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Bürgergeld Schulden beim Jobcenter: Rückzahlung, Verrechnung mit Regelsatz

Schulden beim Jobcenter können für Bürgergeld-Empfänger schnell zur finanziellen Belastung werden. Erfahre hier auf Bürger & Geld, dem Nachrichtenmagazin des Vereins Für soziales Leben e. V., unter welchen Voraussetzungen das Jobcenter offene Forderungen mit dem Regelsatz verrechnen darf, welche gesetzlichen Grenzen gelten und wie Betroffene am besten reagieren, um ihre Existenz zu sichern.

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Schulden gehören für viele Menschen in Deutschland zum Alltag – insbesondere dann, wenn das Einkommen nicht ausreicht oder plötzliche Veränderungen in der Lebenssituation eintreten. Für Bürgergeld-Empfänger ist die Gefahr einer Verschuldung besonders hoch. Doch was passiert, wenn Schulden direkt beim Jobcenter entstehen? Wie können diese abgebaut werden ? Erfolgt eine Verrechnung mit dem Regelsatz, also eine Leistungskurzung? In unserem Beitrag geben wir einen umfassenden Überblick zum Thema Bürgergeld-Schulden beim Jobcenter, inklusive Ursachen, rechtlicher Rahmenbedingungen und Rückzahlungsmethoden.

Ursachen für Schulden beim Jobcenter

Schulden beim Jobcenter entstehen meistens dann, wenn Leistungen zu Unrecht bezogen oder überzahlt wurden. Die häufigsten Ursachen sind:

  • Falsche oder verspätete Angaben zu Einkommen, Vermögen oder familiären Veränderungen.
  • Nicht gemeldete Änderungen wie ein neuer Job, ein Umzug oder eine Trennung.
  • Fehlerhafte Berechnungen durch das Jobcenter selbst.
  • Rückzahlung von Darlehen, z. B. für Mietrückstände oder Energiekosten.

Besonders kritisch wird es, wenn Betroffene fehlerhaften Bürgergeld Zahlungen nicht rechtzeitig melden oder dem Rückzahlungsbescheid nicht widersprechen. Dann entsteht eine offizielle Schuld, die eingetrieben wird.

Was passiert bei Schulden gegenüber dem Jobcenter?

Wenn Bürgergeldempfänger Schulden beim Jobcenter haben, gibt es unterschiedliche Wege, wie das Geld zurückgefordert wird:

  • Aufrechnung mit laufenden Leistungen: Bezieht die Person weiterhin Bürgergeld, zieht das Jobcenter regelmäßig einen Teil vom Regelsatz ab. Die monatliche Aufrechnung beträgt in der Regel 5 bis 10 Prozent je Forderung. In Ausnahmefällen können bis zu 30 Prozent des monatlichen Regelsatzes einbehalten werden. Einzelheiten hierzu im nächsten Abschnitt.
  • Übergabe an den Inkasso-Service: Endet der Leistungsbezug, wird die Forderung an den Inkasso-Service der Bundesagentur für Arbeit übermittelt. Dieser fordert die Rückzahlung schriftlich ein und bietet oft Ratenzahlungen oder Stundungsmöglichkeiten an.
  • Rückforderung in einer Summe: In einigen Fällen wird die Restschuld als Einmalzahlung fällig. Dies betrifft vor allem Personen, die keiner behördlichen Hilfe mehr bedürfen.

Rechtsgrundlagen für die Aufrechnung von Schulden mit dem Regelsatz beim Jobcenter

Das Jobcenter kann bei Rückforderungen gegenüber Bürgergeld-Empfängern einen Teil des Regelsatzes einbehalten (aufrechnen). Die zulässigen Prozentsätze und die hierfür maßgeblichen Rechtsgrundlagen hängen davon ab, um welche Art von Schuld es sich handelt.

1. Rückzahlung von Darlehen

Gesetzliche Grundlage:
§ 42a Abs. 2 Sozialgesetzbuch II (SGB II)

  • Seit 1. Juli 2023: Es dürfen insgesamt maximal 5 % des maßgebenden Regelbedarfs (Regelsatz) für die Tilgung von Darlehen einbehalten werden – auch bei mehreren Darlehen zusammen.
  • Eine abweichende oder höhere Aufrechnung ist unzulässig, selbst wenn mehrere Darlehen bestehen.

2. Rückforderung zu Unrecht erhaltener Leistungen

Gesetzliche Grundlage:
§ 43 Sozialgesetzbuch II (SGB II)

  • Regelfall: Pro Forderung wird ein Betrag von 10 % des für die leistungsberechtigte Person maßgebenden Regelbedarfs aufgerechnet.
  • Bei mehreren Forderungen oder besonderen Härtefällen kann insgesamt bis zu 30 % des Regelbedarfs einbehalten werden.
  • Ausnahme: Liegt eine besonders schwerwiegende Pflichtverletzung vor (z. B. Sozialleistungsbetrug), kann die Aufrechnung bis zu 30 % des Regelsatzes betragen, allerdings nur bei bestimmten Konstellationen und Rechtsgrundlagen.

3. Übersichtstabelle der Aufrechnungssätze

Art der SchuldMaximaler Prozentsatz vom RegelsatzRechtsgrundlage
Rückzahlung Darlehen5 %§ 42a Abs. 2 SGB II
Rückforderung Leistungen10 %§ 43 Abs. 2 SGB II
Mehrere Forderungen30 % (gesamt)§ 43 Abs. 2 SGB II
Sanktionen/Pflichtverletz.bis 30 %§§ 31b, 43 SGB II

Hinweise zur Verrechnung von Schulden mit dem Regelsatz

  • Werden mehrere Forderungen auf einmal verrechnet, gilt die Obergrenze von insgesamt 30 % des maßgebenden Regelbedarfs (§ 43 Abs. 3 SGB II).
  • Für bestehende Darlehen gilt seit 1.7.2023 die reduzierte Quote von 5 %.

Wichtige Paragrafen im Gesetz:

  • § 42a SGB II – Tilgung von Darlehen
  • § 43 SGB II – Aufrechnung und Rückforderung

Diese Regelungen schützen die Existenzsicherung und verhindern, dass Bürgergeld-Empfänger durch hohe Tilgungsraten in unzumutbare Notlagen geraten.

Welche Schulden übernimmt das Jobcenter?

Grundsätzlich übernimmt das Jobcenter keine privaten Schulden. Es gibt jedoch bestimmte Ausnahmefälle:

  • Darlehen bei Miet- und Energieschulden: Wenn Wohnungslosigkeit oder Stromsperren drohen, kann das Jobcenter ein zinsloses Darlehen gewähren. Wichtig ist, dass die Schuld eine Gefahr für das Existenzminimum darstellt.
  • Keine Hilfe bei Konsumschulden: Schulden bei Banken, Online-Shops oder Freunden gehören in den privaten Bereich – hier bietet das Jobcenter keinerlei Hilfe.

Entscheidend ist, dass Bürgergeldempfänger rechtzeitig Kontakt mit dem Amt aufnehmen, um drohende Konsequenzen wie Kündigung oder Stromsperre abzuwenden.

Möglichkeiten zum Schuldenabbau trotz Bürgergeld

Trotz eines knappen Haushaltsbudgets gibt es Möglichkeiten, Schulden aktiv abzubauen:

  • Ratenzahlungsvereinbarung mit dem Jobcenter: Diese wird häufig direkt durch die monatliche Leistungskürzung umgesetzt.
  • Vereinbarungen nach Leistungsende: Mit dem Inkasso-Service lassen sich faire Rückzahlungsraten vereinbaren.
  • Umsichtiger Umgang mit Geld: Durch Haushaltsplanungen lässt sich der Schuldenstand eventuell schneller minimieren.
  • Einnahmen durch Minijob: Kleine Zuverdienste können helfen, zusätzliche Rücklagen zu bilden oder Schulden zu tilgen.
  • Professionelle Schuldnerberatung: Beratungsstellen helfen dabei, den finanziellen Überblick zu behalten, Gläubiger zu kontaktieren und gegebenenfalls eine Privatinsolvenz anzustreben.

Verjährung von Forderungen

Auch Forderungen vom Jobcenter verjähren, allerdings gelten je nach Fall unterschiedliche Fristen:

  • Rückforderungen zu Unrecht gezahlter Leistungen verjähren in der Regel nach drei Jahren.
  • Darlehensforderungen (z. B. Mietsicherungsdarlehen) unterliegen teilweise einer längeren Verjährungsfrist von bis zu 30 Jahren.

Es ist ratsam, alte Rückforderungsbescheide regelmäßig zu prüfen und gegebenenfalls rechtliche Beratung in Anspruch zu nehmen.

Was droht bei Nichtzahlung?

Wer Schulden beim Jobcenter nach Beendigung des Leistungsbezugs nicht zurückzahlt, muss mit Konsequenzen rechnen. Diese umfassen:

  • Mahnverfahren und Zahlungsaufforderungen durch den Inkasso-Service.
  • Pfändungen, vor allem bei pfändbarem Einkommen oder Kontoguthaben.
  • Zwangsmaßnahmen beim Verweigern von Auskünften: In extremen Fällen kann eine Erzwingungshaft angeordnet werden – nicht wegen der Schuld, sondern weil notwendige Auskünfte verweigert wurden.

Wichtig: niemand kommt wegen Schulden ins Gefängnis. Haft droht lediglich bei Missachtung gerichtlicher Anordnungen.

Tipps für Bürgergeldempfänger mit Schulden

  • Nicht ignorieren: Schulden verschwinden nicht von allein. Je früher reagiert wird, desto besser.
  • Aktiv die Kommunikation mit dem Jobcenter suchen: Klare Abmachungen vermeiden Missverständnisse und Zwangsmaßnahmen.
  • Professionelle Hilfe suchen: Eine Schuldnerberatung ist in vielen Städten kostenfrei zu erreichen und bietet individuell angepasste Lösungen.
  • Unterstützung bei der Antragstellung einholen, beispielsweise durch soziale Träger oder Beratungsstellen.

Zusammenfassung: Bürgergeld Schulden beim Jobcenter – Verrechnung mit dem Regelsatz

Wenn Bürgergeld-Empfänger beim Jobcenter Schulden haben, etwa durch Überzahlungen oder Darlehen, kann das Jobcenter diese Beträge mit den laufenden Leistungen verrechnen. Das heißt, ein Teil des monatlichen Regelsatzes wird einbehalten, um die Schulden zu tilgen.

  • Darlehen vom Jobcenter: Maximal 5 % des monatlichen Regelsatzes dürfen zur Tilgung einbehalten werden – auch wenn mehrere Darlehen bestehen.
  • Zu Unrecht erhaltene Leistungen: Im Regelfall beträgt die Aufrechnung 10 % je Forderung. Bei mehreren Forderungen können bis zu 30 % des Regelsatzes eingezogen werden.
  • Mehrere Forderungen: Die Gesamtsumme aller Aufrechnungen darf 30 % des Regelbedarfs nicht überschreiten.
  • Rechtsgrundlagen: Maßgeblich sind § 42a und § 43 Sozialgesetzbuch II (SGB II).
  • Schutz vor Überlastung: Mit diesen Grenzen wird sichergestellt, dass das Existenzminimum auch bei Schulden gewahrt bleibt.

Fazit: Das Jobcenter darf nur begrenzt und nach festen Prozentsätzen mit dem Regelsatz verrechnen, um überschuldete Leistungsempfänger vor finanzieller Überforderung zu schützen.

Redakteure

  • ik

    Ingo Kosick ist ein renommierter Experte im Bereich des Sozialrechts in Deutschland. Er engagiert sich seit über 30 Jahren in diesem Feld und hat sich als führende Autorität etabliert. Als Vorsitzender des Vereins Für soziales Leben e.V., der 2005 in Lüdinghausen gegründet wurde, setzt er sich für die Unterstützung von Menschen ein, die von Armut und Arbeitslosigkeit betroffen sind. Der Verein bietet über das Internet Informationen, Beratung und Unterstützung für sozial benachteiligte Menschen an. Ingo Kosick ist zudem ein zentraler Autor und Redakteur auf der Plattform buerger-geld.org, die sich auf Themen wie Bürgergeld, Sozialleistungen, Rente und Kindergrundsicherung spezialisiert hat. Seine Artikel bieten fundierte Analysen und rechtlich aufgearbeitete Informationen, die Menschen in schwierigen Lebenssituationen unterstützen sollen. Durch seine langjährige Erfahrung und sein Engagement hat Ingo Kosick maßgeblich dazu beigetragen, dass sozial benachteiligte Menschen in Deutschland besser informiert und unterstützt werden können.

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  • Peter Kosick
    Experte:

    Peter Kosick hat an der Universität Münster Rechtswissenschaften studiert und beide juristische Staatsexamen in Nordrhein-Westfalen mit Erfolg abgelegt. Er arbeitet als freiberuflicher Jurist, ist Autor verschiedener Publikationen und hält Vorträge im Bereich Arbeits- und Sozialrecht. Seit mehr als 30 Jahren engagiert er sich im sozialen Bereich und ist seit der Gründung des Vereins "Für soziales Leben e.V." dort Mitglied. Peter Kosick arbeitet in der Online Redaktion des Vereins und ist der CvD. Seinen Artikeln sieht man an, dass sie sich auf ein fundiertes juristisches Fachwissen gründen. Peter hat ebenfalls ein Herz für die Natur, ist gern "draußen" und setzt sich für den Schutz der Umwelt ein. Seine Arbeit im Redaktionsteam von buerger-geld.org gibt ihm das Gefühl,  etwas Gutes für das Gemeinwohl zu tun.

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