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Bürgergeld während der Haft? LSG weist Klage ab!

Das Urteil L 3 AS 165/24 B ER des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz behandelt die Ablehnung von Bürgergeldleistungen und die Problematik der Übernahme von Krankenkassenbeiträgen sowie Unterkunftskosten während einer Haftzeit bei Beziehern von Bürgergeld bzw. Grundsicherung für Arbeitsuchende. Die Richter entschieden gegen die Klägerin, die verschiedene Leistungen trotz langandauernder Inhaftierung und weiterer Umstände geltend gemacht hatte. Einzelheiten und Hintergründe des Falles in folgendem Artikel auf Bürger & Geld, dem Nachrichtenmagazin des Vereins Für soziales Leben e.V.!

Hintergrund des Falls: Kläger beansprucht Bürgergeld während Inhaftierung

Die Klägerin beantragte nach einer längeren Haftperiode die Übernahme von Krankenkassenbeiträgen und Unterkunftskosten durch das Jobcenter. Ihr Bürgergeldantrag und weitere Leistungsbegehren wurden abgelehnt, da sie sich länger als sechs Monate in einer Vollzugseinrichtung befand. Im Einzelnen:

  • Die Antragstellerin befand sich vom 14.02.2024 bis zum 25.10.2024 in Untersuchungshaft.
  • Mehrere Anträge auf Bürgergeld, Übernahme von Krankenkassenbeiträgen und Unterkunftskosten wurden gestellt und in Teilen abgelehnt.
  • Eine Untätigkeitsklage wurde erhoben, da die Klägerin eine ausstehende Bescheidung ihres Antrags sah.

Die zentralen Urteilsgründe

Das LSG stellte fest, dass Leistungen nach dem SGB II während längerer Haftzeiten ausgeschlossen sind (§ 7 Abs. 4 SGB II). Die Klägerin hatte keinen Anspruch auf Bürgergeld, solange sie sich in Vollzugseinrichtungen aufhielt. Zudem wurde die Klage auf Übernahme der Krankenkassenbeiträge aufgrund doppelter Rechtshängigkeit (Klage war bereits an einem anderen Gericht eingereicht) und fehlender Fristwahrung als unzulässig abgewiesen.

Rechtliche Einordnung: Untätigkeits- und Verpflichtungsklage

Die Untätigkeitsklage war unzulässig, da der Antrag fristgerecht bearbeitet wurde. Für eine Verpflichtungsklage auf zukünftige Unterkunftskosten fehlte es am konkreten Verwaltungsakt, z.B. einer Zusicherung für eine bestimmte Wohnung.

Besondere Aspekte des Verfahrens

  • Die Klägerin versuchte, zahlreiche E-Mails und Schriftsätze als wirksame Prozesshandlungen einzubringen, die jedoch mangels qualifizierter elektronischer Signatur nicht anerkannt wurden.
  • Die Durchführung der mündlichen Verhandlung in Abwesenheit der Klägerin war ordnungsgemäß; ein wirksamer Verlegungsantrag lag nicht vor.
  • Die Klageänderung nach § 99 SGG war nur formal zulässig, aber materiell nicht erfolgreich.

Konsequenzen für Bürgergeld-Empfänger:innen

Das Urteil verdeutlicht, dass Ansprüche aus dem SGB II während einer mehr als sechsmonatigen Haftzeit ausgeschlossen sind. Eine pauschale Zusicherung künftiger Unterkunftskosten ist nicht einzuklagen, sondern muss objektbezogen beantragt werden. Auch über Haftzeiträume hinweg muss sorgfältig auf Fristen und die korrekte Klageart geachtet werden.

Fazit und Relevanz des Urteils

Das Urteil schafft Klarheit über die Grenzen von Leistungsansprüchen bei Haftzeiten im SGB II und stärkt die Bedeutung rechtskonformer Antragstellung und Klageführung im Sozialrecht. Für Sozialrechtspraktiker:innen und Betroffene ist präzise Aktenführung und die fristgerechte Einreichung von Widersprüchen und Klagen essenziell, um Ansprüche durchzusetzen.

Quelle

Urteil L 3 AS 165/24 B ER des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz

Redakteure

  • ik

    Sozialrechtsexperte und Redakteur

    Ingo Kosick ist ein renommierter Experte im Bereich des Sozialrechts in Deutschland. Er engagiert sich seit über 30 Jahren in diesem Feld und hat sich als führende Autorität etabliert. Als Vorsitzender des Vereins Für soziales Leben e.V., der 2005 in Lüdinghausen gegründet wurde, setzt er sich für die Unterstützung von Menschen ein, die von Armut und Arbeitslosigkeit betroffen sind. Der Verein bietet über das Internet Informationen, Beratung und Unterstützung für sozial benachteiligte Menschen an. Ingo Kosick ist zudem ein zentraler Autor und Redakteur auf der Plattform buerger-geld.org, die sich auf Themen wie Bürgergeld, Sozialleistungen, Rente und Kindergrundsicherung spezialisiert hat. Seine Artikel bieten fundierte Analysen und rechtlich aufgearbeitete Informationen, die Menschen in schwierigen Lebenssituationen unterstützen sollen. Durch seine langjährige Erfahrung und sein Engagement hat Ingo Kosick maßgeblich dazu beigetragen, dass sozial benachteiligte Menschen in Deutschland besser informiert und unterstützt werden können.

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  • Peter Kosick
    Experte:

    Jurist und Redakteur

    Peter Kosick hat an der Universität Münster Rechtswissenschaften studiert und beide juristische Staatsexamen in Nordrhein-Westfalen mit Erfolg abgelegt. Er arbeitet als freiberuflicher Jurist, ist Autor verschiedener Publikationen und hält Vorträge im Bereich Arbeits- und Sozialrecht. Seit mehr als 30 Jahren engagiert er sich im sozialen Bereich und ist seit der Gründung des Vereins "Für soziales Leben e.V." dort Mitglied. Peter Kosick arbeitet in der Online Redaktion des Vereins und ist der CvD. Seinen Artikeln sieht man an, dass sie sich auf ein fundiertes juristisches Fachwissen gründen. Peter hat ebenfalls ein Herz für die Natur, ist gern "draußen" und setzt sich für den Schutz der Umwelt ein. Seine Arbeit im Redaktionsteam von buerger-geld.org gibt ihm das Gefühl,  etwas Gutes für das Gemeinwohl zu tun.

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