Das Bundessozialgericht (BSG) hat mit dem Urteil unter dem Aktenzeichen B 7 AS 9/22 R ein wichtiges Signal für alle Empfänger von Bürgergeld (ehemals Hartz IV, zukünftig Neue Grundsicherung) gesetzt. Die Entscheidung betrifft die Auslegung von Ansprüchen auf Leistungen für Bildung und Teilhabe – insbesondere, wie außerschulische Bedarfe für Kinder und Jugendliche zu berücksichtigen sind. Einzelheiten hier auf Bürger & Geld, dem Nachrichten-Magazin des Vereins Für soziales Leben e.V.
Was wurde entschieden?
Im Kern ging es beim Urteil des Bundessozialgerichts um die Frage, inwieweit bestimmte Bedarfe von Kindern aus Familien im Bürgergeldbezug (Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II) als „außerschulische Bedarfe“ anerkannt und damit übernommen werden müssen. Das BSG stellte klar, dass diese Ansprüche als gerichtlich isoliert durchsetzbare Rechte bestehen. Das heißt: Betroffene können solche Leistungen gezielt einklagen, ohne dass sie an andere Streitpunkte gekoppelt werden müssen.
Welcher Bürgergeld – Sachverhalt lag dem Urteil zugrunde?
Dem Urteil des Bundessozialgerichts mit dem Aktenzeichen B 7 AS 9/22 R lag folgender Sachverhalt zugrunde:
Eine Schülerin, deren Eltern Leistungen nach dem SGB II (Bürgergeld, vormals Hartz IV) bezogen, nahm an einer einwöchigen Zirkusprojektwoche teil, die auf dem Gelände ihrer Schule stattfand. Für diese Projektwoche wurde eine Teilnahmegebühr von 10 Euro erhoben. Die Eltern beantragten beim Jobcenter die Übernahme dieser Kosten im Rahmen der Leistungen für Bildung und Teilhabe. Das Jobcenter lehnte den Antrag ab, weil es die Projektwoche nicht als einen „schulischen Bedarf“ im Sinne des SGB II ansah, sondern als außerschulische Aktivität, für die keine Kostenübernahme vorgesehen sei.
Die Familie klagte daraufhin gegen die Ablehnung. In den Vorinstanzen wurde unterschiedlich entschieden, bis der Fall schließlich vor das Bundessozialgericht kam.
Hintergrund: Bildung und Teilhabe im SGB II
Das Bildungspaket im SGB II soll sicherstellen, dass Kinder aus einkommensschwachen Familien gleiche Chancen auf gesellschaftliche Teilhabe erhalten. Dazu zählen Zuschüsse für Schulausflüge, Nachhilfe, Vereinsbeiträge und mehr. Das BSG betonte in seinem Urteil, dass der Gesetzgeber mit diesen Regelungen gezielt die materielle Basis für Chancengerechtigkeit schaffen wollte – und dass die Leistungen nicht auf schulische Zwecke beschränkt sind, sondern auch außerschulische Aktivitäten umfassen.
Bedeutung für die Praxis
- Klarstellung für Jobcenter: Jobcenter müssen bei Anträgen auf Leistungen für Bildung und Teilhabe genau prüfen, ob ein außerschulischer Bedarf vorliegt. Wird ein solcher Bedarf abgelehnt, können Betroffene diesen Anspruch isoliert vor Gericht durchsetzen.
- Stärkung der Rechte von Familien: Das Urteil erleichtert es Familien, gezielt Leistungen für ihre Kinder einzufordern – etwa für Sportvereine, Musikunterricht oder andere Freizeitaktivitäten.
- Chancengleichheit im Fokus: Das BSG unterstreicht, dass der Gesetzgeber mit dem Bildungspaket nicht nur schulische, sondern auch gesellschaftliche Teilhabe fördern wollte.
Fazit
Das Urteil B 7 AS 9/22 R des Bundessozialgerichts kann als ein wichtiger Schritt für mehr Chancengerechtigkeit im Sozialrecht, also der Grundsicherung, gewertet werden. Es stärkt die Position von Familien im Bürgergeldbezug (künftig: Neue Grundsicherung für Arbeitsuchende) und sorgt dafür, dass Kinder und Jugendliche bessere Möglichkeiten zur gesellschaftlichen Teilhabe erhalten. Wer einen außerschulischen Bedarf geltend machen möchte, hat mit dem Urteil ein Argument gewonnen!
Weitere Einzelheiten zum Fall hier: Urteil Bundessozialgericht Bildung und Teilhabe