prozent des übersteigenden Betrags gekürzt.
Ab Dezember 2025 zählt der Zuschlag mit – die Freibeträge selbst bleiben unverändert. Die DRV legt für 2025 folgende Werte zugrunde:
Art der Witwenrente | Freibetrag West | Freibetrag Ost |
---|---|---|
Witwen-/Witwerrente nach altem Recht | 1.038,05 € | 1.009,25 € |
Zuschlag ab 12/2025 als Einkommen | vollständig | vollständig |
Damit kann schon ein Rentenzuschlag von wenigen Dutzend Euro zu einer nachträglichen Kürzung führen. Die DRV plant keine automatische Kompensation.
Beispiel: Was das konkret bedeutet
Frau Müller aus Köln bezieht eine eigene Altersrente von 1.020 Euro netto und zusätzlich eine kleine Witwenrente. Bisher blieb ihr Zuschlag von 7 Prozent außen vor.
Ab Dezember 2025 werden zusätzliche rund 71 Euro nun mitgerechnet. Ihre Witwenrente könnte dadurch monatlich um bis zu 28 Euro sinken. Auf ein Jahr gerechnet verliert sie über 330 Euro.
DRV-Berechnungen zeigen, dass rund 650.000 Hinterbliebene mit Kürzungen zwischen 5 und 50 Euro monatlich rechnen müssen – je nach Höhe des Zuschlags und eigener Rente.
Rentnerinnen sind überproportional betroffen
Rund 85 Prozent der betroffenen Hinterbliebenenrenten werden von Frauen bezogen. Viele leben ohnehin an der unteren Einkommensgrenze.
Der Sozialverband VdK kritisiert daher, dass „die Reform an einer empfindlichen Stelle greift und die soziale Schieflage weiter verschärfen könnte“.
Auch die Vorsitzende des Vereins Für soziales Leben e. V., Annegret Schulze, kommentierte gegenüber Bürger & Geld: „Diese Anrechnung trifft die Falschen. Es wird Zeit, dass die Politik soziale Kompensation prüft.“
Was Betroffene jetzt tun können
Die DRV empfiehlt, rechtzeitig die persönlichen Berechnungen zu prüfen. Betroffene sollten im Oktober oder November 2025 ihren Rentenbescheid genau lesen oder sich beraten lassen.
Laut DRV kann sich eine freiwillige Steuer‑ oder Sozialberatung lohnen, um Nebenwirkungen zu vermeiden – etwa bei gleichzeitiger Grundrentenprüfung oder der Anrechnung von Betriebsrenten.
Wer unsicher ist, kann im Versichertenportal der DRV unter „Hinterbliebenenrenten“ eine Beispielberechnung durchführen und mögliche Kürzungsbeträge simulieren.
FAQ: Häufige Fragen zur neuen Anrechnung ab Dezember 2025
Warum endet die Übergangsregelung gerade jetzt?
Die Regelung war von Anfang an befristet. Sie sollte Rentnerinnen und Rentnern Zeit geben, sich an die neue Berechnungsgrundlage anzupassen.
Wie hoch ist der Zuschlag überhaupt?
Der Zuschlag beträgt bis zu 7,5 Prozent der individuellen Rente, je nach Versicherungsverlauf zwischen 0,3 und 0,5 Entgeltpunkten jährlich.
Muss ich etwas beantragen, wenn der Zuschlag angerechnet wird?
Nein. Die DRV berücksichtigt den Zuschlag automatisch in der Dezemberabrechnung 2025. Eine gesonderte Antragstellung ist nicht nötig.
Kann durch die Anrechnung Grundsicherung im Alter betroffen sein?
Ja. Auch bei der Berechnung von Grundsicherung im Alter wird das tatsächliche Renteneinkommen herangezogen. Wer knapp oberhalb der Grenzen liegt, könnte Unterstützung verlieren.
Was tun, wenn ich eine falsche Berechnung vermute?
Widersprüche sind innerhalb eines Monats nach Zugang des neuen Rentenbescheids möglich. Die DRV ist verpflichtet, jede Kürzung nachvollziehbar zu begründen.
Politische Stimmen und mögliche Reaktionen
In Berlin wächst die Kritik. Oppositionelle Sozialpolitiker fordern, den Zuschlag dauerhaft anrechnungsfrei zu stellen.
„Wer jahrzehntelang gearbeitet hat, soll vom Zuschlag profitieren und nicht durch Bürokratie wieder verlieren“, sagte die SPD-Abgeordnete Katja Müller laut einem Bericht von „RedaktionsNetzwerk Deutschland“.
Das Arbeitsministerium verweist hingegen auf die „gesetzgeberische Logik der Einkommensneutralität“. Es sei nie vorgesehen gewesen, den Zuschlag dauerhaft isoliert zu behandeln.
Auswirkungen auf das Vertrauen in die Rentenpolitik
Die abrupte Kehrtwende wirft Fragen auf. Viele Rentnerinnen fühlen sich getäuscht, weil sie den Zuschlag als dauerhafte Erhöhung verstanden hatten.
Experten warnen: „Wenn Anpassungen so kurzlebig sind, sinkt das Vertrauen in die Verlässlichkeit der Rentenpolitik“, so Rentenforscher Dr. Henrik Becker vom Institut für Sozialwissenschaften.
Transparente Kommunikation sei nötig, damit Menschen langfristig planen könnten – nicht nur im Hinblick auf Rente, sondern auch auf Pflegekosten und Grundsicherung.
Mögliche Entlastungen in Sicht?
Bislang lehnt das Bundesarbeitsministerium eine Verlängerung der Übergangsregelung ab. Allerdings könnte eine Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG) zur Anrechnung von Zuschlägen neuen Druck erzeugen.
Ein ähnlich gelagerter Fall liegt derzeit zur Entscheidung vor. Sollte das Gericht zugunsten der Kläger entscheiden, müsste die Anrechnung sozialrechtlich neu bewertet werden.
Sozialverbände fordern daher eine vorläufige Aussetzung, bis Rechtssicherheit besteht.
„Es darf nicht sein, dass Hunderttausende Menschen Kürzungen hinnehmen müssen, während das Gericht noch prüft“, erklärte VdK‑Präsidentin Verena Bentele.
Experten empfehlen: Frühzeitig Unterlagen prüfen
Viele Rentnerinnen wissen gar nicht, welche Einkommensbestandteile bei der Anrechnung zählen. Neben dem Rentenzuschlag werden auch Betriebsrenten, Mieten und Nebeneinkünfte berücksichtigt.
Je vollständiger die Angaben, desto sicherer fällt die DRV-Berechnung aus. Falsche Angaben können Rückforderungen auslösen.
Finanzplaner raten außerdem, Haushaltsbudgets rechtzeitig zu prüfen, „damit die Dezember-Überraschung nicht zur Lücke im Portemonnaie wird“.
Fazit: Eine kleine Änderung mit großer Wirkung
Was zunächst wie eine technische Anpassung klingt, hat erhebliche soziale Folgen. Der Rentenzuschlag, einst als Entlastung gefeiert, wird ab Dezember 2025 für viele zur Einkommensfalle.
Für Hinterbliebene bedeutet das: weniger Netto vom Brutto, weniger Planungssicherheit – und mehr Zweifel an der Fairness der Rentenpolitik.
Doch wer gut informiert ist, kann gegensteuern: Rentenbescheide prüfen, rechtzeitig Beratung suchen und Übergangsoptionen ausloten.
Vor allem braucht es politische Sensibilität: Eine solidarische Gesellschaft darf Altersarmut nicht verschärfen – und sollte versprechen, was sie hält.