Bürgergeld Zinsen vom Jobcenter – worum geht es?
Das LSG Sachsen‑Anhalt hatte zu klären, ob und ab wann Nachzahlungsansprüche aus einer endgültigen Festsetzung von Grundsicherung für Arbeitsuchende / Bürgergeld zu verzinsen sind, wenn der Jobcenter zuvor nur vorläufig bewilligt hat. Streitentscheidend war dabei insbesondere die Anwendung des § 44 SGB I in Verbindung mit den Vorschriften zur vorläufigen und endgültigen Festsetzung im SGB II (insbesondere § 41a, § 42 SGB II) sowie § 37 SGB X. Im Ergebnis bestätigt das Gericht einen eigenständigen Zinsanspruch, begrenzt diesen aber zeitlich auf den Zeitraum nach Ablauf einer „Schonfrist“ von sechs Monaten.
Rechtlicher Hintergrund
Rechtsgrundlage für Verzinsungsansprüche im Sozialrecht ist § 44 SGB I, der vorsieht, dass Geldleistungen zu verzinsen sind, wenn der zuständige Träger sie nicht innerhalb angemessener Frist erbringt. Gleichzeitig regeln die Vorschriften des SGB II zur vorläufigen Entscheidung (§ 41a SGB II) und zur Auszahlung (§ 42 SGB II), wie Jobcenter Leistungen zunächst vorläufig festsetzen und später endgültig abrechnen dürfen. Außerdem bestimmt § 37 SGB X, wann ein Anspruch dem Grunde nach fällig wird, was für den Beginn eines Zinslaufs entscheidend ist.
Kernaussagen des Urteils
Nach der Darstellung im Rechtsprechungsticker wird der Zinsanspruch als akzessorisch zur Hauptforderung verstanden, kann aber rechtlich selbständig geltend gemacht werden. Zinsen entstehen jedoch nicht sofort mit jeder Nachzahlung, sondern erst nach einer Wartefrist von sechs Monaten ab Eingang eines entsprechenden Antrags beziehungsweise der anspruchsbegründenden Unterlagen beim Jobcenter. Damit schützt das Gericht die übliche Bearbeitungsdauer des Jobcenters und verhindert, dass schon kurze Verzögerungen automatisch zu Zinsen führen.
Bedeutung für Bürgergeld‑Empfänger
Für Leistungsberechtigte bedeutet das Urteil: Wer nach einer vorläufigen Bewilligung erst deutlich später eine höhere endgültige Festsetzung erhält, kann zusätzlich Zinsen verlangen, wenn die Bearbeitung mehr als sechs Monate gedauert hat. Relevant ist dies vor allem in Fällen, in denen Einkommen, Betriebsergebnisse oder andere Anrechnungsgrößen erst später feststehen und deshalb längere Abrechnungszeiträume entstehen. Das Urteil stärkt damit den Anspruch auf zeitnahe Bearbeitung und schafft einen finanziellen Ausgleich bei überlangen Verzögerungen.
Praktische Hinweise für Betroffene
Betroffene sollten das Eingangsdatum ihres Antrags oder der Unterlagen dokumentieren, weil ab diesem Zeitpunkt die Sechs‑Monats‑Frist für mögliche Zinsen läuft. Ergibt die endgültige Festsetzung eine Nachzahlung, kann gegenüber dem Jobcenter ausdrücklich unter Hinweis auf § 44 SGB I und die Entscheidung LSG Sachsen‑Anhalt, Urteil vom 17.07.2025 – L 2 AS 45/25, ein zusätzlicher Zinsanspruch geltend gemacht werden. Wird der Zinsantrag abgelehnt, kommt eine sozialgerichtliche Klage in Betracht, bei der dieses Urteil als Argumentationshilfe herangezogen werden kann.
Ähnlich hat bereits das Landessozialgericht Hamburg unter dem Aktenzeichen L 4 AS 68/20 entschieden.


