Woher die 813 Euro kommen
Der Paritätische Wohlfahrtsverband und seine Forschungsstelle kommen in einer detaillierten Auswertung der amtlichen Verbrauchsstatistiken zu dem Ergebnis, dass ein armutsfester Regelsatz für alleinstehende Erwachsene bei mindestens 813 Euro liegen müsste. Grundlage ist das offizielle Statistikmodell, allerdings ohne die politisch vorgenommenen Kürzungen sogenannter „nicht regelsatzrelevanter“ Ausgaben, die im aktuellen Bürgergeld-Regelsatz herausgerechnet wurden.
Ein weiterer zentraler Punkt der Berechnungen: Stromkosten sind bislang im Regelsatz pauschal enthalten, obwohl sie in der Praxis deutlich höher ausfallen und regional stark schwanken. Aus Verbands- und Betroffenensicht ist es sachgerecht, Stromkosten wie Miete und Heizung als tatsächliche Kosten der Unterkunft zu übernehmen – zusätzlich zu einem angehobenen Regelsatz von 813 Euro.
Warum der aktuelle Regelsatz nicht reicht
Analysen von Sozialverbänden und Medien zeigen, dass Bürgergeld-Beziehende ab Juli 2026: neue Grundsicherung für Arbeitsuchende) insbesondere bei Strom und Lebensmitteln strukturell „draufzahlen“. Im Regelsatz 2024/2025 sind für Haushaltsstrom nur rund 45 bis 47 Euro vorgesehen, während ein sparsamer Ein-Personen-Haushalt je nach Stadt im Schnitt über 52 Euro und teils deutlich mehr zahlen muss – mit jährlichen Defiziten von bis zu über 200 Euro.
Hinzu kommt, dass der Bürgergeld-Regelsatz in den letzten Jahren zwar nominal gestiegen ist, die Inflation bei Energie, Nahrungsmitteln und Wohnnebenkosten aber noch stärker angezogen hat. Studien und Berichte sprechen deshalb von einer „Bürgergeld-Nullrunde in der Notlage“, weil die reale Kaufkraft weiter sinkt und viele Betroffene berichten, dass Geld für Strom, gesunde Ernährung oder Mobilität fehlt.
Politische Forderungen nach 813 Euro plus Strom
Mehrere Akteure in der Sozialpolitik greifen die 813-Euro-Marke auf:
- Sozialverbände wie der Paritätische fordern mindestens 813 Euro Regelsatz, dazu die komplette Übernahme von Miete und Stromkosten sowie bessere Qualifizierungsangebote.
- Teile der Opposition (u.a. Die Linke) wollen das Bürgergeld zu einer sanktionsfreien Mindestsicherung umbauen, deren Höhe sich ebenfalls an etwa 813 Euro orientiert.
- In Beiträgen, Talkshows und Kampagnen von Betroffenen taucht die Zahl 813 Euro als „realistisch notwendige Untergrenze“ immer wieder auf und wird medial breit diskutiert.
Die Gegenseite – unter anderem Wirtschaftsinstitute und konservative Politiker – warnt, ein Plus von rund 44 Prozent gegenüber den aktuellen 563 Euro könne Arbeitsanreize schwächen und öffentliche Haushalte überlasten. Entsprechend polarisiert ist die Debatte, was eine schnelle Umsetzung erschwert.
Wann wäre mit einer Erhöhung zu rechnen?
Eine gesetzliche Anhebung des Regelsatzes auf 813 Euro plus gesondert erstattete Stromkosten setzt eine grundlegende Reform von Bürgergeld und Sozialhilfe voraus. Aktuell ist vielmehr eine „Neue Grundsicherung“ in Planung, bei der das Bürgergeld in ein Grundsicherungsgeld überführt und zugleich an mehreren Stellen verschärft werden soll; für 2025 und 2026 sind sogar Nullrunden bei den Regelsätzen angekündigt.
Realistisch wäre eine so deutliche Erhöhung nur, wenn
- sich im Bundestag eine neue Mehrheit für armutsfeste Regelsätze findet (z.B. nach einer Bundestagswahl oder bei veränderten Mehrheitsverhältnissen),
- der Gesetzgeber das SGB II und SGB XII entsprechend ändert und
- der Haushalt ausreichend Mittel vorsieht.
Da derzeit eher über Einsparungen und Verschärfungen im Hilfesystem diskutiert wird, ist kurzfristig – also in den Jahren 2025 und 2026 – nicht mit einer politischen Umsetzung der 813-Euro-Forderung plus Stromkostenübernahme zu rechnen.
Einschätzung des Vereins Für soziales Leben e.V.:
Mit einer Anhebung des Regelsatzes auf 813 Euro in den nächsten Jahren ist angesichts der politischen Verhältnisse in Deutschland nicht zu rechnen.
Einzige Ausnahme: die Inflation würde sprunghaft steigen.
Was die 813 Euro plus Strom für Betroffene bedeuten würden
Ein Regelsatz von 813 Euro bei vollständiger Übernahme der Stromkosten würde den finanziellen Spielraum von Alleinstehenden deutlich erhöhen und viele heute bestehende Defizite bei Energie, Ernährung, Mobilität und sozialer Teilhabe ausgleichen. Besonders Ein-Personen-Haushalte, die heute systematisch unterfinanziert sind, könnten ihre Fixkosten realistisch decken, ohne jeden Monat zwischen Stromrechnung und Lebensmitteln abwägen zu müssen.
Zudem käme eine solche Reform nicht nur klassischen Bürgergeld-Beziehenden zugute, sondern auch Menschen in der Grundsicherung im Alter oder bei Erwerbsminderung, da die Regelbedarfe im SGB XII mit betroffen wären. Aus Sicht der Verbände wäre dies ein zentraler Schritt hin zu einer armutsfesten Grundsicherung, die das verfassungsrechtlich garantierte Existenzminimum wirklich abdeckt, anstatt es nur statistisch zu definieren.


