Anspruch auf Krankengeld besteht für dieselbe Erkrankung in der Regel maximal 78 Wochen innerhalb von drei Jahren – doch hinter dieser Zahl steckt ein komplexes System aus Fristen, Diagnosen und Fallstricken, das Betroffene oft erst bemerken, wenn der Zahlungsstopp droht. Wer nicht frühzeitig nachrechnet, Unterlagen sortiert und aktiv nachfragt, riskiert plötzliches Einkommensloch, trotz schwerer Erkrankung – alle Infos findet man hier auf Bürger & Geld, dem Nachrichtenmagazin des Vereins Für soziales Leben e. V..
Krankengeld: Wenn 78 Wochen über Ihr Leben entscheiden
Viele Versicherte merken erst kurz vor dem Ende des Krankengeldes, wie existenziell diese Leistung ist. Plötzlich steht die Frage im Raum: Reichen die 78 Wochen, oder bricht danach die finanzielle Sicherheit weg.
Gleichzeitig herrscht große Unsicherheit über Blockfristen, neue Erkrankungen und die Möglichkeit eines erneuten Anspruchs. Wer hier die Spielregeln der gesetzlichen Krankenversicherung nicht kennt, gerät schnell in Panik – oft völlig unnötig.
Rechtliche Basis: § 48 SGB V
Der Anspruch auf Krankengeld ist in § 48 SGB V geregelt. Dort heißt es, Versicherte erhalten Krankengeld ohne generelle Zeitbegrenzung, aber wegen derselben Krankheit höchstens 78 Wochen innerhalb von drei Jahren.
Die Drei-Jahres-Frist läuft ab dem Tag, an dem die Arbeitsunfähigkeit wegen dieser konkreten Erkrankung erstmals festgestellt wurde. Tritt während der bestehenden Arbeitsunfähigkeit eine weitere Krankheit hinzu, verlängert das die 78 Wochen nicht.
Was die Blockfrist wirklich bedeutet
Die sogenannte Blockfrist beträgt immer genau drei Jahre und beginnt mit dem ersten Tag der ärztlich festgestellten Arbeitsunfähigkeit wegen einer bestimmten Erkrankung. Innerhalb dieser Blockfrist können für dieselbe Krankheit maximal 78 Wochen Krankengeld beansprucht werden.
Nach Ablauf der Blockfrist kann für dieselbe Erkrankung ein neuer Anspruch entstehen, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt sind. Sozialverbände wie der SoVD erläuterten, nach drei Jahren seien grundsätzlich erneut bis zu 78 Wochen Krankengeld denkbar.
78 Wochen: Brutto oder netto?
Formal spricht das Gesetz von 78 Wochen Krankengeld innerhalb der Blockfrist. Praktisch übernimmt der Arbeitgeber oder die Agentur für Arbeit in der Regel die ersten sechs Wochen durch Entgeltfortzahlung oder Leistungsfortzahlung.
Damit bleiben typischerweise rund 72 Wochen übrig, für die tatsächlich die Krankenkasse Krankengeld überweist. Der SoVD schilderte dies anschaulich so, dass die sechs Wochen Lohnfortzahlung in den 78 Wochen bereits enthalten sind.
Wie hoch ist das Krankengeld?
Das Krankengeld beträgt in der Regel 70 Prozent des regelmäßigen Bruttoarbeitsentgelts, aber höchstens 90 Prozent des Nettoentgelts. Arbeitslose erhalten Krankengeld in Höhe der zuletzt bezogenen Lohnersatzleistung, etwa Arbeitslosengeld.
Bei freiwillig versicherten Selbstständigen bemisst sich das Krankengeld nach dem beitragspflichtigen Arbeitseinkommen. Wer früheren Beginn des Krankengeldes absichern will, kann in vielen Kassen über Wahltarife nachsteuern.
Neue Erkrankung: Wann entsteht ein neuer Anspruch?
Tritt eine völlig neue, unabhängige Erkrankung auf, beginnt für diese eine eigene Blockfrist mit erneut bis zu 78 Wochen Krankengeld. Sozialrechtliche Fachportale erklärten, dass dadurch mehrere Blockfristen parallel laufen können.
Entscheidend ist, ob es sich medizinisch um eine eigenständige Diagnose handelt und kein enger Zusammenhang zur bisherigen Krankheit besteht. Besteht ein enger Zusammenhang, etwa Rückenschmerz und Bandscheibenvorfall, wird sie meist als Fortsetzung gewertet.
Hinzugetretene Krankheit ohne Verlängerung
Tritt eine neue Krankheit während einer bestehenden Arbeitsunfähigkeit hinzu, verlängert das die 78 Wochen wegen derselben Krankheit nicht. Häufig wird dann geprüft, ob für die hinzugetretene Erkrankung eine eigene Blockfrist gebildet werden kann.
Fachverlage wie Haufe beschrieben, für hinzugetretene Krankheiten könne eine eigenständige Blockfrist ab Beginn der aktuellen Arbeitsunfähigkeit laufen, sofern die Voraussetzungen erfüllt sind. Dennoch bleibt die ursprüngliche 78-Wochen-Grenze für die erste Erkrankung bestehen.
Neues Krankengeld für dieselbe Krankheit
Wer innerhalb der Blockfrist bereits 78 Wochen Krankengeld wegen derselben Erkrankung ausgeschöpft hat, erhält zunächst kein weiteres Krankengeld für diese Diagnose. Ein neuer Anspruch wird erst mit Beginn eines neuen Dreijahreszeitraums möglich.
§ 48 Absatz 2 SGB V verlangt zusätzlich, dass zwischen den beiden Krankengeldphasen mindestens sechs Monate liegen, in denen entweder gearbeitet, arbeitslos mit Leistungsbezug oder nicht arbeitsunfähig wegen dieser Krankheit war. Sozialrechtler berichteten, erst dann könne die Kasse wieder zahlen.
Typische Fehler: Lücken in der Krankschreibung
Ein häufiger Stolperstein sind Lücken in der AU-Bescheinigung. Der GKV-Spitzenverband wies darauf hin, dass die Arbeitsunfähigkeit nahtlos bescheinigt werden muss, spätestens am letzten Tag der bisherigen AU.
Fehlt nur ein Tag, kann die Krankenkasse die Zahlung einstellen und auf neue Anspruchsvoraussetzungen verweisen. Gerade bei langfristigen Erkrankungen sollte deshalb frühzeitig der Kalender mit den Arztterminen abgeglichen werden.
Tabelle: Blockfrist und Krankengeld im Überblick
| Aspekt | Regelung / Bedeutung |
|---|---|
| Höchstdauer je Krankheit | Maximal 78 Wochen Krankengeld in drei Jahren (Blockfrist). |
| Beginn der Blockfrist | Erster Tag der AU wegen dieser Erkrankung. |
| Lohnfortzahlung Arbeitgeber | In der Regel bis zu sechs Wochen, innerhalb der 78 Wochen. |
| Effektive Krankengelddauer Kasse | Meist rund 72 Wochen Zahlung durch die Kasse. |
| Hinzugetretene Krankheit | Verlängert 78 Wochen nicht; ggf. eigene Blockfrist. |
| Neue, eigenständige Krankheit | Eigener Anspruch mit neuer Blockfrist. |
| Neuer Anspruch gleiche Krankheit | Erst im neuen Dreijahreszeitraum mit 6-Monats-Bedingung. |
| Lückenlose AU | Notwendig für ununterbrochenen Anspruch. |
Wer besonders gefährdet ist
Besonders kritisch ist die 78-Wochen-Grenze bei langwierigen Krebserkrankungen, schweren orthopädischen Leiden und psychischen Erkrankungen. Hier dauert die Arbeitsunfähigkeit oft deutlich länger als die Blockfrist.
Auch Menschen mit mehrfachen Diagnosen, Reha-Aufenthalten und häufigen Klinikwechseln verlieren leicht den Überblick über Fristen und Bescheinigungen. Gerade sie sind auf rechtzeitige, unabhängige Beratung angewiesen.
Krankengeld, Reha und Erwerbsminderung
Läuft das Krankengeld aus, rückt häufig die Frage einer Erwerbsminderungsrente in den Mittelpunkt. Sozialverbände schilderten, dass Krankenkassen Betroffene bei absehbarem Ende des Krankengeldes oft in Richtung Reha oder Rente drängen.
Wird eine Reha als erfolglos bewertet und die Erwerbsfähigkeit als stark gemindert eingeschätzt, prüft die Deutsche Rentenversicherung den Anspruch auf Erwerbsminderungsrente. Übergänge zwischen Krankengeld, Nahtlosigkeitsregelung und Rente sind komplex und sollten frühzeitig geplant werden.
Warum frühzeitige Beratung so wichtig ist
Mehrere Sozialverbände und Beratungsstellen warnten wiederholt, dass Betroffene sich viel zu spät um ihre Krankengeldsituation kümmern. Wer erst kurz vor Ablauf der 78 Wochen reagiert, verschenkt oft Gestaltungsmöglichkeiten.
Sinnvoll ist es, bereits nach einigen Monaten Krankheit eine unabhängige Sozialrechtsberatung aufzusuchen, etwa bei Sozialverbänden, spezialisierten Anwälten oder Beratungsstellen. Dort lassen sich Blockfristen, mögliche neue Ansprüche und Strategien zur Existenzsicherung durchrechnen.
Transparenz und Dokumentation: Das persönliche Krankengeld-Dossier
Um im Krankengeld-Dschungel den Überblick zu behalten, hilft ein eigenes Dossier mit allen relevanten Unterlagen. Dazu gehören AU-Bescheinigungen, Leistungsmitteilungen der Krankenkasse, Entgeltabrechnungen und Schriftverkehr mit Behörden.
Empfehlenswert ist eine einfache Übersicht mit Datum der ersten AU, Beginn der Blockfrist, ausgeschöpften Wochen und voraussichtlichem Ende des Anspruchs. So lassen sich Fehleinschätzungen der Kasse schneller erkennen und gezielt nachfragen.
FAQ zum Krankengeld und den 78 Wochen
Wie lange gibt es Krankengeld für dieselbe Erkrankung?
Für dieselbe Krankheit maximal 78 Wochen innerhalb von drei Jahren, gerechnet ab Beginn der Arbeitsunfähigkeit.
Zählen die sechs Wochen Lohnfortzahlung mit in die 78 Wochen?
Ja, die Entgeltfortzahlung ist in den 78 Wochen enthalten, sodass meist rund 72 Wochen reine Krankengeldzahlung bleiben.
Was ist die Blockfrist?
Die Blockfrist ist ein Dreijahreszeitraum, der mit der ersten AU wegen einer konkreten Krankheit beginnt und in dem die 78 Wochen liegen.
Beginnt bei jeder neuen AU eine neue Blockfrist?
Nein, die Blockfrist bleibt an den ersten AU-Tag der jeweiligen Krankheit gebunden und läuft genau drei Jahre.
Entsteht bei einer neuen Krankheit automatisch ein neuer Anspruch?
Nur wenn es sich um eine eigenständige, medizinisch getrennte Erkrankung ohne engen Zusammenhang zur bisherigen Diagnose handelt.
Kann nach Ausschöpfen der 78 Wochen erneut Krankengeld für dieselbe Krankheit fließen?
Ja, aber erst im neuen Dreijahreszeitraum und nur, wenn mindestens sechs Monate bestimmte Voraussetzungen erfüllt waren.
Was passiert, wenn eine AU-Bescheinigung zu spät verlängert wird?
Dann kann die Krankenkasse den Anspruch unterbrechen oder ablehnen, weil keine lückenlose Krankschreibung vorliegt.
Wo gibt es Hilfe bei Problemen mit Krankengeld und Blockfrist?
Unterstützung bieten Sozialverbände, Fachanwälte für Sozialrecht, unabhängige Beratungsstellen und spezialisierte Beratungsangebote.
Fazit: Wer seine Fristen kennt, schützt seine Existenz
Krankengeld ist mehr als eine Zahl auf dem Kontoauszug – es ist für viele Menschen die letzte stabile Einkommensquelle während schwerer Krankheit. Wer Blockfrist, 78-Wochen-Grenze und die Regeln zu neuen Erkrankungen kennt, kann finanzielle Abstürze verhindern.


