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Höhere Zuverdienstgrenzen beim Bürgergeld geplant: Auswirkung für Wohngeld und Kinderzuschlag?

Wer Bürgergeld bezieht und eigenes Einkommen erzielt, profitiert in Zukunft von höheren Zuverdienstgrenzen. Die geplante Reform soll Arbeit attraktiver machen und mehr finanzielle Spielräume für Leistungsbeziehende schaffen. Doch wie wirken sich die neuen Freibeträge konkret auf ergänzende Leistungen wie Wohngeld und Kinderzuschlag aus? Unser Artikel auf Bürger & Geld, dem Nachrichtenmagazin des Vereins Für soziales Leben e. V., gibt einen Überblick über die wichtigsten geplanten Änderungen, ihre Auswirkungen und zeigt, worauf Betroffene künftig achten sollten.

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Autor: Chef-Redakteur Experte: Chef-Redakteur

Die Bundesregierung plant, in naher Zukunft ( 2026) die Zuverdienstgrenzen beim Bürgergeld anzuheben, um Menschen im Leistungsbezug stärker für Erwerbsarbeit zu motivieren. Diese Entwicklung wirft die Frage auf, wie sich eine mögliche Erhöhung der Zuverdienstgrenzen auf angrenzende Sozialleistungen wie Wohngeld und Kinderzuschlag auswirkt. Der folgende Artikel beleuchtet die aktuellen Reformpläne, die finanziellen Auswirkungen auf Haushalte und gibt konkrete Tipps für Anspruchsberechtigte.

Hintergrund: Zuverdienstgrenzen beim Bürgergeld

Beim Bürgergeld gelten bestimmte Freibeträge, die es Leistungsempfängern erlauben, einen Teil ihres Einkommens aus Erwerbsarbeit zu behalten, ohne dass dieses vollständig auf die Grundsicherung angerechnet wird. Aktuell sehen die Regelungen zum Hinzuverdienst beim Bürgergeld unter anderem vor:

  • Grundfreibetrag: 100 Euro/Monat sind anrechnungsfrei.
  • Einkommen zwischen 100,01 € und 556 €: 20% bleiben anrechnungsfrei.
  • Einkommen zwischen 556,01 € und 1.000 €: 30% sind anrechnungsfrei.
  • Einkommen von 1.000,01 € bis 1.200 € (bzw. 1.500 € mit Kindern): 10% anrechnungsfrei.

Derzeit wird diskutiert, diese Grenzen weiter zu erhöhen, um insbesondere Teilzeit- oder geringfügig Beschäftigte stärker zu motivieren, ihren Verdienst auszubauen und aus dem System Bürgergeld herauszukommen.

Geplante Änderungen und politische Hintergründe

Die Bundesregierung verfolgt das Ziel, den Anreiz zur Arbeitsaufnahme durch höhere Zuverdienstgrenzen zu stärken. Im Koalitionsvertrag wird betont, dass Erwerbsarbeit sich lohnen muss und die Anrechnungsregeln zwischen Bürgergeld, Wohngeld und Kinderzuschlag harmonisiert werden sollen. Geplante Reformoptionen umfassen etwa eine Anpassung der Transferentzugsraten und eine Erhöhung der Freibeträge für Erwerbseinkommen.

Mögliche Maßnahmen im Überblick:

  • Stärkere prozentuale Freibeträge für verschiedene Einkommensstufen.
  • Abschwächung der sogenannten “Abbruchkanten” (plötzlicher Sprung der Anrechnungsrate ab einer bestimmten Zuverdiensthöhe).
  • Verbesserte Übergänge oder Kombinationsmöglichkeiten zu anderen Grundsicherungsleistungen wie Wohngeld.

Die konkrete Ausgestaltung der Reform kann sich auf Bund-Länder-Gespräche und weitere politische Debatten im Bundestag stützen.

Auswirkungen auf das Wohngeld

Eine Erhöhung der Zuverdienstgrenzen im Bürgergeld sorgt dafür, dass Haushalte mit leicht steigendem Einkommen künftig möglicherweise oberhalb der Bedürftigkeitsgrenze für das Bürgergeld liegen und dann ins System Wohngeld “wechseln”. Das bedeutet im Einzelnen:

  • Wohngeld und Bürgergeld sind nicht gleichzeitig möglich. Steigt der Verdienst, verliert man den Anspruch auf Bürgergeld, aber es entsteht oder steigert sich der Anspruch auf Wohngeld.
  • Das Wohngeld orientiert sich stark an regionalen Mieten und dem Haushaltseinkommen. Ein höheres Erwerbseinkommen kann dazu führen, dass das Wohngeld attraktiver wird – besonders in teuren Ballungsgebieten.
  • In der Praxis bedeutet das: Wer durch die neuen Zuverdienstgrenzen mehr Einkommen erzielt, sollte prüfen, ob sich ein Antrag auf Wohngeld lohnt.

Beispiel: In Großstädten mit hohen Mietkosten sind die Transferentzugsraten beim Wohngeld oft niedriger als beim Bürgergeld. Dadurch bleibt ab einem gewissen Einkommen mehr vom eigenen Verdienst übrig, wenn Wohngeld beansprucht wird.

Auswirkungen auf den Kinderzuschlag

Der Kinderzuschlag ist eine Familienleistung für Haushalte mit geringem bis mittlerem Einkommen. Höhere Zuverdienstgrenzen beim Bürgergeld bringen auch hier positive Effekte:

  • Mehr Anspruchsberechtigte: Durch großzügigere Freibeträge können Familien, die bisher knapp keinen Anspruch hatten, eventuell Kinderzuschlag bekommen, zusätzlich zum Wohngeld.

Tabelle: Übersicht der aktuellen und geplanten Effekte

AspektDerzeitiger StandErwartete Veränderung
Freibetrag bis 100 €100% anrechnungsfreiKeine Änderung
100,01 – 556 €20% anrechnungsfreiAnhebung des Anrechnungsfreibetrags
556,01 – 1.000 €30% anrechnungsfreiEventuell Erhöhung oder Erweiterung
Wechsel zu WohngeldAb ca. 1.100–1.200 € Brutto möglichDurch höhere Freibeträge früher möglich
Wechsel zu KinderzuschlagBislang oftmals unterhalb der EinkommensgrenzeMit höheren Freibeträgen Anspruch, da raus aus Bürgergeld System

Die genauen Werte hängen von der finalen Ausgestaltung der Reform ab.

Rechenbeispiel: 40 % Zuverdienst-Freibetrag zwischen 1.200 und 2.000 Euro

Auswirkungen auf Wohngeld und Kinderzuschlag

Angenommen, es wird ein reformierter Freibetrag eingeführt, die Hinzuverdienstgrenze beim Bürgergeld wie folgt angehoben: Vom Zuverdienst zwischen 1.200 Euro und 2.000 Euro sind 40 % anrechnungsfrei. Nachfolgend die Auswirkungen auf Wohngeld und Kinderzuschlag.

Praxisbeispiel: Wie viel bleibt übrig?

Nehmen wir ein monatliches Bruttoeinkommen von 1.500 Euro und 2.000 Euro:

  • Bisher: Ab 1.200/1.500 Euro wird jeder zusätzliche Euro fast komplett angerechnet.
  • Mit 40 % Freibetrag: Nur 60 % des Zuverdiensts zwischen 1.200–2.000 Euro wird für die Berechnung des Bürgergeldes und verwandter Leistungen angerechnet.

Berechnung Beispiel 1:

  • Bruttolohn: 1.500 Euro
  • Differenz 1.500 Euro – 1.200 Euro = 300 Euro
  • 40 % davon = 120 Euro bleiben zusätzlich anrechnungsfrei
  • Bisher wären meist nur 10 % (also 30 Euro) anrechnungsfrei
  • Zusätzlicher Freibetrag: 120 Euro – 30 Euro = 90 Euro mehr netto vom Brutto

Berechnung Beispiel 2:

  • Bruttolohn: 2.000 Euro
  • Differenz 2.000 Euro – 1.200 Euro = 800 Euro
  • 40 % davon = 320 Euro bleiben anrechnungsfrei
  • Bisher wären bei 800 Euro oberhalb der Grenze nur 80 Euro anrechnungsfrei (bei 10 %)
  • Zusätzlicher Freibetrag: 320 Euro – 80 Euro = 240 Euro mehr Netto-Einkommen

Auswirkungen auf das Wohngeld

  • Mehr Übergänge aus dem Bürgergeld: Wer durch den höheren Freibetrag mehr netto verdient, überschreitet schneller die Einkommensgrenze fürs Bürgergeld und fällt dann meist in den Wohngeld-Anspruch. Das Wohngeld ist anrechnungsfreundlicher, weil dort auch hohe Mieten berücksichtigt werden.
  • Wohngeld wird attraktiver: Mit dem höheren anrechnungsfreien Einkommen steigt im Wohngeld-System der Zuschuss meist nur moderat ab, während beim Bürgergeld oder Grundsicherung das Einkommen stark angerechnet wird. Gerade über der neuen Schwelle muss dann Wohngeld beantragt werden.
  • Einfluss der Miete: Je höher die Miete, desto besser fällt das Wohngeld aus – so profitieren vor allem Haushalte in Städten.

Auswirkungen auf den Kinderzuschlag

  • Mehr Anspruchsberechtigte: Da mehr Menschen das Bürgergeld System verlassen, habe mehr Anspruch auf Kinderzuschlag.

Tabelle: Vergleich altes und neues Anrechnungsmodell

BruttoeinkommenBisher (10 % frei zw. 1.200–2.000 €)Neu (40 % frei zw. 1.200–2.000 €)Zusätzl. Netto-Freibetrag
1.500 €30 €120 €+90 €
2.000 €80 €320 €+240 €

Fazit

  • Ein 40 %-Freibetrag macht Arbeit attraktiver und lässt den Bürgergeldanspruch schneller entfallen.
  • Dies ermöglicht vielen Haushalten erstmals oder wieder einen Wohngeld- und/oder Kinderzuschlagsanspruch.
  • Der finanzielle Stundenlohn für zusätzliche Arbeit steigt deutlich – vor allem für Familien lässt sich so die finanzielle Situation verbessern.

Zusammenfassung: Erhöhung der Zuverdienstgrenzen beim Bürgergeld

Die geplante Anhebung der Zuverdienstgrenzen beim Bürgergeld ist ein bedeutender Schritt mit weitreichenden Folgen für Haushalte mit kleinem Einkommen. Sie schafft:

  • Mehr Motivation zur Arbeitsaufnahme,
  • Einen Übergang vom Bürgergeld zum Wohngeld und Kinderzuschlag
  • Verbesserte Chancen auf den Kinderzuschlag.

Das Problem für den Fiskus: würden 400.000 Menschen weniger Bürgergeld beziehen, so hätten möglicherweise zusätzlich 1,2 Millionen Menschen einen Anspruch auf Wohngeld und Kinderzuschlag! Das zeigen neuste Berechnungen des IAB, des Instituts für Arbeitsmarkt und Berufsforschung.

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