Regelsatz: Worum es beim BSG ging
Gegenstand der Verfahren vor dem 7. Senat war die Frage, ob die maßgeblichen Regelsätze – insbesondere im Jahr 2022 – angesichts von Pandemie, Lieferkettenkrise und Ukraine‑Krieg noch ausreichen. Klägerinnen und Kläger hatten geltend gemacht, die Fortschreibung der Regelsätze sei zu niedrig und inflationäre Preisschocks seien nicht angemessen berücksichtigt worden.
Das BSG hatte dabei sowohl die Berechnungsmethode zum Regelsatz nach SGB II/SGB XII als auch die konkrete Anpassung in der Krisenlage zu prüfen. Entscheidend war, ob der Gesetzgeber seine Beobachtungs- und Reaktionspflichten ernst genommen und Regelsätze sowie Hilfspakete rechtzeitig und in spürbarer Höhe nachgesteuert hat.
Warum die Regelsätze als verfassungsgemäß gelten
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts besitzt der Gesetzgeber einen weiten Gestaltungsspielraum bei der Bestimmung des Regelbedarfs, solange das Existenzminimum nicht „evident unzureichend“ bemessen ist. Das BSG sah diese Grenze nicht überschritten: Die zum 1. Januar 2023 und 1. Januar 2024 erfolgten Anhebungen sowie das neue Fortschreibungsverfahren (ergänzende Fortschreibung) erfüllen danach die verfassungsrechtlichen Anforderungen.
Besonders gewürdigt wird, dass mit dem Bürgergeld ein zweistufiger Anpassungsmechanismus eingeführt wurde, der neben Lohn- und Preisentwicklung auch kurzfristige Kriseneffekte besser abbilden soll. Die Höhe der Regelsätze wurde daher nicht als offensichtlich zu niedrig eingestuft – ein Anspruch auf höhere Regelleistungen ergibt sich aus Sicht der Gerichte für die geprüften Zeiträume nicht.
Folgen für Bürgergeld- und Grundsicherungs-Beziehende
Für Leistungsbeziehende bedeutet die Entscheidung: Für die streitigen Zeiträume sind keine pauschalen Nachzahlungen allein wegen vermeintlich zu niedriger Regelsätze zu erwarten. Die damals geltenden Beträge bleiben im Grundsatz bestehen, weil das BSG keinen verfassungsrechtlichen Korrekturbedarf erkannt hat.
Offen bleibt dennoch, dass in atypischen Härtefällen weiterhin zusätzliche Leistungen möglich sind, etwa über Mehrbedarfe oder einmalige Hilfen, wenn das Existenzminimum ausnahmsweise nicht gesichert ist. Außerdem kann der Gesetzgeber trotz Bestätigung der Verfassungsgemäßheit jederzeit politisch höhere Regelsätze oder krisenfeste Anpassungsmechanismen beschließen.
Einordnung im Lichte früherer Rechtsprechung
Frühere Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts hatten vor allem die Nachvollziehbarkeit und Transparenz der Berechnung des Regelbedarfs eingefordert. Damals wurde kritisiert, dass einzelne Ausgabepositionen ohne Begründung gestrichen und kinderspezifische Bedarfe nicht ausreichend ermittelt wurden.
Seitdem hat der Gesetzgeber das Statistikmodell fortentwickelt und mit dem Bürgergeld ein neues Fortschreibungsverfahren verankert, auf das sich das BSG jetzt ausdrücklich stützt. Die aktuelle Entscheidung vom 2. Dezember knüpft damit an die Linie an, nach der Regelsätze nicht perfekt, aber verfassungsgemäß sein können, solange das Berechnungsverfahren sachgerecht und überprüfbar bleibt.
Was Betroffene jetzt tun können
Trotz der Bestätigung der Regelsätze lohnt ein Blick auf individuelle Ansprüche:
- Wer Mehrbedarfe hat (z.B. bei Krankheit, Schwangerschaft, Alleinerziehung), sollte prüfen, ob diese korrekt berücksichtigt werden.
- Bei steigenden Wohnkosten bleibt wichtig, die Angemessenheit der Unterkunftskosten und eventuelle Kostensenkungsaufforderungen genau zu prüfen.
- Bei laufenden Widersprüchen gegen Bescheide, die sich allein auf zu niedrige Regelsätze stützen, ist damit zu rechnen, dass diese nach der BSG‑Entscheidung eher geringe Erfolgsaussichten haben.
Für die politische und rechtliche Diskussion ist das Urteil dennoch zentral, weil es den aktuellen Regelbedarfsmix erstmals höchstrichterlich bestätigt, aber dem Gesetzgeber zugleich einen klar umrissenen Rahmen für künftige Anpassungen vorgibt.
Quelle und weitere Infos
Bundessozialgericht, Az: B 7 AS 6/25 R

