Die wachsende Bedeutung privater Pflegevorsorge
Immer mehr Menschen in Deutschland erreichen ein hohes Lebensalter – doch mit zunehmender Lebenserwartung steigt auch das Risiko, pflegebedürftig zu werden. Laut Pflegestatistik des Bundesgesundheitsministeriums sind aktuell rund 5,2 Millionen Menschen in Deutschland auf Pflegeleistungen angewiesen; bis 2055 könnten es über 6,8 Millionen sein.
Die gesetzliche Pflegeversicherung bietet zwar eine Grundabsicherung, deckt aber längst nicht alle Kosten ab. Wer in ein Pflegeheim zieht oder ambulante Dienste in Anspruch nimmt, muss oft mehrere tausend Euro pro Monat aus eigener Tasche zahlen. Eine private Pflegezusatzversicherung soll genau hier einspringen – sie schließt die finanzielle Lücke zwischen tatsächlichem Pflegebedarf und staatlicher Unterstützung.
Wie funktioniert die gesetzliche Pflegeversicherung?
Seit 1995 ist die Pflegeversicherung die fünfte Säule des deutschen Sozialversicherungssystems. Wer gesetzlich krankenversichert ist, ist automatisch auch pflegeversichert. Privatversicherte verfügen über eine entsprechende Pflichtversicherung im Rahmen ihrer privaten Krankenvollversicherung.
Doch was leistet die gesetzliche Pflegeversicherung tatsächlich?
Pflegeleistungen (ab 2025)
Nach der jüngsten Pflegereform 2025 gelten folgende monatliche Leistungsbeträge:
Pflegegrad | Häusliches Pflegegeld (Pflege durch Angehörige) | Vollstationäre Pflege (Pflegeheim) |
---|---|---|
1 | 125 € Entlastungsbetrag | 0 € |
2 | 332 € | 805 € |
3 | 572 € | 1.319 € |
4 | 764 € | 1.855 € |
5 | 946 € | 2.096 € |
Quelle: Bundesgesundheitsministerium, SGB XI § 36 und § 43
Doch die Realität zeigt: Die tatsächlichen Pflegekosten sind weit höher. Wer vollstationär gepflegt wird, zahlt im Schnitt 2.500 bis 3.500 Euro monatlich extra – je nach Region und Pflegegrad. Das kann schnell zum finanziellen Risiko für Betroffene und Angehörige werden.
Der Eigenanteil: Warum Pflege schnell teuer wird
Selbst mit den gesetzlichen Zuschüssen bleibt der Eigenanteil in einem Pflegeheim hoch. Zum Beispiel:
- In Bayern liegt er bei durchschnittlich 2.850 Euro im Monat,
- in Nordrhein-Westfalen bei rund 2.500 Euro,
- und selbst in Sachsen-Anhalt, dem günstigsten Bundesland, noch bei etwa 1.900 Euro.
Diese Beträge umfassen Unterkunft, Verpflegung, Investitionskosten und Eigenanteile an der pflegerischen Versorgung. Viele Pflegebedürftige müssen daher ihr Ersparnisse aufzehren oder gar ihre Immobilien verkaufen.
Reichen die Mittel nicht, springt das Sozialamt ein – doch dann können auch Angehörige unterhaltspflichtig werden. Seit 2020 gilt zwar, dass nur Kinder mit einem Jahreseinkommen über 100.000 Euro zur Zahlung herangezogen werden, doch auch diese Regelung schützt längst nicht alle Familien.
Was eine private Pflegezusatzversicherung leistet
Eine private Pflegezusatzversicherung ergänzt die gesetzliche Pflegepflichtversicherung, indem sie zusätzliche finanzielle Leistungen im Pflegefall gewährt. Sie kann helfen, Eigenanteile zu senken, Angehörige zu entlasten und Vermögen zu erhalten.
Drei Hauptvarianten stehen zur Wahl:
1. Pflegetagegeldversicherung
Diese Variante zahlt im Pflegefall einen vertraglich vereinbarten Betrag pro Tag – zum Beispiel 50 €, 75 € oder 100 € täglich – abhängig vom Pflegegrad.
- Vorteil: völlig freie Verwendung des Geldes (etwa für Eigenanteile, Haushaltshilfen oder Freizeitgestaltung).
- Nachteil: wer jünger ist, zahlt über Jahre regelmäßig ein; der Schutz greift nur bei Pflegebedürftigkeit.
2. Pflegekostenversicherung
Hier werden konkret die tatsächlich anfallenden Pflegekosten (z. B. Pflegeheim, ambulante Dienste) bis zu einem bestimmten Prozentsatz übernommen.
- Vorteil: passgenaue Erstattung von Rechnungen.
- Nachteil: Nachweis der Pflegekosten erforderlich, weniger flexibel bei familiärer Pflege.
3. Pflegerentenversicherung
Sie kombiniert eine private Rentenversicherung mit einem Pflege-Baustein. Tritt Pflegebedürftigkeit ein, wird eine monatliche Rente ausgezahlt.
- Vorteil: garantierte Auszahlung, auch bei leichter Pflegebedürftigkeit.
- Nachteil: verhältnismäßig teuer; Rendite oft geringer als bei reinen Rentenprodukten.
Je nach Versicherungsunternehmen und Tarif können auch Mischformen existieren – etwa Tarife, die ab Pflegegrad 2 einen festen Betrag zahlen und ab Pflegegrad 4 oder 5 höhere Sätze.
Zuschüsse und Förderungen: Der Pflege-Bahr
Um die private Vorsorge attraktiver zu machen, führte der Staat bereits 2013 den sogenannten Pflege-Bahr ein – eine staatlich geförderte Pflegezusatzversicherung.
- Die Versicherung ist ohne Gesundheitsprüfung abschließbar.
- Der Staat zahlt einen monatlichen Zuschuss von 5 Euro, wenn der Versicherte mindestens 10 Euro selbst einzahlt.
- Voraussetzung: Es dürfen keine bestehenden Pflegebedürftigkeit oder Pflegestufen vorliegen.
Trotz der Förderung ist der Pflege-Bahr nicht unumstritten. Verbraucherschützer bemängeln die geringen Leistungen im Verhältnis zu den Beiträgen. Sinnvoll kann er aber für junge, gesunde Menschen sein, die sich günstig absichern möchten.
Warum frühe Vorsorge entscheidend ist
Je früher eine private Pflegeversicherung abgeschlossen wird, desto günstiger sind die monatlichen Beiträge.
Beispielrechnung:
- Eintrittsalter 30 Jahre: ca. 20–25 € Beitrag im Monat
- Eintrittsalter 50 Jahre: ca. 45–60 € monatlich
- Eintrittsalter 60 Jahre: über 90–100 € monatlich
Zudem gilt: Wer jung und gesund ist, wird meist ohne Risikozuschläge angenommen. Im höheren Alter oder bei Vorerkrankungen kann die Versicherung den Antrag ablehnen oder Leistungszuschläge verlangen.
Eine frühe Entscheidung sichert also nicht nur niedrigere Kosten, sondern oft auch überhaupt den Zugang zum Versicherungsschutz.
Was kostet Pflege wirklich?
Die durchschnittlichen Pflegekosten hängen von Pflegegrad, Region und Pflegeform ab.
Ambulante Pflege:
Für Pflegegrad 4 liegen die monatlichen Gesamtkosten im bundesweiten Schnitt bei etwa 2.800 Euro, von denen rund 1.800 Euro von der Pflegekasse übernommen werden.
Stationäre Pflege:
Bei Pflegegrad 4 entstehen rund 4.500–5.000 Euro monatlich; die Kasse zahlt höchstens 1.855 Euro. Der Eigenanteil liegt also schnell bei über 3.000 Euro im Monat.
Selbst wer privat vorsorgt, kann hierdurch massive finanzielle Entlastung erfahren. Schon eine Zusatzversicherung von 1.500 € monatlicher Leistung kann die Eigenkosten halbieren.
Für wen lohnt sich eine Pflegezusatzversicherung?
- Berufstätige zwischen 30 und 55 Jahren: ausreichendes Einkommen, noch moderate Beiträge.
- Familien mit Immobilienbesitz: zur Sicherung des Eigenheims und des Erbes.
- Selbstständige: da für sie keine automatische Arbeitgeberbeteiligung an Pflegekosten besteht.
- Jüngere Singles: finanzielle Unabhängigkeit und geringer Beitrag.
Nicht sinnvoll ist sie manchmal für Bezieher sehr niedriger Einkommen, die ohnehin Anspruch auf Sozialhilfe hätten. Auch ältere Menschen mit schweren Vorerkrankungen zahlen oft überproportionale Prämien.
Worauf beim Abschluss einer Pflegezusatzversicherung zu achten ist
- Leistungsumfang:
Wie viel zahlt die Versicherung in welchem Pflegegrad? Achten Sie auf klare Staffelungen. - Dynamik:
Gute Verträge erhöhen Zahlungen automatisch an die Inflation angepasst (Beitragsdynamik). - Karenzzeiten:
Manche Anbieter zahlen erst nach 3 bis 6 Monaten. Kurze oder keine Karenzzeit ist besser. - Weltweiter Versicherungsschutz:
Wer im Alter im Ausland lebt, sollte prüfen, ob die Leistungen dort weiter gelten. - Vertragskündigung:
Versicherungen dürfen nicht einfach kündigen, wenn Pflegebedürftigkeit eintritt. - Nachlassregelungen:
Manche Tarife enthalten eine Rückzahlung, wenn die versicherte Person kurz nach Vertragsbeginn verstirbt. - Verhältnis Beitrag-Leistung:
Nicht der billigste Tarif ist automatisch der beste – entscheidend ist die Balance zwischen Kosten und realistischem Bedarf.
Beispielhafte Tarife 2025
Anbieter | Tarifart | Pflegegrad 5 Auszahlung | Monatlicher Beitrag (Alter 40) |
---|---|---|---|
Allianz Pflegetagegeld | Pflegetagegeld | 60 €/Tag = 1.800 €/Monat | ca. 38 € |
DKV PflegePremium | Pflegekosten | 80 % der Kosten bis max. 2.500 € | ca. 45 € |
Barmenia CarePro | Pflegerente | 1.500 €/Monat lebenslang | ca. 52 € |
Pflege-Bahr (Allianz) | staatlich gefördert | max. 600 €/Monat | ca. 10 € (5 € Eigenanteil) |
Quelle: Pflegeversicherung-Vergleich 2025, Check24
Solche Unterschiede zeigen: Ein persönlicher Vergleich lohnt sich dringend.
Welche Variante passt zu welchem Lebensmodell?
Lebenssituation | Empfohlene Versicherung | Begründung |
---|---|---|
Junger Angestellter (30 J.) | Pflegetagegeld | niedrige Beiträge, flexibler Einsatz |
Selbstständiger (45 J.) | Pflegekostenversicherung | steuerlich absetzbar, variable Leistung |
Familie mit Immobilie | Pflegerente | Vermögensschutz, stabile Auszahlung |
Rentner (65 J.) | Pflege-Bahr | einfacher Einstieg ohne Gesundheitsprüfung |
Steuerliche Behandlung der Pflegezusatzversicherung
Beiträge zu einer privaten Pflegezusatzversicherung gelten als Vorsorgeaufwendungen und können bis zu den allgemeinen Höchstbeträgen nach § 10 EStG steuerlich abgesetzt werden.
Zudem sind ausgezahlte Leistungen im Pflegefall steuerfrei, da sie kein Einkommen im Sinne des Gesetzes darstellen. Für viele Versicherte bedeutet das: finanzielle Sicherheit ohne spätere steuerliche Belastung.
Staatliche Unterstützung und Kombi-Angebote
Einige Bundesländer oder Arbeitgeber fördern auch eigene Zusatzlösungen. In Bayern und Schleswig-Holstein gibt es Firmenkooperationen mit Versicherern, die Gruppenrabatte oder Zuschüsse gewähren.
Auch über betriebliche Pflegevorsorgekonzepte können Arbeitnehmer Leistungsbausteine günstig erhalten – eine Entwicklung, die in den kommenden Jahren laut Wirtschaftsforschern stark zunehmen wird.
Tipps für den Vergleich von Pflegezusatzversicherungen
- Nutzen Sie unabhängige Vergleichsportale wie Finanztip, Check24 oder Stiftung Warentest.
- Prüfen Sie das Verhältnis zwischen Tagessatz und Beitrag.
- Achten Sie auf das Risikoeintrittsalter – je früher versichert, desto günstiger.
- Lesen Sie Kundenbewertungen: Servicequalität ist ein oft unterschätzter Faktor.
- Fragen Sie nach Leistung bei Demenz – viele Tarife unterscheiden hier nach Pflegeursache.
Fazit: Früh vorsorgen bedeutet später Freiheit
Die gesetzliche Pflegeversicherung sichert nur das Allernötigste. Wer im Alter nicht auf staatliche Hilfe oder die Unterstützung der eigenen Kinder angewiesen sein will, sollte frühzeitig eine private Pflegezusatzversicherung in Betracht ziehen.
Das Motto lautet: „Früh vorsorgen, später entlasten.“
- Junge Menschen profitieren von niedrigen Beiträgen.
- Familien sichern ihr Vermögen vor hohen Pflegekosten.
- Selbstständige schützen ihre finanzielle Unabhängigkeit.
So wird eine private Pflegezusatzversicherung nicht nur zur finanziellen Entlastung im Alter, sondern auch zur Ruhestandsvorsorge mit Selbstbestimmung – ein Schutzschild gegen die Unsicherheit einer alternden Gesellschaft.