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Verhütung endlich Teil der Grundsicherung? Kostenübernahme beim Bürgergeld gefordert

Immer mehr Menschen fordern: Die Kosten für Verhütung sollten als Bestandteil der Daseinsvorsorge im Bürgergeld beziehungsweise der neuen Grundsicherung gesetzlich verankert werden. Gerade für Sozialleistungsbeziehende entstehen monatlich teils hohe Ausgaben für sichere Verhütungsmittel, die aus dem ohnehin knappen Regelsatz oft kaum zu stemmen sind. Eine gesetzlich geregelte Kostenübernahme könnte die gesundheitliche Chancengleichheit stärken und das Armutsrisiko durch ungewollte Schwangerschaften senken. Die Hintergründe der Forderung hier auf Bürger & Geld, dem Nachrichtenmagazin des Vereins Für soziales Leben e.V.!

Aktuelle Kosten: Kaum finanzierbar aus dem Regelsatz

Die Realität ist ernüchternd: Wer Bürgergeld oder im nächsten Jahr die neue Grundsicherung für Arbeitsuchende bezieht, muss derzeit die Kosten für Verhütungsmittel in der Regel selbst tragen. Die monatliche Antibabypille kostet zwischen 20 und 25 Euro, eine Spirale mehrere Hundert Euro über mehrere Jahre, Kondome kosten je nach Bedarf bis zu zehn Euro pro Woche. Für Gesundheitspflege sind im Regelsatz jedoch lediglich rund 21,50 Euro vorgesehen – hiervon sollen neben Verhütungsmitteln noch alle übrigen Gesundheitskosten wie Praxisgebühren oder rezeptfreie Medikamente bestritten werden.

Die Folge: Viele Betroffene müssen bei der Wahl der Verhütungsmittel Kompromisse eingehen oder sogar gänzlich darauf verzichten. Gerade für junge Frauen, Alleinerziehende und Menschen mit chronischen Erkrankungen führt das zu erheblichen gesundheitlichen und sozialen Risiken.

Rechtliche Grundlagen und regionale Unterschiede

Medizinisch verschriebene Verhütungsmittel für Frauen unter 22 Jahren werden von der gesetzlichen Krankenversicherung übernommen. Danach endet dieser Anspruch. Sozialhilfe nach SGB XII sieht unter bestimmten Bedingungen eine Kostenübernahme vor, doch die meisten Jobcenter und kommunalen Träger lehnen dies ab. Einige Städte, wie Hannover oder Berlin, gehen mit gutem Beispiel voran und übernehmen die Kosten für ärztlich verschriebene Verhütung nach Antragstellung. In den meisten Regionen bleibt die finanzielle Last jedoch bei den Betroffenen selbst.

Forderung: Verankerung als Anspruch in der neuen Grundsicherung

Fachverbände und Sozialpolitker sprechen sich dafür aus, eine klare gesetzliche Regelung zur Übernahme der Verhütungskosten im Bürgergeld und der neuen Grundsicherung zu schaffen. Damit würde Verhütung als Teil der öffentlichen Daseinsvorsorge und eigenständigen Gesundheitsvorsorge anerkannt. Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen setzen sich schon länger für einen kostenfreien Zugang für Geringverdienende und Sozialleistungsbeziehende ein.

Nunmehr sprechen sich, wie auf lto.de zu lesen ist, auch Prof. Susanne Dern und Prof. Maria Wersig dafür aus, Verhütung als Bestandteil der Daseinsvorsorge im Sozialrecht zu verankern. Bei ihrem Reformvorschlag verweisen sie auf den aktuellen Koalitionsvertrag, in dem es heißt: “Der Zugang zu Verhütungsmitteln gehört zu einer verlässlichen Gesundheitsversorgung.”

Ein solcher gesetzlicher Anspruch hätte zahlreiche Vorteile:

  • Chancengleichheit bei der Familienplanung unabhängig vom Einkommen.
  • Stärkung der Selbstbestimmung, besonders von Frauen und jungen Menschen.
  • Prävention von ungewollten Schwangerschaften und den daraus entstehenden sozialen Folgekosten.

Kritiker monieren allerdings den Verwaltungsaufwand und mahnen eine unbürokratische Umsetzung an. Es braucht transparente, einfache Prozesse und Datenschutzstandards.

Beispiele aus der Praxis und Ausblick

Die Modellregion Hannover zeigt: Ein Antrag auf Kostenübernahme kann unkompliziert gestellt werden. Es genügt ein ärztliches Rezept und die Einsendung der Rechnung; Kondome und nicht-verschreibungspflichtige Mittel sind allerdings meist ausgeschlossen. Diese regionalen Vorbildlösungen werden bundesweit gefordert.

Mit der Einführung der neuen Grundsicherung 2026 könnte eine bundesweite Regelung endlich Realität werden. Gesundheitsverbände, Frauenorganisationen und Sozialverbände appellieren an die Politik, im neuen Gesetzespaket die Kostenübernahme als Teil der Grundsicherung festzuschreiben.

Fazit

Die Aufnahme der Verhütungskosten als festen Bestandteil der Daseinsvorsorge im Bürgergeld und der neuen Grundsicherung ist ein wichtiger Schritt für mehr soziale Gerechtigkeit und medizinische Autonomie. Betroffene wünschen sich längst eine bundesweit geregelte, diskriminierungsfreie Lösung – für ein selbstbestimmtes Leben ohne finanzielle Hürden. Die Debatte zeigt: Die Zeit ist reif für eine Reform.

Redakteure

  • ik

    Sozialrechtsexperte und Redakteur

    Ingo Kosick ist ein renommierter Experte im Bereich des Sozialrechts in Deutschland. Er engagiert sich seit über 30 Jahren in diesem Feld und hat sich als führende Autorität etabliert. Als Vorsitzender des Vereins Für soziales Leben e.V., der 2005 in Lüdinghausen gegründet wurde, setzt er sich für die Unterstützung von Menschen ein, die von Armut und Arbeitslosigkeit betroffen sind. Der Verein bietet über das Internet Informationen, Beratung und Unterstützung für sozial benachteiligte Menschen an. Ingo Kosick ist zudem ein zentraler Autor und Redakteur auf der Plattform buerger-geld.org, die sich auf Themen wie Bürgergeld, Sozialleistungen, Rente und Kindergrundsicherung spezialisiert hat. Seine Artikel bieten fundierte Analysen und rechtlich aufgearbeitete Informationen, die Menschen in schwierigen Lebenssituationen unterstützen sollen. Durch seine langjährige Erfahrung und sein Engagement hat Ingo Kosick maßgeblich dazu beigetragen, dass sozial benachteiligte Menschen in Deutschland besser informiert und unterstützt werden können.

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  • Peter Kosick
    Experte:

    Jurist und Redakteur

    Peter Kosick hat an der Universität Münster Rechtswissenschaften studiert und beide juristische Staatsexamen in Nordrhein-Westfalen mit Erfolg abgelegt. Er arbeitet als freiberuflicher Jurist, ist Autor verschiedener Publikationen und hält Vorträge im Bereich Arbeits- und Sozialrecht. Seit mehr als 30 Jahren engagiert er sich im sozialen Bereich und ist seit der Gründung des Vereins "Für soziales Leben e.V." dort Mitglied. Peter Kosick arbeitet in der Online Redaktion des Vereins und ist der CvD. Seinen Artikeln sieht man an, dass sie sich auf ein fundiertes juristisches Fachwissen gründen. Peter hat ebenfalls ein Herz für die Natur, ist gern "draußen" und setzt sich für den Schutz der Umwelt ein. Seine Arbeit im Redaktionsteam von buerger-geld.org gibt ihm das Gefühl,  etwas Gutes für das Gemeinwohl zu tun.

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