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Bürgergeld (Grundsicherung): pfändbar, aber dennoch vor Pfändung geschützt

Bürgergeld kann grundsätzlich gepfändet werden – doch der nachfolgende Artikel auf Bürger & Geld, dem Nachrichtenmagazin des Vereins Für soziales Leben e.V., zeigt, wie das Existenzminimum trotzdem geschützt bleibt. Lesen Sie, warum Nachzahlungen zum Bürgergeld nicht einfach von Gläubigern kassiert werden dürfen und wie das P-Konto dabei hilft, dass Ihr Geld wirklich bei Ihnen ankommt.

Das Bürgergeld dient der Sicherung des Existenzminimums. Es ist eine staatliche Sozialleistung. § 54 SGB I regelt, inwieweit Sozialleistungen von Gläubigern gepfändet werden können. Dort ist nachzulesen, dass beispielsweise Wohngeld unpfändbar ist, genauso wie Elterngeld. Das Bürgergeld ist dort nicht ausdrücklich erwähnt. Folglich gilt § 54 Abs. 4 SGB I: das Bürgergeld ist pfändbar kann wie Arbeitseinkommen gepfändet werden.

Pfändungsschutz für Bürgergeld

Der Vergleich des Bürgergeldes (Neue Grundsicherung für Arbeitsuchende) mit Arbeitseinkommen hat zur Konsequenz, dass die Pfändungsfreigrenzen der ZPO für Arbeitseinkommen gelten und auch die Regelung zu Pfändungsschutzkonto (P-Konto). Das Bürgergeld erreicht als laufende Zahlung die dort genannten Grenzen nicht, ist also für Gläubiger nicht greifbar, da Pfändungsschutz gilt.

Bürgergeld Nachzahlungen ebenfalls vor Pfändung geschützt

Unterschiedlich ist die Situation, wenn Bürgergeld für einen längeren Zeitraum nachgezahlt wird. Dann kann die Pfändungsfreigrenze des P-Kontos und die Pfändungsfreigrenze des § 850 c ZPO überschritten sein. Eine Bürgergeld Nachzahlung kommt häufig vor, wenn die Entscheidung über den Antrag längere Zeit in Anspruch nimmt. Ähnliches kommt vor, wenn es um Gelder für eine Wohnungsausstattung geht oder um Mehrbedarf. Was, wenn das Konto des Bürgergeld-Beziehers gepfändet ist und der Schutz des P-Kontos nicht greift, weil die Summe der Bürgergeld-Zahlung zu hoch ist?

Dazu gibt es eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs aus dem Jahr 2018 (BGH, Az. VII ZB 21/17, auf juris) , nicht zum Bürgergeld, sondern zur Vorgängerregelung. Doch die Entscheidung kann auf das Bürgergeld übertragen werden. Das oberste Gericht urteilte, dass Gläubiger nicht auf eine Nachzahlung von Leistungen nach dem SGB II zugreifen dürfen. Im konkreten Fall ging es um Nachzahlungen des Regelsatzes und der Kosten der Unterkunft für mehrere Monate.

Das oberste Gericht begründete seine Entscheidung mit folgender (hier auf das Bürgergeld übertragener) Argumentation:

Die Summe der Nachzahlungen muss anteilig den einzelnen Monaten zugeordnet werden, für die sie erfolgt, und fällt somit unter die Pfändungsfreigrenze.

Dies ergibt eine verfassungskonforme Auslegung der Pfändungsschutzregelungen. Das Bürgergeld dient der Sicherung des Existenzminimums. Dieses ist durch Art 1 Grundgesetz geschützt: „Die Würde des Menschen ist unantastbar.“

Die Nachzahlung von Bürgergeld dient der Deckung des menschenwürdigen Existenzminimums in jedem Monat, für den sie gezahlt wird. Dass die finanziellen Mittel zur Deckung des Existenzminimums in den entsprechenden Lebensmonaten nicht verfügbar gewesen seien, erlaubt nicht die Schlussfolgerung, dass sie nunmehr (im Zeitpunkt der Nachzahlung) für den Lebensunterhalt nicht mehr notwendig sind.

BGH Entscheidung zur Pfändbarkeit von Bürgergeld Nachzahlungen

Nachfolgend ein Auszug aus der BGH-Entscheidung (Wörter in Klammern sind von unserer Redaktion eingefügt worden) zur Pfändbarkeit von Leistungen nach dem SGB II, heute Bürgergeld.

“Die Nachzahlung an die Schuldnerin ist für die Bemessung des pfandfreien Betrags für Arbeitseinkommen gemäß § 850c ZPO jeweils dem monatlichen Leistungszeitraum zuzurechnen, für den sie gezahlt wurde Dies folgt bereits aus dem Wortlaut des entsprechend anwendbaren § 850c Abs. 1 Satz 1 ZPO, wonach die Pfändungsfreigrenzen jeweils für den Zeitraum gelten, für den Arbeitseinkommen gezahlt wird. .. durch diese Art der Berechnung des gemäß § 850k Abs. 4 Satz 1 ZPO dem Schuldner pfandfrei zu belassenden Betrags (wird) auch dem aus Art. 1 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 1 GG folgenden Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums Rechnung getragen……Der Auffassung … zur Beurteilung der Frage, ob die Sicherung des Existenzminimums des Schuldners gewährleistet sei, seien zurückliegende Zeiträume nicht in die Betrachtung einzubeziehen, ist nicht zu folgen. Der Senat hat ….. entschieden, dass der sozialrechtliche Aktualitätsgrundsatz ….(….Wir leben nicht in der Vergangenheit) im Falle der Gewährung von Leistungen für zurückliegende Zeiträume nicht zu rechtfertigen vermag, den Leistungsempfänger als vermindert schutzwürdig anzusehen und ihm bezüglich der gewährten Leistungen Pfändungsschutz auf dem Pfändungsschutzkonto vorzuenthalten. Denn der fehlende Pfändungsschutz auf dem Pfändungsschutzkonto hätte zur Folge, dass die Leistungen im Ergebnis nicht dem Leistungsempfänger, sondern seinen Gläubigern zugutekämen. Das aber widerspräche dem Zweck der Leistungen. Lebensunterhaltsleistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch, insbesondere …. (Bürgergeld), dienen der Sicherung des Existenzminimums und sollen daher bei den leistungsberechtigten Personen verbleiben. (BGH, Beschluss vom 24. Januar 2018 – VII ZB 27/17)”

Zusammenfassung: Bürgergeld pfändbar und dennoch vor Pfändung geschützt

Das Bürgergeld ist grundsätzlich pfändbar ist, da es in § 54 SGB I nicht als unpfändbar aufgeführt ist. Es wird daher rechtlich wie Arbeitseinkommen behandelt und unterliegt den Pfändungsfreigrenzen der Zivilprozessordnung (ZPO). Kontoinhaber haben durch das Pfändungsschutzkonto (P-Konto) Schutz: Regelmäßige Bürgergeldzahlungen bleiben innerhalb der Freibeträge für Gläubiger unantastbar.

Bei Nachzahlungen des Bürgergeldes für mehrere Monate – etwa wegen verspäteter Bewilligung – kann jedoch die Pfändungsfreigrenze des P-Kontos überschritten werden. Dazu hat der Bundesgerichtshof (BGH) 2018 entschieden, dass solche Nachzahlungen auf die jeweiligen Bezugsmonate aufgeteilt und dabei die Monatsfreigrenzen berücksichtigt werden müssen. Somit bleibt das Existenzminimum auch bei Nachzahlungen geschützt, denn diese dienen dem menschenwürdigen Leben und fallen unter den Schutz des Grundgesetzes. Die Nachzahlungen dürfen also nicht vollständig von Gläubigern vereinnahmt werden, sondern müssen anteilig für jeden Monat im Rahmen der gesetzlich geschützten Freibeträge beim Leistungsempfänger verbleiben.

Redakteure

  • ik

    Sozialrechtsexperte und Redakteur

    Ingo Kosick ist ein renommierter Experte im Bereich des Sozialrechts in Deutschland. Er engagiert sich seit über 30 Jahren in diesem Feld und hat sich als führende Autorität etabliert. Als Vorsitzender des Vereins Für soziales Leben e.V., der 2005 in Lüdinghausen gegründet wurde, setzt er sich für die Unterstützung von Menschen ein, die von Armut und Arbeitslosigkeit betroffen sind. Der Verein bietet über das Internet Informationen, Beratung und Unterstützung für sozial benachteiligte Menschen an. Ingo Kosick ist zudem ein zentraler Autor und Redakteur auf der Plattform buerger-geld.org, die sich auf Themen wie Bürgergeld, Sozialleistungen, Rente und Kindergrundsicherung spezialisiert hat. Seine Artikel bieten fundierte Analysen und rechtlich aufgearbeitete Informationen, die Menschen in schwierigen Lebenssituationen unterstützen sollen. Durch seine langjährige Erfahrung und sein Engagement hat Ingo Kosick maßgeblich dazu beigetragen, dass sozial benachteiligte Menschen in Deutschland besser informiert und unterstützt werden können.

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  • Peter Kosick
    Experte:

    Jurist und Redakteur

    Peter Kosick hat an der Universität Münster Rechtswissenschaften studiert und beide juristische Staatsexamen in Nordrhein-Westfalen mit Erfolg abgelegt. Er arbeitet als freiberuflicher Jurist, ist Autor verschiedener Publikationen und hält Vorträge im Bereich Arbeits- und Sozialrecht. Seit mehr als 30 Jahren engagiert er sich im sozialen Bereich und ist seit der Gründung des Vereins "Für soziales Leben e.V." dort Mitglied. Peter Kosick arbeitet in der Online Redaktion des Vereins und ist der CvD. Seinen Artikeln sieht man an, dass sie sich auf ein fundiertes juristisches Fachwissen gründen. Peter hat ebenfalls ein Herz für die Natur, ist gern "draußen" und setzt sich für den Schutz der Umwelt ein. Seine Arbeit im Redaktionsteam von buerger-geld.org gibt ihm das Gefühl,  etwas Gutes für das Gemeinwohl zu tun.

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