Namenswechsel: Vom Bürgergeld zurück zur „Grundsicherung“
Ab 1. Juli 2026 soll das Bürgergeld formal wieder „Grundsicherung für Arbeitsuchende“ heißen, im Gesetzestitel wie auch im gesamten SGB II. Im Entwurf des 13. Gesetzes zur Änderung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch wird der Begriff „Bürgergeld“ durchgängig gestrichen und durch „Grundsicherungsgeld“ bzw. „Grundsicherung für Arbeitsuchende“ ersetzt.
Am Grundmodell – Leistungen für erwerbsfähige Hilfebedürftige ab 15 Jahren mit Wohnsitz in Deutschland – ändert sich dagegen zunächst nichts. Weiterhin umfasst die Leistung den Regelbedarf, Kosten der Unterkunft und Heizung, Mehrbedarfe sowie Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge.
Regelsatz 2026: zweite Nullrunde in Folge
Die Bundesregierung plant für 2026 eine zweite Nullrunde bei den Regelbedarfen, nachdem es bereits 2025 keinen Aufschlag gab. Hintergrund ist der gesetzliche Fortschreibungsmechanismus, der für 2026 rechnerisch sogar leicht niedrigere Bedarfe ergeben hätte – politisch wurde daher entschieden, die aktuellen Beträge einzufrieren, statt sie zu senken.
Damit gelten voraussichtlich auch 2026 unverändert die seit 2024 bekannten Sätze, z.B.:
- Alleinstehende: 563 Euro
- Erwachsene in Bedarfsgemeinschaft: 506 Euro
- Jugendliche 14–17 Jahre: 471 Euro
- Kinder 6–13 Jahre: 390 Euro
- Kinder bis 5 Jahre: 357 Euro.
Sozialverbände warnen, dass die Kaufkraft damit weiter sinkt, weil Mieten und Lebenshaltungskosten weiter steigen, während der Regelsatz eingefroren bleiben.
Strengere Zumutbarkeit und Rückkehr des „Forderns“
Zentraler Punkt der Reform ist die Verschärfung des „Grundsatzes des Forderns“: Erwerbsfähige Leistungsberechtigte sollen ihre Arbeitskraft im maximal zumutbaren Umfang einsetzen, um die eigene Hilfebedürftigkeit und die der Bedarfsgemeinschaft vollständig zu überwinden. Der Vorrang der Vermittlung in Arbeit gegenüber längerfristiger Qualifizierung wird wieder ausdrücklich hervorgehoben.
Das bedeutet:
- Mehr Druck zur Annahme auch befristeter oder geringfügiger Beschäftigungen.
- Weniger Raum für Ablehnung „zumutbarer Arbeit“ aus persönlichen Gründen.
- Fokus auf schnelle Arbeitsaufnahme statt langfristigem Bildungsabschluss.
Gerade jüngere Arbeitsuchende unter 30 sollen zwar weiterhin Qualifizierungsangebote erhalten, aber insgesamt gilt der Leitgedanke „Vermittlung geht vor Perspektive“.
Sanktionskaskade bis zur Totalsperre
Besonders einschneidend ist die geplante Sanktionslogik: Wer wiederholt nicht mitwirkt, muss mit massiven Kürzungen bis hin zur vollständigen Leistungseinstellung rechnen. Der Entwurf sieht u.a. folgende Stufen bei den Sanktionen vor:
- Nach zwei versäumten Terminen beim Jobcenter: Kürzung des Geldbetrags um 30%.
- Beim dritten versäumten Termin: komplette Einstellung der Geldleistung.
- Bleibt die Mitwirkung im Folgemonat weiterhin aus, können sämtliche Leistungen inklusive Unterkunftskosten entfallen (Härtefälle ausgenommen).
Medien sprechen in diesem Zusammenhang bereits von einer faktischen „Rückkehr der Totalsanktion“ und einem „Hartz V“-ähnlichen Regime. Zugleich betont die Bundesregierung, dass Härtefallregelungen und Grenzen aus der bisherigen Rechtsprechung zu Sanktionen eingehalten werden sollen.
Vermögen und Schonvermögen: Ende der großzügigen Karenzzeit
Mit der neuen Grundsicherung wird die großzügige Vermögens-Karenzzeit des Bürgergeldes abgeschafft. Stattdessen soll das Schonvermögen künftig stärker an Alter, Lebensleistung und Beitragszeiten gekoppelt werden, Details dazu werden in Verordnungen und Verwaltungshinweisen konkretisiert.
Klar ist schon jetzt:
- Höhere Vermögensfreibeträge der ersten Bürgergeldjahre laufen aus bzw. werden deutlich abgesenkt.
- Rücklagen müssen schneller für den Lebensunterhalt eingesetzt werden, bevor ein Anspruch auf Grundsicherung besteht.
Gerade langjährige Beitragszahler sollen zwar weiterhin ein gestuftes Schonvermögen behalten, doch insgesamt wird der Zugang zur Leistung wieder stärker auf „wirklich Bedürftige“ fokussiert.
Wohnkosten: Strengere Obergrenzen und kein „Schonraum“ mehr
Auch bei den Kosten der Unterkunft wird das System spürbar strenger: Die bislang geltende Karenzzeit, in der Mieten weitgehend in tatsächlicher Höhe übernommen wurden, soll entfallen. Jobcenter orientieren sich künftig wieder früher und konsequenter an den regionalen Angemessenheitsgrenzen – teilweise mit zusätzlicher Deckelung auf das 1,5-Fache dieser Grenzen.
Für Betroffene heißt das:
- Schnellere Aufforderungen zur Kostensenkung oder zum Umzug in günstigere Wohnungen. Siehe hier: Wohnkosten 2026
- Höheres Risiko von „Mietlücken“, wenn die Differenz zwischen tatsächlicher Miete und anerkannter Miete nicht aus eigenen Mitteln aufgebracht werden kann.
Beratungsstellen warnen bereits vor einer Zunahme von Wohnungsverlusten und Verdrängung aus innenstadtnahen Lagen.
Politische Stoßrichtung: „Hartz V“ statt Bürgergeld-Vertrauenszeit
In der politischen Debatte wird die Reform teils als Abkehr vom Bürgergeld-Kompromiss und als „Hartz V“ bezeichnet. Die Bundesregierung begründet den Kurs mit dem Ziel, Missbrauch zu bekämpfen, mehr Menschen schneller in Arbeit zu bringen und die Akzeptanz des Systems in der arbeitenden Mitte zu stärken.
Geplant sind u.a.:
- Verbesserter Datenabgleich und schärfere Kontrollen, etwa gegen Scheinarbeit und Mehrfachbezug.
- Schnellere und konsequentere Sanktionen bei Pflichtverletzungen.
- Eine langsamere Dynamisierung der Regelsätze durch Änderungen am Anpassungsmechanismus.
Sozialverbände kritisieren vor allem die doppelte Nullrunde 2025/2026 sowie das hohe Sanktionsniveau und verweisen auf steigende Armut und soziale Spaltung.
Was bisher noch offen ist
Noch nicht endgültig geklärt sind unter anderem:
- Exakte Staffelung und Höhe der neuen Schonvermögensfreibeträge nach Alter und Beitragszeiten.
- Konkrete Ausgestaltung der Angemessenheitsgrenzen bei Mieten in Regionen mit angespanntem Wohnungsmarkt.
- Details zu Sonderregelungen für besonders vulnerable Gruppen (Alleinerziehende, chronisch Kranke, Menschen mit Behinderungen).
Der endgültige Gesetzestext kann sich im laufenden Gesetzgebungsverfahren durch Bundestag und Bundesrat noch ändern. Für Betroffene lohnt es sich, die Entwicklung aufmerksam zu verfolgen und frühzeitig Beratung bei Sozialverbänden, Erwerbsloseninitiativen oder Fachanwältinnen für Sozialrecht zu suchen.


