Die neue Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II sieht Sanktionen bei Pflichtverletzungen vor. Sie sind im Vergleich zu den Regelungen beim Bürgergeld verschärft worden.
Wichtig: Die Regelungen sind noch nicht Gesetz, also noch nicht wirksam, werden voraussichtlich ab dem 1. Juli 2026 gelten.
Voraussetzung für eine Sanktionen bei der Grundsicherung für Arbeitsuchende sind Pflichtverletzungen bzw. Meldeversäumnisse. Letztere zeihen u.a. schärferer Sanktionen nach sich.
Einfache Pflichtverletzungen
Geregelt sind die Pflichtverletzungen ind § 31 SGB II. Folgende Pflichtverletzungen als Voraussetzungen für Sanktionen sind zu nennen:
Nichtnachweis von Bewerbungen
Der Nichtnachweis von vom Jobcenter geforderten Bewerbungsbemühungen (ohne wichtigen Grund) ist eine Pflichtverletzung.
Die Pflicht zu Bewerbungen um eine Arbeitsstelle oder Ausbildungsstelle müssen per Verwaltungsakt nach § 15a Abs. 1 Nr. 1 SGB II verbindlich festgelegt worden sein, vgl. § 31 Abs. 1 Nr. 1 SGB II.
In der Folge können die Leistungen entsprechend gemindert werden.
Nichtteilnahme an Maßnahmen oder Kursen
Eine Pflichtverletzung ist ebenfall gegeben, wenn eine zumutbare Maßnahme zur Eingliederung in Arbeit, ein Integrationskurs (vgl., § 43 AufenthG) oder eine berufsbezogene Deutschsprachförderung (vgl. § 45a AufenthG) – durch verpflichtenden Verwaltungsakt angeordnet worden ist und nicht angetreten, abgebrochen wurde oder wenn der Abbruch schuldhaft verursacht wurde, s. § 31 Abs. 1 Nr. 3 SGB II.
Rechtsfolgen bei einfachen Pflichtverletzungen
Die Rechtsfolgen der Pflichtverletzungen sind in § 31a SGB II geregelt. Es handelt sich dabei um Leistungsminderungen.
Minderungshöhe 30 Prozent des Regelsatzes
Bei der alten Bürgergeld-Regelung war die Höhe der Minderung gestuft. Nunmehr gilt eine einheitliche Minderungshöhe von 30 Prozent des Regelsatzes bei Pflichtverletzungen.
Nachzulesen ist dies in § 31a Abs. 1 S. 1 SGB II.
Leistungsminderung wird bei Nachholung der Mitwirkung aufgehoben
Die Minderung des Regelbedarfs muss vom Jobcenter aufgehoben werden aufzuheben, sobald die leistungsberechtigte Person
die geforderten Pflichten erfüllt oder sich nachträglich ernsthaft und nachhaltig bereit erklärt, ihnen künftig nachzukommen, siehe § 31a Abs. 1 S. 2 SGB II.
Das neue Gesetz beachtet somit die vom Bundesverfassungsgericht (Urteil vom 5.11.2019 – 1 BvL 7/16) geforderte Prüfung der Verhältnismäßig der Sanktion. Es muss ein wichtiger Grundes, Möglichkeit der Nachholung der Mitwirkung, Härtefall sowie, Möglichkeit der persönlichen Anhörung (s.u.) vom Jobcenter geprüft werden!
Recht und Pflicht auf persönliche Anhörung
Wenn es die leistungsberechtigten Person verlangt, muss vor der Feststellung der Minderung durch Verwaltungsakt eine persönliche Anhörung nach § 24 SGB X durch das Jobcenter erfolgen, vgl. § 31a Abs. 2 S. 1 SGB II.
Das Gesetz sieht vor, dass bei einigen Sachverhalten die Anhörung persönlich erfolgen muss, so z.B. bei wiederholten Pflichtverletzungen, versäumten Meldeterminen oder bei einer dem Jobcenter gekannten psychische Erkrankungen der leistungsberechtigten Person, s. § 31a Abs. 2 S. 2 SGB II.
Möglich sind im konkreten Einzelfall auch andere Formen der Kontaktaufnahme mit dem Leistungsbezieher. So kann ein Telefonanruf erfolgen oder ein Hausbesuch mit Beratung.
Arbeitsverweigerung: Regelsatz entfällt komplett
Wird von der leistungsberechtigten Person die Aufnahme einer zumutbaren Arbeit abgelehnt, so kann als Sanktion der komplette Regelsatz für die Dauer von drei Monaten vom Jobcenter gestrichen werden, vgl. § 31a Abs. 7 S. 1 SGB II.
Das ist allerdings nur zulässig, wenn die Arbeitsaufnahme tatsächlich möglich war und die Ablehnung willentlich erfolgt ist.
Der komplette Wegfall betrifft nur den Regelsatz. Das übrige Grundsicherungsgeld, das auf die Kosten von Unterkunft und Heizung entfällt, wird dann direkt an den Vermieter und Energieversorgungsunternehmen gezahlt, s. § 31a Abs. 7 S. 2 SGB II.
Beginn und Dauer der Minderung der Leistung (Sanktion)
Minderungszeitraum von drei Monaten
Die Dauer der Minderung der Leistung beträgt grundsätzlich drei Monate, vgl. § 31b Abs. 2 SGB II.
Aufhebung der Leistungsminderung bei Pflichterfüllung
Die Leistungsminderung muss jedoch vorzeitig aufgehoben werden, sobald die betroffene Person ihre Pflichten erfüllt oder sich nachträglich ernsthaft und nachhaltig dazu bereit erklärt, ihren Pflichten künftig nachzukommen, § 31a Abs. 1 S. 2 SGB II.
Aufhebung der Leistungsminderung bei Wegfall der Arbeitsmöglichkeit
Wurde die Sanktion aufgrund Arbeitsverweigerung verhängt und entfällt die Möglichkeit der Arbeitsaufnahme nachträglich wieder, so muss der Leistungsentzug grundsätzlich nach einem Monat aufgehoben werden, in Ausnahmefällen spätestens nach zwei Monaten, s. § 31b Abs. 3 SGB II.
Meldeversäumnis
Das Meldeversäumnis ist ebenfalls eine Pflichtverletzung, wird aber unter unter Umständen wesentlich stärker sanktioniert, als die oben beschriebenen sog. “einfachen” Pflichtverletzungen. Bei den Meldeversäumnissen gilt die sog. 3 Mal plus 1 Regel.
Sanktionen bei Meldeversäumnissen: “3 mal plus 1 Regel”
§ 32 Abs. 1. S. 1. SGB II besagt folgendes: Für den Fall, dass Leistungsberechtigte trotz schriftlicher Belehrung über die Rechtsfolgen oder deren Kenntnis wiederholt einer Meldeaufforderung oder einer ärztlichen bzw. psychologischen Untersuchung ohne wichtigen Grund nicht nachkommen, so wird das Grundsicherungsgeld um 30 % gemindert.
Wird die erste Meldeaufforderung versäumt, so tritt also noch keine Sanktion ein, erst ab der zweiten versäumten Meldung nach Aufforderung erfolgt die Sanktion. Die Leistung wird für einen Monat gemindert, s. § 32 Abs. 2 SGB II.
Wird nach Aufforderung die Pflicht zur Meldung beim Jobcenter zum dritten Mal hintereinander versäumt, so wird der Regelsatz des Grundsicherungsgeldes komplett gestrichen, wenn eine schriftliche Belehrung über die Rechtsfolgen erfolgt ist oder Kenntnis über die Rechtsfolgen vorhanden ist, und kein wichtiger Grund vom säumigen Leistungsempfänger vorgetragen wurde, s. § 32a Abs. 1 S. 2 SGB II. Der wichtige Grund muss nur dargelegt, nicht nachgewiesen werden.
Die Kosten der Unterkunft, also Miete und Heizkosten, Mehrbedarf und Beiträge zur Krankenversicherung werden trotz Streichung des Regelsatzes weiterhin gezahlt.
Die Unterkunftskosten und Heizkosten werden direkt an Vermieter bzw. Energieversorgungsunternehmen gezahlt.
§ 32a Abs. 1 S. 3 SGB II sieht vor, dass der Regelsatz rückwirkend in Höhe von 70 Prozent gewährt wird, wenn die leistungsberechtigte Person sich spätestens innerhalb eines Monats nach Beginn des Leistungsentzugs persönlich beim Jobcenter meldet und weiterhin hilfebedürftig ist.
Die Leistungsminderung beginnt mit dem Kalendermonat, der auf den Zugang des Verwaltungsaktes folgt, in dem die Pflichtverletzung und der Umfang der Leistungsminderung festgestellt werden, s. § 32a Abs. 2 SGB II.
Zahlung von 1 Euro zur Aufrechterhaltung der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Kranken- und Pfelgeversicherung
Der Anspruch auf den Regelbedarf kann also aufgrund der Sanktion gem. § 32a Abs. 1 SGB II vollständig entfallen. Für die Dauer der Sanktion zahlt das Jobcenter 1 Euro. Es handelt sich um einen sympolische Leistungsgewährung, siehe § 31a Abs. 4 S. 3 SGB II. Das geschieht deshalb, um den Krankenversicherungschutz und Pflegeversucherungsschutz aufrecht zu erhalten. Denn der Betrag von einem Euro hat entsprechend § 5 Abs. 2a Nr. 1 SGB V die Versicherungspflicht in der Kranken- und Pflegeversicherung als Folge.
Totalsanktion: Kompletter Wegfall des Anspruchs auf Grundsicherung – Fiktion der Nichterreichbarkeit
In dem Fall, dass der Leistungsbezieher sich nicht innerhalb der Frist eines Monats persönlich beim Jobcenter erscheint, gilt er als nicht erreichbar. Wer nicht erreichbar ist, hat keinen Leistungsanspruch mehr nach dem SGB II, es entfällt somit nicht nur der Regelsatz, sondern auch der Anspruch auf Unterkunftskosten und Krankenversicherung, siehe § 7b Abs. 4 SGB II.
Es handelt sich um die Fiktion der Nichterreichbarkeit. Diese hat den Wegfall des kompletten Anspruchs auf Grundsicherung für Arbeitsuchende zur Folge!
Zusammenfassung zu den Sanktionen bei Meldeversäumnis (3 mal plus 1 Regel):
1. Meldeversäumnis: keine Sanktion
2. Meldeversäumnis: Sanktion von 30 % des Regelsatzes
3. Meldeversäumis: Sanktion von 100 % des Regelsatzes, Unterkunftskosten, Krankenversicherung und Mehrbedarf werden weiter gezahlt
4. Meldeversäumnis: Nichterreichbarkeits-Fiktion – kompletter Wegfalls des Anspruchs auf Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II (“Totalsanktion”).
