Rechtliche Grundlage: Nur verwertbares Vermögen zählt bei Bürgergeld oder Grundsicherung
Für Bürgergeld (Grundsicherung für Arbeitsuchende) nach dem SGB II regelt § 12 SGB II, welches Vermögen zu berücksichtigen ist und wann es einzusetzen ist. Beim Sozialhilferecht und der Grundsicherung im Alter bzw. bei Erwerbsminderung gilt § 90 SGB XII; beide Normen knüpfen ausdrücklich an „verwertbares Vermögen“ an.
Die Bundesagentur für Arbeit definiert: Verwertbar ist Vermögen, wenn es für den Lebensunterhalt direkt verwendet werden kann oder sein Geldwert durch Verbrauch, Verkauf, Beleihung, Vermietung oder Verpachtung genutzt werden kann. Nicht verwertbar sind Vermögensgegenstände, über die der Inhaber nicht frei verfügen darf, etwa wegen rechtlicher Sperren oder fehlender Zugriffsmöglichkeit.
Bürgergeld: Vermögensfreibeträge und „Verfügbarkeit“
Beim Bürgergeld gilt: Verwertbares Vermögen oberhalb der Freibeträge ist grundsätzlich vor Leistungsgewährung einzusetzen. Der Grundfreibetrag liegt aktuell bei 15.000 Euro pro Person in der Bedarfsgemeinschaft, daneben gibt es zusätzlich geschützte Vermögenspositionen (Schonvermögen), z.B. angemessene selbstgenutzte Immobilien.
Nach den fachlichen Weisungen zu § 12 SGB II ist Vermögen nur dann verwertbar, wenn es innerhalb des Bewilligungszeitraums „versilbert“ werden kann, also verbraucht, verkauft, übertragen oder belastet werden kann. Ist eine Verwertung zwar prinzipiell möglich, aber erst in absehbarer Zeit (typisch: innerhalb von 12 Monaten) realisierbar, kann Bürgergeld darlehensweise nach § 24 Abs. 5 SGB II gewährt werden.
Grundsicherung nach SGB XII: Tatsächliche Verwertbarkeit und Härteklausel
Auch im SGB XII (Grundsicherung im Alter) darf nur tatsächlich verwertbares Vermögen verlangt werden; § 90 Abs. 1 SGB XII spricht ausdrücklich vom „einzusetzenden Vermögen“ und wird durch Verwaltungshinweise der Länder konkretisiert. Die Verwaltungsanweisungen betonen, dass Vermögen nur verwertbar ist, wenn es in absehbarer Zeit (teils vorgegeben: bis zu 6 Monate) wirtschaftlich eingesetzt werden kann und der Leistungsberechtigte rechtlich wie tatsächlich darüber verfügen kann.
§ 90 Abs. 3 SGB XII enthält eine Härteklausel: Die Sozialhilfe darf nicht vom Einsatz des Vermögens abhängig gemacht werden, soweit dies eine Härte bedeuten würde. Diese Härte kann sich auf Art, Zweckbindung oder Entstehungsgrund des Vermögens beziehen, etwa bei bestimmten Entschädigungsleistungen oder zweckgebundenem Altersvorsorgevermögen.
Was bedeutet „verfügbar“ konkret?
In Rechtsprechung und Literatur haben sich drei Prüfdimensionen der Verfügbarkeit herausgebildet:
- rechtliche Verfügbarkeit
- tatsächliche Verfügbarkeit
- wirtschaftliche Zumutbarkeit
Rechtlich nicht verfügbar ist Vermögen etwa beim wirksamen Verwertungsausschluss, laufenden Pfändungen oder fehlender Verfügungsbefugnis (z.B. strittige Erbengemeinschaft ohne Erbschein). Tatsächlich nicht verfügbar ist Vermögen, wenn es sich nicht innerhalb eines überschaubaren Zeitraums realisieren lässt, etwa bei komplizierten Grundstücksverkäufen oder blockierten Miterbenanteilen.
Wirtschaftlich unzumutbar kann die Verwertung sein, wenn nur ein „erheblich verlustträchtiger“ Verkauf möglich ist. Fachbeiträge und Rechtsprechung betonen, dass in solchen Fällen statt einer sofortigen Versagung regelmäßig eine darlehensweise Leistungsgewährung bis zur wirtschaftlich sinnvollen Verwertung in Betracht kommt (SGB II: § 24 Abs. 5; SGB XII: § 91).
Wichtige Urteile zur Verwertbarkeit von Vermögen
Das Bundessozialgericht (BSG) hat die Anforderungen an die Verwertbarkeit mehrfach konkretisiert. In einer Entscheidung zu § 90 SGB XII stellt das Gericht klar, dass Vermögen nur dann als verwertbar gilt, wenn es innerhalb des bevorstehenden Bewilligungszeitraums tatsächlich verbraucht, übertragen oder belastet werden kann („Versilberung“). Fehlt es an Feststellungen zur rechtlichen und tatsächlichen Verwertbarkeit (z.B. bei Lebensversicherungen mit Verwertungsausschluss), ist die Sache an die Vorinstanz zurückzuverweisen.
Auch zur Frage selbstgenutzter Immobilien existiert umfangreiche Rechtsprechung: Nach § 12 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 SGB II bleibt angemessenes selbstgenutztes Wohneigentum geschützt, während übergroße oder besonders werthaltige Immobilien als verwertbares Vermögen gelten können. Ein aktuelles Urteil betont, dass bei unangemessen großem Eigenheim Leistungen regelmäßig nur darlehensweise zu gewähren sind, solange eine sofortige Verwertung unzumutbar ist.
Typische Konstellationen: Vermögen vorhanden, aber nicht „verfügbar“
Die Praxis zeigt zahlreiche Fälle, in denen Vermögen den Leistungsanspruch nicht ausschließt, weil es im sozialrechtlichen Sinne nicht (oder noch nicht) verwertbar ist:
- Miterbenanteil an einem Haus, dessen Verkauf an der Verweigerung anderer Erben scheitert und nur über eine aufwändige Teilungsversteigerung möglich wäre.
- Lebensversicherung mit Verwertungsausschluss oder extrem ungünstigen Rückkaufswerten, bei denen ein sofortiger Zugriff zu erheblichen wirtschaftlichen Nachteilen führen würde.
- Grundstück oder Immobilie, deren Veräußerung wegen fehlender Erschließung oder rechtlicher Streitigkeiten auf längere Sicht nicht möglich ist.
- Forderungen oder Ansprüche, die zwar theoretisch bestehen (z.B. Darlehensrückzahlungsanspruch), aber faktisch nicht durchsetzbar sind.
Verwaltungshinweise (z.B. Bremen und Berlin) nennen ausdrücklich Beispiele wie geerbte Grundstücke ohne absehbare Verwertungsmöglichkeit, bei denen Leistungen bis zur Realisierbarkeit darlehensweise zu gewähren sind.
Bürgergeld / Grundsicherung: Bedeutung für den Anspruch
Der Satz „Vermögen schließt Grundsicherung / Bürgergeld nur aus, wenn es verfügbar ist“ heißt juristisch:
- Unverwertbares oder nur langfristig verwertbares Vermögen darf den Leistungsanspruch nicht dauerhaft blockieren.
- Bei absehbarer Verwertbarkeit (z.B. fällige Lebensversicherung in einigen Monaten) kommen überbrückend Darlehensleistungen in Betracht, bis der Vermögenseinsatz tatsächlich möglich ist.
Für Betroffene ist entscheidend, im Antrag und insbesondere im Widerspruch sehr genau zu begründen und zu belegen, warum Vermögen nicht verwertbar ist: etwa durch Grundbuchauszüge, Erbunterlagen, Versicherungsverträge, Rückkaufswertbescheinigungen oder Rechtsgutachten. Sozialgerichte verlangen regelmäßig eine einzelfallbezogene Prüfung; pauschale Hinweise der Behörde auf „verwertbares Vermögen“ ohne konkrete Feststellungen halten der gerichtlichen Kontrolle oft nicht stand.


