Die fristlose Kündigung ist das schärfste Mittel, das ein Arbeitgeber hat. Sie beendet das Arbeitsverhältnis sofort, ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist. Damit eine fristlose Kündigung wirksam ist, müssen jedoch strenge gesetzliche Voraussetzungen erfüllt sein. Im Folgenden werden in unserem Artikel auf Bürger & Geld, dem Nachrichten-Magazin des Vereins Für soziales Leben e.V., die wichtigsten Bedingungen erläutert und anhand aktueller Gerichtsurteile praxisnah veranschaulicht.
Voraussetzungen für eine fristlose Kündigung
1. Wichtiger Grund
Es muss ein wichtiger Grund vorliegen, der es dem Kündigenden unzumutbar macht, das Arbeitsverhältnis auch nur bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist fortzusetzen. Typische Beispiele sind Diebstahl, schwere Beleidigungen, grobe Verletzungen der Treuepflicht, Arbeitszeitbetrug oder beharrliche Arbeitsverweigerung.
2. Interessenabwägung und Verhältnismäßigkeit
Das Fehlverhalten muss so schwer wiegen, dass keine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zumutbar ist. Die Gerichte prüfen, ob nicht ein milderes Mittel, etwa eine Abmahnung, ausreichend gewesen wäre. Die fristlose Kündigung darf immer nur das letzte Mittel („Ultima Ratio“) sein.
3. Abmahnung
Aus diesem Grund (Verhältnismäßigkeit) muss vor einer fristlosen Kündigung in der Regel eine Abmahnung erfolgen, damit der Arbeitnehmer sein Verhalten ändern kann und vorgewarnt ist. Nur bei besonders gravierenden Pflichtverletzungen, bei denen das Vertrauen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer unwiederbringlich zerstört ist (z.B. schwere Straftaten gegen den Arbeitgeber), kann auf eine Abmahnung verzichtet werden.
4. Einhaltung der Frist
Die Kündigung muss innerhalb von zwei Wochen nach Kenntnis des Kündigungsgrundes ausgesprochen werden.
5. Formvorschriften
Die fristlose Kündigung muss schriftlich erfolgen. Bei besonders geschützten Personengruppen (z.B. Schwerbehinderte, Schwangere) ist zusätzlich die Zustimmung der zuständigen Behörde erforderlich.
Aktuelle Gerichtsurteile zur fristlosen Kündigung
Beispiel 1: Fristlose Kündigung wegen Weitergabe von Büromöbeln
Ein Arbeitnehmer gab ohne ausdrückliche Erlaubnis Büromöbel, die zur Entsorgung vorgesehen waren, an Dritte weiter. Der Arbeitgeber sprach daraufhin eine fristlose Kündigung aus. Das zuständige Gericht erklärte die Kündigung jedoch für unwirksam, da eine vorherige Abmahnung als milderes Mittel ausreichend gewesen wäre. Das Verhalten war zwar pflichtwidrig, aber nicht so schwerwiegend, dass eine sofortige Beendigung des Arbeitsverhältnisses ohne Abmahnung gerechtfertigt gewesen wäre. Hier wurde der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit betont: Die fristlose Kündigung bleibt das letzte Mittel.
Quelle: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 10.06.2010 – 2 AZR 541/09
Beispiel 2: Fristlose Kündigung wegen fehlender Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (AU)
Eine Arbeitnehmerin erschien nach ihrem Urlaub nicht zur Arbeit und meldete sich auch nicht krank. Der Arbeitgeber erfuhr erst Tage später durch das Krankenhaus von ihrem stationären Aufenthalt und der bestehenden Arbeitsunfähigkeit und kündigte daraufhin fristlos. Das Gericht entschied, dass die fristlose Kündigung unwirksam war. Selbst wenn die Arbeitnehmerin ihre Anzeige- und Nachweispflichten verletzt hatte, wäre eine vorherige Abmahnung als milderes Mittel erforderlich gewesen. Besonders bei erstmaligen oder durch besondere Umstände erklärbaren Pflichtverletzungen – wie einem Krankenhausaufenthalt – ist eine fristlose Kündigung unverhältnismäßig.
Quelle: Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 17.07.2018 – 7 Sa 852/18
Fristlose Kündigung: Auswirkungen auf Arbeitslosengeld und Bürgergeld
Eine fristlose Kündigung hat nicht nur arbeitsrechtliche, sondern auch erhebliche sozialrechtliche Konsequenzen. Betroffen sind der Anspruch auf Arbeitslosengeld (ALG I) und Bürgergeld. Im Folgenden erklären wir kurz wichtigsten Auswirkungen und Regelungen.
Arbeitslosengeld (ALG I): Sperrzeit und Anspruch
Nach einer fristlosen Kündigung verhängt die Agentur für Arbeit in den meisten Fällen eine Sperrzeit von bis zu zwölf Wochen. Während dieser Zeit erhalten Betroffene kein Arbeitslosengeld. Wenn der Arbeitnehmer durch sein Verhalten die Arbeitslosigkeit selbst verursacht hat, soll er auch keinen Anspruch auf ARbeitslosengeld haben. Das soll zusätzlich als Abschreckung dienen, sich im Arbeitsverhältnis pflichtwidrig zu verhalten.
Die Dauer der Sperrzeit wird vom Gesamtanspruch auf Arbeitslosengeld abgezogen. Das bedeutet: Wer eine Sperrzeit erhält, bekommt insgesamt weniger ALG I.
Wenn die fristlose Kündigung bei einer Kündigungsschutzklage vom Gericht in eine ordentliche Kündigung umgewandelt, kann die Sperrzeit rückwirkend aufgehoben werden.
Bürgergeld: Anspruch und Sanktionen
Nach einer fristlosen Kündigung besteht der Anspruch auf Bürgergeld, sofern Hilfebedürftigkeit vorliegt, auch dann, wenn eine Sperrzeit von der Arbeitsagentur verhängt wurde. Das Bürgergeld dient der Sicherung des Lebensunterhalts. Eine Sperrzeit beim Bürgergeld ist verfassungsrechtlich nicht zulässig.
Steht aber fest, dass die Arbeitslosigkeit durch ein Fehlverhalten des Arbeitnehmers und Bürgergeld-Anstragstellers selbst verschuldet wurde, kann das Jobcenter Sanktion verhängen. In der Regel wird der Regelsatz für einen Monat um 10 Prozent gekürzt. Es ist eine Kürzung um bis zu 30 Prozent möglich.
Zusammenfassung zu fristlose Kündigung und Arbeitslosengeld
Die fristlose Kündigung ist nur unter strengen Voraussetzungen zulässig. Arbeitgeber müssen stets prüfen, ob tatsächlich ein wichtiger Grund vorliegt und ob mildere Mittel wie eine Abmahnung ausreichend gewesen wären. Die Gerichte legen großen Wert auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und wägen die Interessen beider Seiten sorgfältig ab.
Weiterführende Infos: Sperrzeit beim Bürgergeld?