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Pflegegrad 1: Regierung plant Streichung? Das sind die finanziellen Folgen für Pflegebedürftige!

Pflegegrad 1 steht 2025 mehr denn je im Fokus politischer und sozialer Debatten. Angesichts steigender Kosten der Pflegeversicherung und eines drohenden Milliardenlochs prüft die Bundesregierung ernsthaft, diesen Pflegegrad zu streichen. Was bedeutet das für Betroffene und warum wird die Maßnahme so scharf kritisiert? Hier auf Bürger & Geld, dem Nachrichtenmagazin des Vereins Für soziales Leben e.V., ein aktueller Überblick.

Was ist Pflegegrad 1 und was erhalten Versicherte?

Seit 2017 werden Menschen mit nur leichten Beeinträchtigungen der Selbstständigkeit dem Pflegegrad 1 zugeordnet. Ziel war es, auch bei ersten Einschränkungen einen Zugang zu Leistungen der Pflegeversicherung zu ermöglichen – z. B. für Menschen mit Rücken- oder Gelenkerkrankungen, aber auch bei psychischen oder kognitiven Problemen. Die Einordnung erfolgt durch das Neue Begutachtungsassessment (NBA). Betroffene müssen zwischen 12,5 und unter 27 Punkten erreichen, um Pflegegrad 1 zu erhalten.

Mit Pflegegrad 1 erhalten Versicherte:

  • Einen monatlichen Entlastungsbetrag von 131 Euro (seit Januar 2025).
  • Zuschüsse bis 4.180 Euro für wohnumfeldverbessernde Maßnahmen.
  • Pflegehilfsmittel im Wert von bis zu 40 Euro pro Monat.
  • Zugang zu Pflegeberatung und Pflegekursen für Angehörige.

Allerdings: Geldleistungen wie Pflegegeld oder Pflegesachleistungen, Kurzzeitpflege und Verhinderungspflege bleiben Versicherten mit Pflegegrad 1 weiterhin verwehrt. Diese Leistungen werden erst ab Pflegegrad 2 gewährt.

Aktuelle politische Diskussion: Streichung des Pflegegrad 1

Die Bundesregierung denkt aktuell intensiv darüber nach, Pflegegrad 1 ganz abzuschaffen. Hintergrund ist das Defizit der gesetzlichen Pflegeversicherung von rund zwei Milliarden Euro für 2026. Sowohl Union als auch Teile der SPD argumentieren, dass durch die Streichung jährlich bis zu 1,8 Milliarden Euro eingespart werden könnten, wie das Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung schätzt.

Das Reformgremium zum Thema Pflege arbeitet derzeit an einem Konzept, das bis Mitte Oktober 2025 vorgestellt werden soll. Die Streichung des niedrigsten Pflegegrads wäre eine der drastischsten Änderungen seit Jahrzehnten.

Kritik und Widerstand gegen die Streichung

Von Opposition, Sozialverbänden und selbst aus der SPD kommt scharfe Kritik an den Plänen.

  • Der Paritätische Wohlfahrtsverband nennt die Abschaffung ein „fatales Signal“ für Hunderttausende. Rund 863.000 Menschen erhalten aktuell Leistungen aus Pflegegrad 1. Der Verein Für soziales Leben e.V. schließt schi dieser Kritik an!
  • SPD-Gesundheitspolitiker Pantazis lehnt Leistungskürzungen grundsätzlich ab und spricht von einem „unsoliden Vorschlag“.
  • Die Grünen kritisieren, dass Pflegebedürftige jetzt „das Bauernopfer einer misslungenen Haushaltspolitik“ werden sollen und fordern stattdessen eine umfassende Pflegereform.
  • Betroffen wären besonders Senioren, die noch keine umfassende Pflege benötigen und deren Angehörige, die zum Großteil (über 80 Prozent) die Pflege zu Hause organisieren.

Argumente für die Abschaffung von Pflegegrad 1

Befürworter sehen die Streichung als dringend notwendigen Schritt, um die Pflegeversicherung zu stabilisieren:

  • Der Nutzen für die Betroffenen sei gering, da nur wenig konkrete Hilfe ankommt.
  • Die Verwaltungskosten für Beratung, Begutachtung und Organisation stünden in keinem Verhältnis zur Leistung.
  • Durch die Kürzung könnten große Summen eingespart werden, um die höheren Pflegegrade weiter finanzieren zu können.

Auswirkungen für Betroffene im Jahr 2025

Für Pflegebedürftige mit Pflegegrad 1 hätte die Streichung gravierende Folgen:

  • Entlastungsbetrag und Zuschüsse für Wohnungsanpassungen würden entfallen.
  • Präventive Leistungen zur Selbstständigkeit und häuslichen Versorgung wären nicht mehr verfügbar.
  • Angehörige müssten die Kosten selbst tragen, was die Belastung in der häuslichen Pflege weiter erhöht.

Die Regierung will die Streichung aber nur als Teil einer größeren Reform beschließen und berät parallel über weitere Maßnahmen wie die Anpassung von Pflegezeit- und Familienpflegezeitgesetz.

Was hat sich 2025 bei den Leistungen geändert?

Im Zuge der angespannten Finanzlage wurden die Leistungen zwar im Januar 2025 teils um 4,5 Prozent erhöht, um die Belastung für Pflegebedürftige und Familien etwas abzumildern – z. B. beim Entlastungsbetrag, Pflegegeld (ab Pflegegrad 2) und Zuschüssen für wohnumfeldverbessernde Maßnahmen. Dennoch hilft dies den Pflegegrad-1-Empfängern kaum weiter, da die wesentlichen Leistungen weiterhin ausbleiben.

Außerdem wurde der Beitragssatz zur Pflegeversicherung auf 3,6 Prozent angehoben, um kurzfristig Liquidität zu sichern. Mittelfristig reicht das aber nicht aus, wie Experten und Sozialverbände betonen.

Alternativen und Forderungen

Sozialverbände fordern statt einer Streichung Verbesserungen:

  • Schnellere und unbürokratische Hilfe schon bei leichten Einschränkungen.
  • Keine Verschiebung der Probleme durch reine Einsparungen.
  • Prävention und Unterstützung der häuslichen Pflege – gerade hier leisten Angehörige den Löwenanteil.
  • Eine langfristige Pflegereform mit höheren Zuschüssen und klarer Deckelung der Eigenanteile für Pflegekosten.

Fazit zur möglichen Abschaffung von Pflegegrad 1

Pflegegrad 1 war als Einstiegshilfe gedacht, fällt aber 2025 angesichts leerer Kassen und gestiegener Kosten zunehmend aus dem Raster politischer Prioritäten. Wohlfahrtsverbände und Opposition halten die Abschaffung für einen Fehler, der Hunderttausende trifft. Die Debatte um Pflegegrad 1 ist Symbol für die Krise der Pflegeversicherung – umfassendere und nachhaltige Lösungen sind dringend gefragt.

Redakteure

  • ik

    Sozialrechtsexperte und Redakteur

    Ingo Kosick ist ein renommierter Experte im Bereich des Sozialrechts in Deutschland. Er engagiert sich seit über 30 Jahren in diesem Feld und hat sich als führende Autorität etabliert. Als Vorsitzender des Vereins Für soziales Leben e.V., der 2005 in Lüdinghausen gegründet wurde, setzt er sich für die Unterstützung von Menschen ein, die von Armut und Arbeitslosigkeit betroffen sind. Der Verein bietet über das Internet Informationen, Beratung und Unterstützung für sozial benachteiligte Menschen an. Ingo Kosick ist zudem ein zentraler Autor und Redakteur auf der Plattform buerger-geld.org, die sich auf Themen wie Bürgergeld, Sozialleistungen, Rente und Kindergrundsicherung spezialisiert hat. Seine Artikel bieten fundierte Analysen und rechtlich aufgearbeitete Informationen, die Menschen in schwierigen Lebenssituationen unterstützen sollen. Durch seine langjährige Erfahrung und sein Engagement hat Ingo Kosick maßgeblich dazu beigetragen, dass sozial benachteiligte Menschen in Deutschland besser informiert und unterstützt werden können.

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  • Peter Kosick
    Experte:

    Jurist und Redakteur

    Peter Kosick hat an der Universität Münster Rechtswissenschaften studiert und beide juristische Staatsexamen in Nordrhein-Westfalen mit Erfolg abgelegt. Er arbeitet als freiberuflicher Jurist, ist Autor verschiedener Publikationen und hält Vorträge im Bereich Arbeits- und Sozialrecht. Seit mehr als 30 Jahren engagiert er sich im sozialen Bereich und ist seit der Gründung des Vereins "Für soziales Leben e.V." dort Mitglied. Peter Kosick arbeitet in der Online Redaktion des Vereins und ist der CvD. Seinen Artikeln sieht man an, dass sie sich auf ein fundiertes juristisches Fachwissen gründen. Peter hat ebenfalls ein Herz für die Natur, ist gern "draußen" und setzt sich für den Schutz der Umwelt ein. Seine Arbeit im Redaktionsteam von buerger-geld.org gibt ihm das Gefühl,  etwas Gutes für das Gemeinwohl zu tun.

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