Für soziales Leben e. V.

gemeinnützig & unabhängig

Stand:

Autor: Experte:

BSG Urteil Rente: Steuertricks für Anrechnung von Einkommen auf Witwenrente nicht erlaubt

Das BSG-Urteil dreht sich um die Anrechnung von Arbeitseinkommen bei der Witwenrente und konkret darum, ob steuerliche Verlustrückträge oder -Verlustvorträge bei der Berechnung des anzurechnenden Einkommens berücksichtigt werden müssen. Alle Einzelheiten in nachfolgendem Artikel auf Bürger & Geld, dem Nachrichtenmagazin des Vereins Für soziales Leben e.V.!

Hintergrund des Rechtsstreits

Im Mittelpunkt stand eine Klägerin, die eine große Witwenrente bezog und nebenher einen Gewerbebetrieb als Schaustellerin führte. Nachdem die Rentenversicherung Kenntnis über erzielte Einkünfte aus Gewerbebetrieb ab 2007 erhielt, hob sie die Bewilligung der Witwenrente teilweise auf und forderte überzahlte Leistungen zurück. Die Klägerin wandte sich gerichtlich gegen die Rückforderung und trug vor, dass im Rahmen der Einkommensanrechnung auch steuerliche Verlustrückträge und Verlustvorträge berücksichtigt werden müssten.

Die rechtliche Frage

Es ging insbesondere um die Auslegung des § 15 Abs. 1 Satz 1 SGB IV und dessen Verweis auf die steuerlichen Gewinnermittlungsvorschriften. Die Klägerin argumentierte, dass bei der Berechnung des Arbeitseinkommens gemäß den steuerrechtlichen Vorgaben (insbesondere § 10d EStG, Verlustrücktrag und Verlustvortrag) auch negative Einkünfte früherer Jahre angerechnet werden sollten, um die tatsächliche wirtschaftliche Leistungsfähigkeit korrekt abzubilden.

Das Landessozialgericht und das BSG mussten entscheiden:

  • Werden Verlustrückträge und Verlustvorträge nach Steuerrecht bei der Witwenrente anerkannt?
  • Findet die steuerrechtliche Systematik vollumfänglich Anwendung bei der rentenrechtlichen Einkommensanrechnung?

Die Urteilsbegründung: Trennung von Rentenrecht und Steuerrecht

Das BSG bestätigte, dass steuerliche Verlustrückträge und -vorträge keine Berücksichtigung in der rentenrechtlichen Einkommensanrechnung finden. Das Gericht stellte klar:

  • § 15 SGB IV verweist auf die allgemeinen steuerrechtlichen Vorschriften zur Gewinnermittlung, nicht aber auf Sonderregelungen wie den Verlustrücktrag nach § 10d EStG.
  • Die Witwenrente dient als Unterhaltsersatz für den aktuellen Zeitraum. Deshalb kommt es auf das tatsächlich im Anrechnungsmonat erzielte Einkommen an und nicht auf eine Verrechnung von Gewinnen und Verlusten aus anderen Zeiträumen.
  • Der Zweck der Witwenrente ist nicht ein Ausgleich für frühere Vermögensverluste, sondern die Sicherstellung des laufenden Unterhalts.

Die konkrete Entscheidung des BSG zur Einkommensanrechnung

Die von der Klägerin ab 2007 erzielten Einkünfte wurden zu Recht auf ihre große Witwenrente angerechnet. Dadurch entfiel der Anspruch auf Rentenzahlung für die Zeit ab dem 1.1.2007 im festgesetzten Umfang. Das Gericht betonte ausdrücklich, dass bei der Einkommensanrechnung das tatsächlich erzielte monatliche Einkommen maßgeblich ist, und nicht ein durch Verlustverrechnung reduzierter Betrag.

Auswirkungen auf die Praxis

Das Urteil führt zu Klarheit für Hinterbliebene mit eigenen Einkünften, insbesondere aus selbstständiger Tätigkeit:

  • Bei schwankenden Gewinnen ist eine Verrechnung von Vorjahresverlusten für das im Rentenrecht relevante Einkommen nicht möglich.
  • Das reale Einkommen eines Monats ist für die Anrechnung auf die Witwenrente entscheidend.
  • Die jährliche oder mehrjährige Verlustverrechnung nach Steuerrecht kann nicht auf die Witwenrente übertragen werden.

Fazit zum BSG-Urteil zur Witwenrente

Mit diesem Urteil schließt das BSG eine Lücke in der rentenrechtlichen Praxis und grenzt deutlich zwischen Einkommensermittlung nach Steuerrecht und der Anrechenbarkeit auf die Witwenrente ab. Für Betroffene bedeutet das, dass eigene Verluste aus der gewerblichen Tätigkeit vergangener Jahre nicht dazu dienen können, die Witwenrente im aktuellen Bezugsmonat zu sichern. Das Gericht stellt damit den Grundsatz auf, dass der sozialrechtliche Unterhaltsersatz stets den aktuellen Lebensmonat betrifft – und steuerrechtliche Verlustvorträge keine Rolle spielen.

Quelle

Urteil Bundessozialgericht Az. B 5 R 3/23 R auf bund.de

Redakteure

  • ik

    Sozialrechtsexperte und Redakteur

    Ingo Kosick ist ein renommierter Experte im Bereich des Sozialrechts in Deutschland. Er engagiert sich seit über 30 Jahren in diesem Feld und hat sich als führende Autorität etabliert. Als Vorsitzender des Vereins Für soziales Leben e.V., der 2005 in Lüdinghausen gegründet wurde, setzt er sich für die Unterstützung von Menschen ein, die von Armut und Arbeitslosigkeit betroffen sind. Der Verein bietet über das Internet Informationen, Beratung und Unterstützung für sozial benachteiligte Menschen an. Ingo Kosick ist zudem ein zentraler Autor und Redakteur auf der Plattform buerger-geld.org, die sich auf Themen wie Bürgergeld, Sozialleistungen, Rente und Kindergrundsicherung spezialisiert hat. Seine Artikel bieten fundierte Analysen und rechtlich aufgearbeitete Informationen, die Menschen in schwierigen Lebenssituationen unterstützen sollen. Durch seine langjährige Erfahrung und sein Engagement hat Ingo Kosick maßgeblich dazu beigetragen, dass sozial benachteiligte Menschen in Deutschland besser informiert und unterstützt werden können.

    Alle Beiträge ansehen Ingo Kosick
  • Peter Kosick
    Experte:

    Jurist und Redakteur

    Peter Kosick hat an der Universität Münster Rechtswissenschaften studiert und beide juristische Staatsexamen in Nordrhein-Westfalen mit Erfolg abgelegt. Er arbeitet als freiberuflicher Jurist, ist Autor verschiedener Publikationen und hält Vorträge im Bereich Arbeits- und Sozialrecht. Seit mehr als 30 Jahren engagiert er sich im sozialen Bereich und ist seit der Gründung des Vereins "Für soziales Leben e.V." dort Mitglied. Peter Kosick arbeitet in der Online Redaktion des Vereins und ist der CvD. Seinen Artikeln sieht man an, dass sie sich auf ein fundiertes juristisches Fachwissen gründen. Peter hat ebenfalls ein Herz für die Natur, ist gern "draußen" und setzt sich für den Schutz der Umwelt ein. Seine Arbeit im Redaktionsteam von buerger-geld.org gibt ihm das Gefühl,  etwas Gutes für das Gemeinwohl zu tun.

    Alle Beiträge ansehen Peter Kosick

Hinweis zur Redaktion und zum Faktencheck
Die Redaktion von Bürger & Geld prüft sämtliche Artikel vor Veröffentlichung sorgfältig nach aktuellen gesetzlichen Grundlagen, offiziellen Statistiken und seriösen Quellen wie Bundesministerien, Sozialverbänden und wissenschaftlichen Studien. Unser Redaktionsteam besteht aus erfahrenen Fachautorinnen für Sozialpolitik, die alle Inhalte regelmäßig überarbeiten und aktualisieren. Jeder Text durchläuft einen strukturierten Faktencheck-Prozess sowie eine redaktionelle Qualitätssicherung, um höchste Genauigkeit und Transparenz zu gewährleisten. Bei allen wesentlichen Aussagen werden Primärquellen direkt im Fließtext verlinkt. Die Unabhängigkeit von Werbung und Drittinteressen sichert neutralen Journalismus – zum Schutz unserer Leserinnen und zur Förderung der öffentlichen Meinungsbildung.


Verantwortlich für die Inhalte auf dieser Seite: Redaktion des Vereins Für soziales Leben e. V. – Ihre Experten rund um Soziale Sicherheit und Altersvorsorge.