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“Skandal-Urteil” Bürgergeld: keine neuen Möbel nach Schimmelbefall und Rattenplage vom Jobcenter!!

Ein Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg gleicht in den Augen von Bürgergeld Beziehern einem Skandal. Es sagt, dass Schimmelbefall und Rattenplage allein keinen Anspruch auf Wohnungserstausstattung begründen. Wer bereits Möbel besitzt und diese langsam durch Feuchtigkeit oder Verschleiß unbrauchbar werden, muss Ersatz selbst finanzieren – eine Erstausstattung wird strikt nur bei vollständigem Untergang und plötzlichem Ereignis gewährt!! Die Entscheidungsgründe des Urteils erklären wir in nachfolgendem Artikel auf Bürger & Geld, dem Nachrichtenmagazin des Vereins Für soziales Leben e.V.!

Sachverhalt: Die Geschichte hinter dem – auf den ersten Blick – “unglaublichen” Urteil

Im zugrundeliegenden Verfahren des Landessozialgerichts Baden-Württemberg, Az. L 2 AS 2960/22, beantragte eine Mutter mit Partner und zwei Kindern gegenüber dem Jobcenter die Kostenübernahme für die Erstausstattung ihrer neuen Wohnung. Sie bezog Grundsicherung für Arbeitsuchende (Bürgergeld). Der Auslöser war gravierender Schimmelbefall und Rattenplage in der alten Wohnung, der laut Klägerin zahlreiche Möbelstücke ruinierte. Beim Umzug beantragte die Bedarfsgemeinschaft Leistungen für Küche, Kühlschrank, Wohnzimmermöbel, Schlafzimmer, Kinderzimmer und Couch – insgesamt knapp 2.900 Euro für verschiedene Neuanschaffungen wie Kleiderschrank, Kommoden, Betten und Haushaltsgeräte.

Die Klägerin argumentierte, dass die Möbel nicht einfach verschlissen, sondern infolge des Schimmels bzw. duch Ratten zerstört worden wären. Nachweise wie Fotos wurden teilweise eingereicht. Jedoch lehnten das zuständige Jobcenter und später auch das Instanz-Sozialgericht den Antrag ab.

Rechtliche Einordnung des Anspruchs auf Erstausstattung

Zentrale Norm für die Gewährung der Erstausstattung ist § 24 Abs. 3 SGB II. Laut Gesetz gilt die Erstausstattung als separater Sonderbedarf und nicht als regulärer Bedarf, der über den Regelsatz gedeckt wird. Typische Erstausstattungsfälle sind die Haushaltsgründung, Geburt eines Kindes, oder besondere Ereignisse wie Brand, Hochwasser oder Diebstahl.

Nach ständiger Rechtsprechung müssen für eine Erstausstattung außergewöhnliche und plötzliche Umstände vorliegen, die zum vollständigen Untergang der Haushaltsgegenstände führen. Ein schleichender Prozess wie Verschleiß, oder kontinuierliche Feuchtigkeit und Schimmelbefall ist nach Ansicht der Gerichte jedoch nicht ausreichend.

Die Entscheidung des Landessozialgerichts: Schimmel oder Ratten rechtfertigen keine Sonderzahlung des Jobcenters!

Das Gericht bestätigte die Auffassung der ersten Instanz: Bei einem über längere Zeit entstandenen Schaden durch Schimmel oder Feuchtigkeit handelt es sich nicht um einen plötzlichen Extremfall wie einen Brand oder eine Naturkatastrophe. Auch wenn die Wohnsituation objektiv unzumutbar war, können Betroffene grundsätzlich durch Ansparungen und Vorsorge auf den Ersatz solcher Möbel und Haushaltsgeräte hinarbeiten.

Der Schimmelbefall wurde als absehbarer, schleichender Prozess eingestuft. Einzelne Nachweise für den vollständigen Untergang der Möbel konnten nicht erbracht werden. Sogar für die angeblich unbrauchbare Waschmaschine und Kühlschrank lagen keine ausreichenden Belege vor. Ebenso konnten bis zum Schluss nicht alle betroffenen Möbelstücke als tatsächlich zerstört nachgewiesen werden.

Warum Ersatzbeschaffung keine Erstausstattung ist

Das Gericht bekräftigt den Grundsatz der „bedarfsbezogenen Betrachtung“: Nur wer erstmalig über keine Möbel oder Geräte verfügt, kann eine Erstausstattung für die Wohnung bekommen. Werden bereits vorhandene Gegenstände ersetzt, wird dieser Bedarf im Regelsatz berücksichtigt – es handelt sich also um eine Ersatzbeschaffung. Auch fortlaufende Defekte und normale Abnutzungen erfüllen nicht die Voraussetzungen für eine Erstausstattungsleistung aus der Sozialhilfe.

Was Bürgergeld Bezieher aus dem Urteil lernen müssen

Das Urteil macht deutlich, wie eng die Grenzen der Erstausstattung im Sozialrecht gezogen sind. Nachweise für den plötzlichen Untergang der Wohnungseinrichtung müssen konkret und lückenlos erbracht werden. Ein fortschreitender Schaden über Monate oder Jahre bleibt im Regelfall der Eigenverantwortung und dem Regelsatz vorbehalten und kann nicht über zusätzliche SGB II-Leistungen abgegolten werden. Naturkatastrophen, Diebstahl oder plötzliche Brände hingegen können im Einzelfall einen Anspruch begründen.

Zusammenfassung: Keine neuen Möbel vom Jobcenter, wenn die alten von Schimmel befallen sind

Das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg, Az.: L 2 AS 2960/22, behandelt die Versagung einer Wohnungserstausstattung nach Schimmelbefall. Die Klage einer Mutter wurde abgelehnt, weil die geltend gemachten Möbel und Geräte als Ersatzbeschaffung gelten und keine plötzliche Unbrauchbarkeit vorlag.

Das LSG Baden-Württemberg erklärt, wann eine Erstausstattung gewährt werden kann. Ein schleichender Verfall durch Umwelteinflüsse führt nicht zu einem Anspruch auf diese Sonderleistung. Betroffene müssen mit Ersatzbeschaffungen aus dem Regelsatz kalkulieren.

Redakteure

  • ik

    Sozialrechtsexperte und Redakteur

    Ingo Kosick ist ein renommierter Experte im Bereich des Sozialrechts in Deutschland. Er engagiert sich seit über 30 Jahren in diesem Feld und hat sich als führende Autorität etabliert. Als Vorsitzender des Vereins Für soziales Leben e.V., der 2005 in Lüdinghausen gegründet wurde, setzt er sich für die Unterstützung von Menschen ein, die von Armut und Arbeitslosigkeit betroffen sind. Der Verein bietet über das Internet Informationen, Beratung und Unterstützung für sozial benachteiligte Menschen an. Ingo Kosick ist zudem ein zentraler Autor und Redakteur auf der Plattform buerger-geld.org, die sich auf Themen wie Bürgergeld, Sozialleistungen, Rente und Kindergrundsicherung spezialisiert hat. Seine Artikel bieten fundierte Analysen und rechtlich aufgearbeitete Informationen, die Menschen in schwierigen Lebenssituationen unterstützen sollen. Durch seine langjährige Erfahrung und sein Engagement hat Ingo Kosick maßgeblich dazu beigetragen, dass sozial benachteiligte Menschen in Deutschland besser informiert und unterstützt werden können.

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  • Peter Kosick
    Experte:

    Jurist und Redakteur

    Peter Kosick hat an der Universität Münster Rechtswissenschaften studiert und beide juristische Staatsexamen in Nordrhein-Westfalen mit Erfolg abgelegt. Er arbeitet als freiberuflicher Jurist, ist Autor verschiedener Publikationen und hält Vorträge im Bereich Arbeits- und Sozialrecht. Seit mehr als 30 Jahren engagiert er sich im sozialen Bereich und ist seit der Gründung des Vereins "Für soziales Leben e.V." dort Mitglied. Peter Kosick arbeitet in der Online Redaktion des Vereins und ist der CvD. Seinen Artikeln sieht man an, dass sie sich auf ein fundiertes juristisches Fachwissen gründen. Peter hat ebenfalls ein Herz für die Natur, ist gern "draußen" und setzt sich für den Schutz der Umwelt ein. Seine Arbeit im Redaktionsteam von buerger-geld.org gibt ihm das Gefühl,  etwas Gutes für das Gemeinwohl zu tun.

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