Das Landessozialgericht Baden-Württemberg hat im Mai 2025 über den Bürgergeld-Anspruch einer 1965 geborenen Frau entschieden, die mit ihrem schwerbehinderten Ehemann in einer Bedarfsgemeinschaft lebt. Die Klägerin wollte höhere Leistungen nach dem SGB II (Bürgergeld) erstreiten – unter anderem wegen ihres eigenen Grads der Behinderung (GdB) von 70. Die Berufung ging negativ für die Klägerin aus. Warum? Die Hintergründe des Gerichtsurteils erklären wir in folgendem Artikel auf Bürger & Geld, dem Nachrichtenmagazin des Vereins Für soziales Leben e. V..
Sachverhalt: Bürgergeld in der gemischten Bedarfsgemeinschaft
Die Klägerin, Jahrgang 1965, lebt mit ihrem 1950 geborenen Ehemann – einem Bezieher einer Altersrente für schwerbehinderte Menschen mit GdB 80 und Merkzeichen „G“ – zusammen in einer städtischen Unterkunft. Beide sind obdachlosenrechtlich untergebracht und zahlen monatlich 524 € Nutzungsentgelt. Die Klägerin selbst hat einen GdB von 70 und bezieht Bürgergeld. Ihr Ehemann erhält eine Altersrente von 1.311,90 € monatlich.
Die Klägerin beantragte höhere Leistungen nach dem SGB II (Bürgergeld / Grundsicherung für Arbeitsuchende) für die Zeit von Januar bis Juni 2023. Sie forderte insbesondere einen zusätzlichen Mehrbedarf wegen ihres eigenen GdB von 70 sowie die Berücksichtigung von Kosten für die Kfz-Haftpflichtversicherung und Ausgaben für FFP2-Masken während der Corona-Zeit
Entscheidungsgründe: Warum wurden die höheren Leistungen abgelehnt?
Das Landessozialgericht Baden-Württemberg bestätigte die Entscheidung des Sozialgerichts Karlsruhe und wies die Berufung der Klägerin zurück. Die wichtigsten Gründe im Überblick:
Kein Schwerbehinderten-Mehrbedarf für die Klägerin trotz GdB 70
Die Klägerin hatte keinen Anspruch auf einen zusätzlichen Mehrbedarf bei Schwerbehinderung nach § 21 Abs. 4 SGB II, da sie nicht an einer Maßnahme zur Teilhabe am Arbeitsleben nach SGB IX teilnahm. Letzeres ist Voraussetzungen für den Anspruch auf Mehrbedarf bei Schwerbehinderung im Bereich des Bürgergeldes.
Ein Mehrbedarf für kostenaufwändige Ernährung oder für FFP2-Masken war ebenfalls nicht zu berücksichtigen, da die Kosten für Masken nicht für den streitgegenständlichen Zeitraum geltend gemacht wurden und die Masken in diesem Zeitraum günstig erhältlich waren.
Einkommen des Ehemannes wird angerechnet
Das Einkommen des Ehemannes (Altersrente für schwerbehinderte Menschen) ist bei der Berechnung des Bürgergeld-Anspruchs der Klägerin zu berücksichtigen. Damit soll eine Unterdeckung der Bedarfsgemeinschaft verhindert werden. Der Ehemann ist selbst nicht leistungsberechtigt nach SGB II, da er die Altersgrenze überschritten hat und bereits eine Rente bezieht.
Mehrbedarf für den schwerbehinderten Ehemann
Für den Ehemann wurde ein Mehrbedarf wegen Schwerbehinderung (17 % des Regelbedarfs, also 76,67 €) berücksichtigt. Dieser Mehrbedarf wurde jedoch nicht für die Klägerin, sondern im Rahmen der Einkommensanrechnung berücksichtigt, um sicherzustellen, dass der Ehemann seinen eigenen Bedarf vollständig decken kann.
Kosten für Kfz-Haftpflichtversicherung
Die Kosten für die Kfz-Haftpflichtversicherung wurden in der berechtigten Höhe von 69,63 € monatlich vom Einkommen abgezogen. Die Klägerin hatte zuvor einen höheren Betrag geltend gemacht, der aber nicht nachgewiesen werden konnte.
Keine Privilegierung der Altersrente
Die Altersrente des Ehemannes ist als Einkommen im Sinne des SGB II zu berücksichtigen und unterliegt keiner gesonderten Privilegierung. Ein „privilegierter Rentenanteil“ wurde daher nicht abgesetzt.
Zusammenfassung: Bürgergeld, GdB und Einkommensanrechnung
Das Gericht bestätigte, dass die Klägerin keinen Anspruch auf höhere Bürgergeld-Leistungen hat. Ihr eigener GdB von 70 führt nicht automatisch zu einem zusätzlichen Mehrbedarf. Es muss dafür zusätzlich eine Maßnahme zur Teilnahme am Arbeitsleben durchgeführt werden, was nicht der Fall war.
Das Einkommen des schwerbehinderten Ehemannes ist vollständig anzurechnen, wobei dessen Mehrbedarf berücksichtigt wird, um eine Unterdeckung zu verhindern. Das Urteil hebt die Einkommensanrechnung in gemischten Bedarfsgemeinschaften hervor und klärt die engen Voraussetzungen für die Anerkennung von Mehrbedarfen beim Bürgergeld.