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Pflegegrad beantragen: Das unterschätzte Modul, das alles entscheidet

Viele Anträge scheitern, weil ein wichtiges Detail übersehen wird: Das Modul „Umgang mit der Krankheit“ kann über den Pflegegrad entscheiden – und kaum jemand weiß es!

Versteckte Chance beim Pflegegrad: Warum das Modul „Umgang mit der Krankheit“ so entscheidend sein kann

Wer sich zum ersten Mal mit dem Thema Pflegegrad auseinandersetzt, stößt schnell auf ein bürokratisches Labyrinth: Formulare, Gutachtertermine, medizinische Nachweise und Kategorien, die oft schwer zu durchschauen sind. Viele Betroffene oder ihre Angehörigen fühlen sich überfordert – und genau das führt häufig dazu, dass wichtige Details übersehen werden. Eines dieser Details: das Modul „Umgang mit der Krankheit“.

Gerade hier entscheidet sich oft, ob ein Antrag abgelehnt, herabgestuft oder erfolgreich anerkannt wird. Denn dieser Punkt hat in der Begutachtung besonderes Gewicht – und wird trotzdem häufig unterschätzt.

Wenn der Alltag zur Herausforderung wird

Das Konzept des Pflegegrades basiert auf sechs sogenannten Modulen, die die Gutachter des Medizinischen Dienstes bei jedem Antrag prüfen. Neben Mobilität oder der Fähigkeit zur Selbstversorgung fließt auch die „Gestaltung des Alltagslebens“ ein. Doch innerhalb dieser Rubriken steckt das Modul „Umgang mit krankheits- oder therapiebedingten Anforderungen“ – und genau hier liegen viele ungenutzte Möglichkeiten.

Was zunächst technisch klingt, betrifft in Wahrheit den Kern des täglichen Lebens vieler Pflegebedürftiger. Gemeint sind Situationen, in denen Betroffene regelmäßig Hilfe benötigen, um mit den Folgen ihrer Krankheit oder Behinderung umzugehen: Tabletteneinnahmen, Verbandswechsel, Blutzuckermessung, Inhalationen, die Handhabung eines Rollators oder auch die Erinnerung an medizinisch notwendige Handlungen.

Diese Tätigkeiten sind keine Nebensache – sie zeigen, wie stark eine Krankheit in den Alltag eingreift. Doch weil sie vielen Betroffenen „normal“ erscheinen, werden sie im Antrag oft gar nicht erwähnt.

Kleine Versäumnisse mit großen Folgen

Die Folgen unterschätzter Pflegebedarfe können drastisch sein. Wer wichtige Punkte wie Medikamentenmanagement, Therapietreue oder die Bewältigung psychischer Belastungen nicht dokumentiert, riskiert eine Herabstufung – oder die komplette Ablehnung des Pflegegrades.

Besonders Menschen mit chronischen Erkrankungen wie Diabetes, COPD, Herzinsuffizienz oder Depressionen sind betroffen. Sie leben täglich mit vielfältigen Therapieanforderungen, die Zeit, Struktur und Unterstützung benötigen. Das Pflegebegutachtungssystem sieht genau dafür Bewertungsmaßstäbe vor – nur werden diese in der Praxis selten vollständig ausgeschöpft.

Erfahrene Pflegeberater und Sozialdienste wissen: Schon wenige, aber gezielt formulierte Informationen können über Erfolg oder Misserfolg eines Antrags entscheiden.

So läuft die Bewertung ab

Im Modul „Umgang mit krankheitsbedingten Anforderungen“ prüft der Medizinische Dienst (MD), inwiefern die Betroffenen in der Lage sind, selbstständig mit ihrer Erkrankung umzugehen. Je nach Hilfebedarf werden Punkte vergeben – von minimaler Unterstützung bis zu einer Rundum-Betreuung.

Beispiele für typische Bewertungskriterien:

  • Erinnerung oder Hilfe bei der Medikamenteneinnahme
  • Kontrolle und Anpassung medizinischer Geräte (z. B. Insulinpumpe, Sauerstoffgerät)
  • Unterstützung bei der Wundversorgung und Verbandwechsel
  • Begleitung zu Arztterminen oder Therapien
  • Anleitung und Motivation bei notwendigen Übungen oder Maßnahmen

Je höher der Unterstützungsbedarf, desto mehr Punkte fließen in die Gesamtbewertung ein – und desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, einen höheren Pflegegrad zu bekommen.

Der Schlüssel: realistische Dokumentation

Viele Antragsteller scheitern nicht an zu geringem Bedarf, sondern an unzureichender Dokumentation. Ein häufiges Problem: Gutachter sehen die Situation nur für kurze Zeit – oft 60 bis 90 Minuten. Wer in dieser Zeit nicht klar vermitteln kann, wie herausfordernd der Alltag tatsächlich ist, gerät ins Hintertreffen.

Pflegefachkräfte raten daher dringend, ein Pflegetagebuch zu führen. Darin sollte festgehalten werden,
wann und wie oft Hilfe nötig ist – etwa beim Kontrollieren des Blutdrucks, bei Atemübungen, bei der Tabletteneinnahme oder bei Arztbesuchen.

Auch Angehörige können wertvolle Ergänzungen liefern: Wie oft müssen sie erinnern, motivieren oder eingreifen, wenn der Pflegebedürftige die Therapie verweigert oder vergisst?

Emotionen und Realität zählen

Wer den Gutachtertermin erlebt, weiß, wie entscheidend die Atmosphäre sein kann. Viele Antragsteller neigen dazu, ihre Einschränkungen herunterzuspielen – aus Stolz oder Scham. Doch der MD prüft nur, was er sieht und hört. Ehrlichkeit ist deshalb das A und O.

Wichtig ist: Es geht nicht darum, zu übertreiben, sondern die tatsächliche Belastung transparent zu zeigen. Wer beispielsweise unter Angstzuständen oder Erschöpfung leidet, sollte das klar ansprechen. Auch psychische oder kognitive Schwierigkeiten – etwa das Vergessen von Arztterminen – gehören ausdrücklich in die Bewertung.

Unterstützung nutzen – Beratungsangebote helfen

In fast jeder größeren Stadt gibt es kostenlose oder kostengünstige Pflegeberatungsstellen, die bei der Antragstellung helfen. Auch Sozialverbände wie VdK, SoVD oder die Pflegekassen selbst bieten Hilfe an.

Diese Experten wissen, worauf die Gutachter achten – und wie man die eigenen Bedürfnisse realistisch, aber wirkungsvoll formuliert. Ein Vorgespräch oder ein kurzer Check kann oft verhindern, dass wichtiger Pflegebedarf übersehen wird.

Fazit: Das unbekannte Modul als Türöffner

Viele Anträge scheitern nicht am fehlenden Pflegebedarf, sondern an Unwissenheit. Das Modul „Umgang mit der Krankheit“ ist dabei ein echter Schlüsselbereich: Es zeigt, wie viel Unterstützung tatsächlich nötig ist, um den Alltag zu bewältigen.

Wer seine Herausforderungen hier klar darlegt, realistisch dokumentiert und professionellen Rat einholt, verbessert seine Chancen erheblich – und verhindert, dass wertvolle Unterstützung verloren geht.

Denn am Ende geht es nicht um Paragrafen oder Formulare – sondern um Menschen, deren Leben jeden Tag von Krankheit geprägt ist. Und um die berechtigte Hoffnung, dafür auch die nötige Hilfe zu bekommen.

Redakteure

  • Peter Kosick

    Jurist und Redakteur

    Peter Kosick hat an der Universität Münster Rechtswissenschaften studiert und beide juristische Staatsexamen in Nordrhein-Westfalen mit Erfolg abgelegt. Er arbeitet als freiberuflicher Jurist, ist Autor verschiedener Publikationen und hält Vorträge im Bereich Arbeits- und Sozialrecht. Seit mehr als 30 Jahren engagiert er sich im sozialen Bereich und ist seit der Gründung des Vereins "Für soziales Leben e.V." dort Mitglied. Peter Kosick arbeitet in der Online Redaktion des Nachrichtenmagazins Bürger & Geld, das der Verein herausgibt und ist der CvD. Seinen Artikeln sieht man an, dass sie sich auf ein fundiertes juristisches Fachwissen gründen.

    Peter hat ebenfalls ein Herz für die Natur, ist gern "draußen" und setzt sich für den Schutz der Umwelt ein.

    Seine Arbeit im Redaktionsteam von Bürger & Geld gibt ihm das Gefühl,  etwas Gutes für das Gemeinwohl zu tun.

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  • ik
    Experte:

    Sozialrechtsexperte und Redakteur

    Ingo Kosick ist ein renommierter Experte im Bereich des Sozialrechts in Deutschland. Er engagiert sich seit über 30 Jahren in diesem Feld und hat sich als führende Autorität etabliert. Als Vorsitzender des Vereins "Für soziales Leben e.V.", der 2005 in Lüdinghausen gegründet wurde, setzt er sich für die Unterstützung von Menschen ein, die von Armut und Arbeitslosigkeit betroffen sind. Der Verein bietet über das Internet Informationen, Beratung und Unterstützung für sozial benachteiligte Menschen an.

    Ingo Kosick ist zudem Autor und Redakteur beim Nachrichtenmagazin Bürger & Geld, das der Verein "Für soziales Leben e.V." herausgibt. Ingo hat sich auf Themen wie Bürgergeld, Sozialleistungen, Rente und Kindergrundsicherung spezialisiert. Seine Artikel bieten fundierte Analysen und rechtlich aufgearbeitete Informationen, die Menschen in schwierigen Lebenssituationen unterstützen sollen.

    Durch seine langjährige Erfahrung und sein Engagement hat Ingo Kosick maßgeblich dazu beigetragen, dass sozial benachteiligte Menschen in Deutschland besser informiert und unterstützt werden können.

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