Rechtliche Grundlagen
Die Übernahme einer Mieterhöhung richtet sich beim Bürgergeld (Grundsicherung für Arbeitsuchende) nach § 22 SGB II, bei der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach § 35 SGB XII. Beide Vorschriften sehen vor, dass Bedarfe für Unterkunft (Miete) und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt werden, soweit diese angemessen sind.
„Angemessenheit“ wird durch örtliche Konzepte der Jobcenter bzw. Sozialämter bestimmt, die sich am einfachen Standardwohnraum und der ortsüblichen Vergleichsmiete orientieren. Grundlage sind regelmäßig Mietspiegel, kommunale Richtlinien oder schlüssige Konzepte zur Ermittlung der Referenzmiete.
Wann das Jobcenter eine Mieterhöhung übernehmen muss
Eine Mieterhöhung ist vom Jobcenter zu tragen, wenn sie formell und materiell wirksam ist (z. B. nach § 558 BGB bis zur ortsüblichen Vergleichsmiete oder nach Modernisierung) und die neue Bruttokaltmiete noch innerhalb der für die Bedarfsgemeinschaft geltenden Mietobergrenzen liegt. In diesem Fall handelt es sich schlicht um eine Anpassung der bereits anerkannten angemessenen Unterkunftskosten, die vollständig in die Leistungsberechnung einfließt.
Wichtig ist zudem, dass die Mieterhöhung dem Jobcenter rechtzeitig nachweisbar mitgeteilt wird, etwa durch das Erhöhungsschreiben oder eine Vertragsänderung. Sozialgerichte haben klargestellt, dass ein wirksamer Mietanstieg grundsätzlich auch rückwirkend als Bedarf anzuerkennen ist, wenn er rechtlich zulässig war und innerhalb der Angemessenheit bleibt – selbst ohne vorherige Zustimmung des Jobcenters.
Karenzzeit: Sonderfall im ersten Jahr
Beim Bürgergeld gibt es in den ersten zwölf Monaten des Leistungsbezugs eine Karenzzeit, in der die tatsächlichen Mietkosten grundsätzlich vollständig übernommen werden, unabhängig von der Angemessenheit. Erhöht sich die Miete in dieser Zeit, trägt das Jobcenter daher in der Regel auch die höhere Miete, solange ein wirksames Mieterhöhungsverlangen vorliegt.
Erst nach Ablauf der Karenzzeit greift wieder konsequent die Prüfung auf Angemessenheit; dann kann eine Mieterhöhung zur Mietlücke führen oder ein Kostensenkungsverfahren auslösen. Für Grundsicherung nach SGB XII existiert diese Karenzzeit in der Form nicht, weshalb dort von Beginn an die Angemessenheitsgrenzen maßgeblich sind.
Wichtig: bei der geplanten neuen Grundsicherung, die im Jahr 2026 in Kraft treten soll, wird es voraussichtlich eine abgeschwächte Karenzzeit hinsichtlich der Mietkosten geben.
Wenn die Mieterhöhung oberhalb der Angemessenheitsgrenze liegt
Steigt die Miete durch eine zulässige Erhöhung über die örtliche Mietobergrenze, ist das Jobcenter nicht automatisch zur vollen Übernahme verpflichtet. In der Praxis wird häufig für sechs Monate die tatsächliche Miete weitergezahlt, um den Betroffenen Zeit zu geben, die Kosten zu senken (z. B. durch Verhandlungen, Untermiete oder Umzug).
Nach Ablauf dieser Frist darf das Jobcenter die Leistungen für Unterkunft auf die angemessene Höhe deckeln; die Differenz muss dann aus dem Regelbedarf oder anderem Einkommen gezahlt werden. Ob und wie stark gekürzt wird, hängt auch davon ab, ob ein Kostensenkungsverfahren ordnungsgemäß durchgeführt wurde und ob zumutbare Möglichkeiten zur Senkung der Wohnkosten bestehen.
Tabelle: Wann zahlt das Jobcenter die Mieterhöhung?
| Konstellation | Übernahme durch Jobcenter? |
|---|---|
| Mieterhöhung wirksam, neue Miete innerhalb der Angemessenheit | Ja, vollständige Übernahme der erhöhten Miete als KdU. |
| Mieterhöhung in Karenzzeit, auch über Angemessenheit | Ja, in der Regel vollständige Übernahme im ersten Jahr. |
| Mieterhöhung wirksam, neue Miete über Angemessenheit | Übergangsweise Übernahme, danach Deckelung auf Höchstgrenze. |
| Mieterhöhung formell/materiell unwirksam (z. B. keine Begründung, über Kappungsgrenze) | Nein, Jobcenter muss die Erhöhung nicht berücksichtigen. |
| Mieterhöhung offensichtlich missbräuchlich (z. B. 50 % Anhebung unter Verwandten ohne Sachgrund) | Nein, Gerichte können solche Erhöhungen als rechtsmissbräuchlich einstufen. |
| Mieterhöhung wird nicht oder verspätet gemeldet | Risiko von Nachteilen; Übernahme kann zeitweise ausgesetzt werden. |
Aktuelle Rechtsprechung zu Mieterhöhungen
Sozialgerichte betonen regelmäßig, dass die Angemessenheit der KdU auf einem schlüssigen Konzept beruhen muss; pauschale oder veraltete Richtwerte können unzulässig sein. In Streitfällen trägt häufig das Jobcenter die Beweislast dafür, dass die festgelegte Mietobergrenze realistisch am örtlichen Wohnungsmarkt durchsetzbar ist.
Einzelne Entscheidungen stellen klar, dass überzogene Mieterhöhungen – etwa stark über der ortsüblichen Vergleichsmiete oder mit missbräuchlichem Hintergrund – nicht automatisch den Leistungsbedarf erhöhen, sondern im Zweifel mietrechtlich anzugreifen sind. Gleichzeitig sichern zivilrechtliche Urteile, etwa des BGH, dass Rückforderungsansprüche wegen überhöhter Miete in der Regel auf den Sozialleistungsträger übergehen, wenn dieser die Miete getragen hat.
Praktische Tipps für Bürgergeld- und Grundsicherungs-Beziehende
Mieterhöhungen sollten immer sofort schriftlich beim Jobcenter oder Sozialamt eingereicht und mit dem Originalschreiben des Vermieters nachgewiesen werden. Parallel lohnt der Blick in den örtlichen Mietspiegel oder in kommunale Richtlinien, um einschätzen zu können, ob die neue Miete noch im Rahmen der Angemessenheitsgrenze liegt.
Bei drohender Mietlücke hilft oft eine frühzeitige Beratung, etwa bei Mietervereinen, Sozialberatungsstellen oder Fachanwälten für Sozial- und Mietrecht, um sowohl mietrechtliche Einwände als auch sozialrechtliche Ansprüche zu prüfen. Wer einen Kürzungs- oder Kostensenkungsbescheid erhält, sollte Widerspruchsfristen beachten und im Zweifel mit Hinweis auf aktuelle Rechtsprechung überprüfen lassen, ob die festgelegten Mietobergrenzen tatsächlich schlüssig und rechtmäßig sind.


