Hintergrund: Was ist der Quadratmeterdeckel?
Der sogenannte „kommunale Quadratmeterdeckel“ ist eine geplante Begrenzung der anerkannten Wohnfläche, für die das Jobcenter die Kosten übernimmt. Ziel ist es, Wuchermieten und Sozialbetrug – insbesondere mit Schrottimmobilien – zu verhindern. Dabei werden häufig Bürgergeld-Empfänger auf wenigen Quadratmetern untergebracht und zahlen extrem hohe Mieten, die das Amt bislang übernahm. Mit dem Quadratmeterdeckel bekommen Kommunen die Möglichkeit, Mindest- und Maximalwerte für Quadratmeter und Miete je Haushalt festzulegen und die Obergrenzen regional anzupassen.
Die neuen Quadratmeter-Obergrenzen
Schon jetzt gibt es Richtwerte, nach denen die maximal als „angemessen“ anerkannte Wohnungsgröße im Bürgergeld-System gestaffelt ist:
- Ein-Personen-Haushalt: 45–50 qm
- Zwei Personen: 60–65 qm
- Drei Personen: 75–80 qm
- Vier Personen: 85–95 qm
- Jede weitere Person: plus 15 qm
Mit dem Quadratmeterdeckel können diese Obergrenzen verbindlich für die Kostenübernahme festgelegt und von den Kommunen nach unten oder oben angepasst werden – je nach Wohnungslage, Preisniveau und Bedarf.
Angemessenheit und Mietobergrenzen
Entscheidend bleibt: Die Miete pro Quadratmeter muss im unteren Preissegment des regionalen Wohnungsmarktes liegen. Die Bruttowarmmiete (inkl. Nebenkosten) darf die genannten Oberwerte nicht überschreiten. Wer über der Obergrenze liegt, bekommt künftig nicht mehr die vollen Kosten erstattet – und muss den Unterschied selbst zahlen oder steht unter Druck, die Wohnung zu wechseln.
Ziel des Quadratmeterdeckels
Die Reform zielt auf die Begrenzung der Kosten und die Bekämpfung von Sozialmissbrauch. Viele Vermieter und Betrugsbanden nutzten bislang die Schwäche der Jobcenter aus, um Bürgergeld-Empfänger in völlig überteuerten Schrottimmobilien unterzubringen. Proportional zum Quadratmeterpreis wurde abkassiert – bis zu dreistellige Preise pro Quadratmeter waren möglich. Mit dem Deckel wird das Modell faktisch unterbunden, die Miete für Bürgergeld-Empfänger soll fair und sozial vertretbar bleiben.
Auswirkungen auf Bürgergeld-Empfänger
- Wer eine Wohnung über den neuen Quadratmetergrenzen oder mit zu hoher Miete bewohnt, wird künftig vom Jobcenter aufgefordert, sich zu verkleinern oder eine günstigere Wohnung zu suchen.
- Die Differenz zur anerkannten Obergrenze muss im Zweifel aus dem Regelsatz bezahlt werden – was zu einer realen Mietlücke führen kann.
- Besonders betroffen sind Großfamilien, Menschen mit Behinderungen oder Wohnende in angespannten Mietmärkten wie München, Hamburg oder Frankfurt.
- Eine Karenzzeit – in der bei Neubezug die volle Miete übernommen wird – soll laut aktuellen Plänen ebenfalls abgeschafft werden.
Beispiele aus der Praxis
1-Personen-Haushalt in Köln:
- Angemessen: 50 qm, 9,00 €/qm, Bruttowarmmiete 450 €
- Tatsächliche Wohnung: 70 qm, 880 €
- Künftig: Jobcenter deckt nur noch 450 €, Differenz von 430 €/Monat muss selbst getragen werden
Familie mit drei Kindern in Leipzig:
- Angemessen: 95 qm
- Mietpreis: 7 €/qm, 665 €
- Tatsächliche Wohnung: 120 qm, 1.020 €
- Differenz: 355 € pro Monat, zwingender Umzugsdruck entsteht
Wichtige Ausnahmen
In Einzelfällen (behindertengerechter Umbau, ländliche Regionen, schwere soziale Umstände) sind weiterhin individuelle Ausnahmen möglich. Hier müssen – wie bisher – Sonderanträge gestellt und Sozialberichte beigefügt werden. Die Entscheidung liegt bei der Kommune.
Kritische Stimmen und soziale Folgen
- Sozialverbände warnen vor einer Zunahme von Wohnungsnot und existenzieller Unsicherheit für Bürgergeld-Bezieher.
- Besonders in Ballungsräumen ist geeigneter und bezahlbarer Wohnraum knapp – viele Empfänger werden Schwierigkeiten haben, neue Wohnungen im Rahmen der Obergrenzen zu finden.
- Mögliche Folgen: Zwangsumzüge, Erhöhung der Wohnkostenlücke (Differenz zwischen übernommenen und realen Mietkosten), Armut und soziale Ausgrenzung.
Stellungnahme des Vereins Für soziales Leben e.V.
„Die geplante Einführung des kommunalen Quadratmeterdeckels bei der Mietkostenübernahme im Bürgergeld birgt gravierende soziale Risiken. Zwar begrüßen wir Maßnahmen gegen Wuchermieten und Sozialbetrug, warnen jedoch davor, dass viele Betroffene in überteuerten oder zu großen Wohnungen in finanzielle Not und Unsicherheit gedrängt werden. Der Verein Für soziales Leben e.V. fordert wirksame Ausnahmen für Härtefälle, mehr soziale Beratung sowie eine aktive Unterstützung bei notwendigen Umzügen. Bezahlbarer und angemessener Wohnraum muss für alle Bürgergeld-Empfänger sichergestellt bleiben – ein Quadratmeterdeckel darf nicht zur weiteren sozialen Ausgrenzung führen.“
Politische Perspektive und Ausblick
Die Mehrzahl der Bevölkerung und auch große Teile der Politik befürworten den Quadratmeterdeckel als Instrument gegen Sozialbetrug und explodierende Wohnkosten. Gewerkschaften und Sozialverbände wie der Verein Für soziales Leben e.V. warnen jedoch: Vor allem mit der geplanten Abschaffung der Bürgergeld-Karenzzeit und der Deckelung für Erstanträge könnten viele Bedürftige finanziell in Bedrängnis geraten. Die Reform soll noch 2026 in Kraft treten.