Indizien für einen Nichtaufenthalt in der Wohnung
Neben unentschuldigten Fehlzeiten, Rückläuferpost und fehlender Erreichbarkeit können auch besonders niedrige Verbrauchswerte bei Wasser und Heizung das Jobcenter misstrauisch machen. Typische Hinweise sind:
- Geringe oder keine Kontobewegungen für Lebenshaltung oder Miete
- Rückläufer von amtlicher Post, z.B. „Empfänger unbekannt verzogen“
- Über längere Zeit kein Kontakt zum Jobcenter, fehlende Vorsprachen oder Arzttermine
- Zeugenaussagen von Nachbarn oder Hausverwaltung über Leerstand
- Messbar niedriger Wasser-, Strom- oder Heizungsverbrauch (deutlich unter Durchschnittswerten der Wohnungsgröße)
- Kein Einkauf oder Lieferaktivitäten am Wohnort nachweisbar
Gerichtliche Bewertung: Geringer Verbrauch als Verdachtsmoment
Gerichte lehnen es ab, allein aus niedrigem Wasser- oder Heizverbrauch auf eine Nichtnutzung der Wohnung zu schließen, wenn keine weiteren starken Beweise vorliegen. Ein Beispiel bietet das Sozialgericht Frankfurt/Oder (S 14 AS 82/24 ER vom 25.3.2024): Das Jobcenter wollte die Kosten für Unterkunft und Heizung nicht übernehmen, da die Verbrauchswerte extrem niedrig waren und die Vermutung bestand, die Bürgergeldempfängerin würde die Wohnung nicht tatsächlich nutzen. Das Gericht verpflichtete das Jobcenter jedoch per einstweiliger Anordnung, die Kosten trotzdem zu tragen, da keine weiteren objektiven Nachweise für die tatsächliche Nichtnutzung vorlagen.
Zusammenwirken aller Indizien notwendig
Das Jobcenter ist verpflichtet, alle verfügbaren Tatsachen zusammenzutragen – erst wenn sich ein Gesamtbild mit mehreren Indizien ergibt, kann eine Leistungsaufhebung rechtlich Bestand haben. Besonders geringe Verbrauchswerte allein genügen nach aktueller Rechtsprechung nicht, um automatisch auf eine Nichtnutzung oder einen dauerhaften Wegzug zu schließen.
Weitere typische Indizien, die ergänzend gelten:
- Lebenszeichen oder Aktivitäten in Deutschland wie Arztbesuche, Schulbesuch der Kinder, Einkäufe
- Vorliegende Nebenkostenabrechnungen und Mietzahlungen
- Zeugenaussagen und Ermittlungen vor Ort
Urteile zu geringen Verbrauchswerten
Sozialgericht Frankfurt/Oder, S 14 AS 82/24 ER, 25.03.2024
Hier wurde ausdrücklich entschieden: Extrem geringe Verbrauchswerte sind kein ausreichender Nachweis für eine vollständige Abwesenheit aus der Wohnung. Die tatsächliche Nutzung muss durch weitere Beweise widerlegt werden, etwa durch Zeugenaussagen oder Meldeverstöße.
Weitere Urteile im Überblick
Aktenzeichen | Inhalt des Urteils | Bedeutung für Bürgergeld-Bezieher |
---|---|---|
S 14 AS 82/24 ER | Geringer Verbrauch genügt für Leistungsaufhebung nicht | Jobcenter muss weitere Nachweise erbringen |
L 13 AS 395/21 | Mehrere Indizien (Fehlzeiten, Rückläuferpost, Verbrauchswerte, Zeugenaussagen) werden zusammen bewertet | Nur Kombination von Hinweisen ist aussagekräftig |
Empfehlungen für Betroffene
- Bei drohender Leistungsaufhebung wegen angeblich geringer Verbrauchswerte sollte sofort Widerspruch eingelegt und die tatsächliche Nutzung belegt werden (Quittungen, Arztbesuche, Zeugenaussagen).
- Melde regelmäßig Nebenkostenabrechnungen, Kontobewegungen und eigene Anwesenheit beim Jobcenter.
- Verlängerte Ortsabwesenheit immer vorab mit dem Amt besprechen und genehmigen lassen.
Tipp: Bürgergeld-Empfänger sollten nicht nur auf regelmäßige Meldungen achten, sondern auch beim Jobcenter aktiv darlegen, dass Verbrauchswerte saisonal, aus Sparsamkeit oder aus persönlichen Gründen niedrig sind – das schützt vor unrechtmäßiger Leistungsaufhebung.