Sachverhalt: Die Geschichte hinter dem – auf den ersten Blick – “unglaublichen” Urteil
Im zugrundeliegenden Verfahren des Landessozialgerichts Baden-Württemberg, Az. L 2 AS 2960/22, beantragte eine Mutter mit Partner und zwei Kindern gegenüber dem Jobcenter die Kostenübernahme für die Erstausstattung ihrer neuen Wohnung. Sie bezog Grundsicherung für Arbeitsuchende (Bürgergeld). Der Auslöser war gravierender Schimmelbefall und Rattenplage in der alten Wohnung, der laut Klägerin zahlreiche Möbelstücke ruinierte. Beim Umzug beantragte die Bedarfsgemeinschaft Leistungen für Küche, Kühlschrank, Wohnzimmermöbel, Schlafzimmer, Kinderzimmer und Couch – insgesamt knapp 2.900 Euro für verschiedene Neuanschaffungen wie Kleiderschrank, Kommoden, Betten und Haushaltsgeräte.
Die Klägerin argumentierte, dass die Möbel nicht einfach verschlissen, sondern infolge des Schimmels bzw. duch Ratten zerstört worden wären. Nachweise wie Fotos wurden teilweise eingereicht. Jedoch lehnten das zuständige Jobcenter und später auch das Instanz-Sozialgericht den Antrag ab.
Rechtliche Einordnung des Anspruchs auf Erstausstattung
Zentrale Norm für die Gewährung der Erstausstattung ist § 24 Abs. 3 SGB II. Laut Gesetz gilt die Erstausstattung als separater Sonderbedarf und nicht als regulärer Bedarf, der über den Regelsatz gedeckt wird. Typische Erstausstattungsfälle sind die Haushaltsgründung, Geburt eines Kindes, oder besondere Ereignisse wie Brand, Hochwasser oder Diebstahl.
Nach ständiger Rechtsprechung müssen für eine Erstausstattung außergewöhnliche und plötzliche Umstände vorliegen, die zum vollständigen Untergang der Haushaltsgegenstände führen. Ein schleichender Prozess wie Verschleiß, oder kontinuierliche Feuchtigkeit und Schimmelbefall ist nach Ansicht der Gerichte jedoch nicht ausreichend.
Die Entscheidung des Landessozialgerichts: Schimmel oder Ratten rechtfertigen keine Sonderzahlung des Jobcenters!
Das Gericht bestätigte die Auffassung der ersten Instanz: Bei einem über längere Zeit entstandenen Schaden durch Schimmel oder Feuchtigkeit handelt es sich nicht um einen plötzlichen Extremfall wie einen Brand oder eine Naturkatastrophe. Auch wenn die Wohnsituation objektiv unzumutbar war, können Betroffene grundsätzlich durch Ansparungen und Vorsorge auf den Ersatz solcher Möbel und Haushaltsgeräte hinarbeiten.
Der Schimmelbefall wurde als absehbarer, schleichender Prozess eingestuft. Einzelne Nachweise für den vollständigen Untergang der Möbel konnten nicht erbracht werden. Sogar für die angeblich unbrauchbare Waschmaschine und Kühlschrank lagen keine ausreichenden Belege vor. Ebenso konnten bis zum Schluss nicht alle betroffenen Möbelstücke als tatsächlich zerstört nachgewiesen werden.
Warum Ersatzbeschaffung keine Erstausstattung ist
Das Gericht bekräftigt den Grundsatz der „bedarfsbezogenen Betrachtung“: Nur wer erstmalig über keine Möbel oder Geräte verfügt, kann eine Erstausstattung für die Wohnung bekommen. Werden bereits vorhandene Gegenstände ersetzt, wird dieser Bedarf im Regelsatz berücksichtigt – es handelt sich also um eine Ersatzbeschaffung. Auch fortlaufende Defekte und normale Abnutzungen erfüllen nicht die Voraussetzungen für eine Erstausstattungsleistung aus der Sozialhilfe.
Was Bürgergeld Bezieher aus dem Urteil lernen müssen
Das Urteil macht deutlich, wie eng die Grenzen der Erstausstattung im Sozialrecht gezogen sind. Nachweise für den plötzlichen Untergang der Wohnungseinrichtung müssen konkret und lückenlos erbracht werden. Ein fortschreitender Schaden über Monate oder Jahre bleibt im Regelfall der Eigenverantwortung und dem Regelsatz vorbehalten und kann nicht über zusätzliche SGB II-Leistungen abgegolten werden. Naturkatastrophen, Diebstahl oder plötzliche Brände hingegen können im Einzelfall einen Anspruch begründen.
Zusammenfassung: Keine neuen Möbel vom Jobcenter, wenn die alten von Schimmel befallen sind
Das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg, Az.: L 2 AS 2960/22, behandelt die Versagung einer Wohnungserstausstattung nach Schimmelbefall. Die Klage einer Mutter wurde abgelehnt, weil die geltend gemachten Möbel und Geräte als Ersatzbeschaffung gelten und keine plötzliche Unbrauchbarkeit vorlag.
Das LSG Baden-Württemberg erklärt, wann eine Erstausstattung gewährt werden kann. Ein schleichender Verfall durch Umwelteinflüsse führt nicht zu einem Anspruch auf diese Sonderleistung. Betroffene müssen mit Ersatzbeschaffungen aus dem Regelsatz kalkulieren.