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Wer schließt die Boomer-Lücke? Deutschlands drohender Arbeitskräftemangel

Die geburtenstarken Jahrgänge gehen in den Ruhestand – und hinterlassen eine Lücke, die für Deutschland zur Existenzfrage werden könnte. Holger Schäfer vom Institut der Deutschen Wirtschaft warnt davor, dass die jungen Generationen den Ausfall der Babyboomer nicht auffangen können. Wer übernimmt also die Arbeit, wenn Millionen Fachkräfte gleichzeitig fehlen? Antworten, Analysen und Lösungsansätze dazu lesen Sie bei Bürger & Geld, dem Nachrichtenmagazin des Vereins Für soziales Leben e. V..

Deutschland steht vor einem historischen Umbruch auf dem Arbeitsmarkt. In den kommenden Jahren verabschieden sich die geburtenstarken Babyboomer in den Ruhestand. Doch während ihre Plätze frei werden, rücken weniger junge Menschen nach. Die Frage, die Holger Schäfer vom arbeitgebernahen Institut der Deutschen Wirtschaft (IW) aufwirft, ist von zentraler Bedeutung: „Wer macht eigentlich die Arbeit, wenn die Babyboomer gehen?“ Die möglichen Antworten entscheiden darüber, ob Deutschland seine wirtschaftliche Stärke halten kann oder gravierende Einbußen drohen.

Die Dimension des Problems

Die Babyboomer, geboren zwischen 1955 und 1969, stellen die stärkste Generation auf dem deutschen Arbeitsmarkt. Rund 13 Millionen Erwerbstätige aus diesen Jahrgängen werden bis 2035 in den Ruhestand gehen. Das entspricht einem Viertel aller aktuell Beschäftigten. Da die nachfolgenden Jahrgänge deutlich kleiner sind, entsteht eine sogenannte „Boomer-Lücke“. Die Auswirkungen dieses demografischen Wandels beschreibt das Institut der Deutschen Wirtschaft (IW) in einer aktuellen Analyse sehr deutlich.

Die Auswirkungen sind branchenübergreifend zu spüren:

  • Pflege, Gesundheitswesen und Bildung drohen noch stärkere Fachkräftemängel.
  • Industrie und Handwerk verlieren erfahrene Facharbeiter.
  • Der öffentliche Dienst läuft Gefahr, Wissensträger und Verwaltungserfahrung zu verlieren.

Lösungsansatz 1: Längeres Arbeiten bis 70

Eine häufiger diskutierte Lösung ist, das Renteneintrittsalter anzuheben, damit die Boomer länger arbeiten. Arbeitsmarktexperten verweisen auf den demografischen Druck und die finanziellen Belastungen der Rentenkassen. Doch in der Praxis gibt es Hürden:

  • Gesundheitliche Belastung: Viele Arbeitnehmer in körperlich anstrengenden Berufen sind kaum in der Lage, bis 70 zu arbeiten.
  • Akzeptanzproblem: Eine generelle Rentenaltererhöhung stößt in der Gesellschaft auf Widerstand.
  • Ungleichheit: Längeres Arbeiten fällt Akademikern meist leichter als Beschäftigten in manuellen Tätigkeiten.

Lösungsansatz 2: Höhere Erwerbsbeteiligung im Inland

Ein zweiter Ansatz ist, bisher ungenutzte Arbeitskräftepotenziale besser einzubeziehen:

  • Mehr Frauen in Vollzeitbeschäftigung durch Ausbau von Kinderbetreuung und Vereinbarkeitsmaßnahmen.
  • Erwerbsintegration älterer Beschäftigter durch flexible Modelle wie Altersteilzeit oder Homeoffice.
  • Nutzung der Kompetenzen von Menschen mit Migrationshintergrund und Geflüchteten durch gezielte Qualifizierungsprogramme.

Lösungsansatz 3: Zuwanderung von Fachkräften

Fachkräfteeinwanderung gilt als einer der zentralen Schlüssel. Ohne gezielte Anwerbung von Arbeitskräften aus dem Ausland wird Deutschland die Boomer-Lücke kaum schließen können. Die Bundesregierung will mit dem Fachkräfteeinwanderungsgesetz attraktivere Bedingungen schaffen, damit qualifizierte Kräfte nach Deutschland kommen. Entscheidend sind dabei:

  • Bürokratieabbau bei Visa-Verfahren.
  • Anerkennung ausländischer Abschlüsse.
  • Sprach- und Integrationsangebote.

Lösungsansatz 4: Produktivität und Digitalisierung steigern

Da die Zahl der Erwerbstätigen sinken wird, führt langfristig kein Weg an einer höheren Produktivität vorbei. Digitalisierung, Automatisierung und Künstliche Intelligenz können helfen, den Rückgang an Arbeitskräften teilweise zu kompensieren. Besonders in Bereichen wie Verwaltung, Logistik oder Industrie eröffnet dies Chancen, Effizienzgewinne zu erzielen und menschliche Arbeitskraft zu entlasten.

Lösungsansätze zur Boomer-Lücke im Überblick

LösungsansatzVorteileNachteile / Herausforderungen
Längeres Arbeiten bis 70– Entlastung der Rentenkassen
– Nutzung von Erfahrung und Wissen älterer Arbeitnehmer
– Bessere Altersvorsorge für Betroffene
– Gesundheitlich oft nicht umsetzbar
– Ungleichheit zwischen Akademikern und körperlich Arbeitenden
– Gesellschaftlich wenig akzeptiert
Höhere Erwerbsbeteiligung im Inland– Aktivierung brachliegender Potenziale (Frauen, Ältere, Migranten)
– Stärkung sozialer Teilhabe
– Verbesserte Integration
– Bedarf an politischem Willen und Investitionen (z. B. Kinderbetreuung)
– Längere Umsetzungsdauer
– Teilweise Widerstände im Arbeitsmarkt
Gezielte Fachkräfteeinwanderung– Schnelle Entlastung bei Engpässen
– Internationale Konkurrenzfähigkeit
– Positiver Effekt auf Sozialsysteme
– Bürokratische Hürden
– Sprach- und Integrationsbarrieren
– Abhängigkeit von globalem Wettbewerb um Fachkräfte
Digitalisierung & Produktivitätssteigerung– Hebt Effizienz und Wettbewerbsfähigkeit
– Entlastung von Routineaufgaben
– Weniger menschliche Arbeitskraft nötig
– Hohe Investitionskosten
– Gefahr von Jobverlusten in Teilbereichen
– Fachkräfte für Digitalisierung selbst knapp

Gesellschaftliche Dimension

Die Boomer-Lücke betrifft nicht nur Wirtschaft und Arbeitsmarkt, sondern das gesamte soziale Gefüge. Sinkende Beitragszahler belasten Renten-, Kranken- und Pflegeversicherung. Gleichzeitig steigt die Erwartung an eine funktionierende Infrastruktur, Bildung und Pflege. Ohne umfassende Reformen könnten Generationenkonflikte und soziale Spannungen zunehmen.

Fazit

Die Boomer-Lücke ist kein fernes Zukunftsproblem, sondern Realität, die in den nächsten zehn Jahren spürbar wird. Holger Schäfer vom Institut der Deutschen Wirtschaft hat recht: Die Frage „Wer macht eigentlich die Arbeit?“ ist für Deutschland existenziell. Eine einzelne Lösung reicht nicht aus. Notwendig ist ein Maßnahmenmix – von mehr Fachkräftezuwanderung über eine bessere Integration vorhandener Arbeitskräfte bis hin zu technologischen Innovationen. Nur wer jetzt handelt, kann verhindern, dass der Fachkräftemangel Wohlstand, Sozialsysteme und gesellschaftlichen Zusammenhalt gefährdet.

Redakteure

  • Peter Kosick

    Jurist und Redakteur

    Peter Kosick hat an der Universität Münster Rechtswissenschaften studiert und beide juristische Staatsexamen in Nordrhein-Westfalen mit Erfolg abgelegt. Er arbeitet als freiberuflicher Jurist, ist Autor verschiedener Publikationen und hält Vorträge im Bereich Arbeits- und Sozialrecht. Seit mehr als 30 Jahren engagiert er sich im sozialen Bereich und ist seit der Gründung des Vereins "Für soziales Leben e.V." dort Mitglied. Peter Kosick arbeitet in der Online Redaktion des Vereins und ist der CvD. Seinen Artikeln sieht man an, dass sie sich auf ein fundiertes juristisches Fachwissen gründen. Peter hat ebenfalls ein Herz für die Natur, ist gern "draußen" und setzt sich für den Schutz der Umwelt ein. Seine Arbeit im Redaktionsteam von buerger-geld.org gibt ihm das Gefühl,  etwas Gutes für das Gemeinwohl zu tun.

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  • ik
    Experte:

    Sozialrechtsexperte und Redakteur

    Ingo Kosick ist ein renommierter Experte im Bereich des Sozialrechts in Deutschland. Er engagiert sich seit über 30 Jahren in diesem Feld und hat sich als führende Autorität etabliert. Als Vorsitzender des Vereins Für soziales Leben e.V., der 2005 in Lüdinghausen gegründet wurde, setzt er sich für die Unterstützung von Menschen ein, die von Armut und Arbeitslosigkeit betroffen sind. Der Verein bietet über das Internet Informationen, Beratung und Unterstützung für sozial benachteiligte Menschen an. Ingo Kosick ist zudem ein zentraler Autor und Redakteur auf der Plattform buerger-geld.org, die sich auf Themen wie Bürgergeld, Sozialleistungen, Rente und Kindergrundsicherung spezialisiert hat. Seine Artikel bieten fundierte Analysen und rechtlich aufgearbeitete Informationen, die Menschen in schwierigen Lebenssituationen unterstützen sollen. Durch seine langjährige Erfahrung und sein Engagement hat Ingo Kosick maßgeblich dazu beigetragen, dass sozial benachteiligte Menschen in Deutschland besser informiert und unterstützt werden können.

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