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EM-Rente: Wie die Zurechnungszeit für deutlich mehr Geld sorgt

Die Erwerbsminderungsrente (EM-Rente) ist eine wichtige finanzielle Absicherung für Menschen, die aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr oder nur noch eingeschränkt arbeiten können. Ein entscheidender Faktor für die Höhe dieser Rente ist die sogenannte Zurechnungszeit. Sie sorgt dafür, dass Rentenversicherte so gestellt werden, als hätten sie bis zu einem bestimmten Alter weitergearbeitet – selbst wenn die Erwerbsminderung früh eintritt. In diesem Artikel von Bürger & Geld, dem Nachrichtenmagazin des Verein Für soziales Leben e. V., erfahren Sie alle Details.

Die Erwerbsminderungsrente ist eine bedeutende soziale Leistung, die den Lebensunterhalt vieler Menschen in Deutschland sichert. Besonders bei einem frühen Eintritt in die Erwerbsminderung kann ohne die Zurechnungszeit die Rente sehr niedrig ausfallen. Umso wichtiger ist es, dieses Konzept zu verstehen und zu wissen, wie es sich auf die Rentenhöhe auswirkt.

Was ist die Zurechnungszeit bei der EM-Rente?

Die Zurechnungszeit ist eine fiktive Versicherungszeit, die der gesetzlichen Rentenversicherung zufolge automatisch mitgerechnet wird, wenn eine Erwerbsminderung eintritt. Damit wird so getan, als ob die betroffene Person bis zu einem festgelegten Alter weiter Beiträge gezahlt hätte.

  • Für den Rentenzugang ab 2024 wird dafür das Alter 67 Jahre angesetzt.
  • Das bedeutet, wenn man z. B. mit 45 Jahren erwerbsunfähig wird, rechnet die Rentenversicherung so weiter, als hätte man von 45 bis 67 dauerhaft in den Beruf eingezahlt.
  • Mehr Versicherungspunkte bedeuten automatisch eine höhere monatliche Rente.

Diese Regelung soll verhindern, dass Betroffene aufgrund einer frühen gesundheitlichen Einschränkung dauerhaft mit einer sehr geringen Rente leben müssen.

Voraussetzungen für den Anspruch auf EM-Rente

Um Anspruch auf eine Erwerbsminderungsrente zu haben, gelten folgende Bedingungen:

  1. Allgemeine Wartezeit: Es müssen mindestens 60 Monate (5 Jahre) in der gesetzlichen Rentenversicherung nachgewiesen werden.
  2. Pflichtbeiträge: In den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung müssen mindestens drei Jahre Pflichtbeiträge entrichtet worden sein.
  3. Gesundheitliche Einschränkung: Die Erwerbsfähigkeit muss nachweislich durch einen Rentenversicherungsgutachter auf weniger als 6 Stunden täglich reduziert sein.

Wichtige Ausnahme

Wenn die Erwerbsminderung durch einen Arbeitsunfall oder eine Berufskrankheit entstanden ist, reicht ein einziger eingezahlter Beitrag aus. Damit wird sichergestellt, dass auch Berufseinsteiger abgesichert sind, die noch keine lange Versicherungszeit nachweisen können.


Höhe der Erwerbsminderungsrente durch die Zurechnungszeit

Die Berechnung der EM-Rente erfolgt auf Basis folgender Faktoren:

  • Entgeltpunkte, die aufgrund von Beschäftigungs- und Versicherungszeiten gesammelt wurden
  • Die Zurechnungszeit, die weitere fiktive Entgeltpunkte beiträgt
  • Der aktuelle Rentenfaktor (bei voller Erwerbsminderung 1,0; bei teilweiser 0,5)
  • Der aktuelle Rentenwert (Juli 2025 -> 40,79

Beispiel:

  • Ein Versicherter mit 20 Jahren Beitragszeit wird mit 45 Jahren erwerbsunfähig.
  • Ohne Zurechnungszeit bekäme er nur die Rentenpunkte für diese 20 Jahre.
  • Durch die Zurechnungszeit werden ihm aber Punkte bis zum 67. Lebensjahr angerechnet.
  • Ergebnis: Die monatliche Rente kann um mehrere Hundert Euro höher ausfallen als ohne Zurechnungszeit.

Unterschied: Volle und teilweise Erwerbsminderung

  • Volle Erwerbsminderung: Erwerbstätigkeit ist weniger als 3 Stunden täglich möglich → Anspruch auf volle EM-Rente.
  • Teilweise Erwerbsminderung: Erwerbstätigkeit ist noch 3–6 Stunden täglich möglich → Anspruch auf halbe EM-Rente.
    Auch bei der teilweisen Erwerbsminderung wird die Zurechnungszeit mitberechnet. Allerdings fällt die Rentenhöhe entsprechend niedriger aus.

Frühere vs. aktuelle Rechtslage: Verbesserungen seit 2019

Die Zurechnungszeit wurde in den letzten Jahren mehrfach reformiert, um die Renten von Erwerbsgeminderten zu verbessern:

  • Bis 2018 endete die Zurechnungszeit mit dem 62. Lebensjahr.
  • 2019 erfolgte eine Anhebung auf 65 Jahre und 8 Monate.
  • Seit 2024 gilt nun eine Fortschreibung bis 67 Jahre.

Das bedeutet: Wer heute erwerbsgemindert wird, profitiert von einer deutlich längeren Zurechnungszeit und damit von deutlich mehr Rentenpunkten.

Steuerliche Aspekte der Erwerbsminderungsrente

Die Erwerbsminderungsrente ist – ähnlich wie die Altersrente – steuerpflichtig. Allerdings gilt ein jährlicher Rentenfreibetrag, der abhängig vom Rentenbeginn ist. Sozialabgaben (Kranken- und Pflegeversicherung) werden ebenfalls abgezogen.

Antragstellung und Verfahren

Wer eine EM-Rente beantragen möchte, sollte folgende Schritte beachten:

  1. Antrag bei der Deutschen Rentenversicherung stellen.
  2. Ärztliche Unterlagen und Gutachten einreichen.
  3. Prüfverfahren durch die Rentenversicherung abwarten.
  4. Bei Ablehnung: Widerspruch einlegen und ggf. Rechtsbeistand in Anspruch nehmen.

FAQ zur Zurechnungszeit bei der EM-Rente

Wann wird die Zurechnungszeit berücksichtigt?

Immer dann, wenn eine Rente wegen Erwerbsminderung beginnt.

Gibt es die Zurechnungszeit auch bei Altersrenten?

Nein, sie gilt ausschließlich für Renten wegen Erwerbsminderung, Erziehungsrenten und Hinterbliebenenrenten.

Wie wirkt sich eine Teilzeitarbeit vor der Erwerbsminderung aus?

Die fiktiven Zeiten werden so bewertet, als hätten Sie Ihr bisheriges durchschnittliches Einkommen weiterbezogen – Teilzeit reduziert diesen Durchschnitt.

Bekomme ich automatisch die Zurechnungszeit angerechnet?

Ja, die Zurechnungszeit wird ohne gesonderten Antrag von der Rentenversicherung berücksichtigt.

Erhöht die Zurechnungszeit auch die spätere Altersrente?

Ja, da die erworbenen Rentenpunkte dauerhaft in die Rentenbiografie einfließen.

Fazit

Die Zurechnungszeit in der Erwerbsminderungsrente ist eine der wichtigsten Stellschrauben, wenn es um die finanzielle Absicherung bei gesundheitlichen Einschränkungen geht. Sie verhindert, dass Menschen, die früh aus dem Erwerbsleben ausscheiden müssen, dauerhaft mit einer Mini-Rente abgespeist werden. Durch die Reformen der letzten Jahre ist die Anrechnung bis 67 Jahre eine erhebliche Verbesserung. Für Betroffene lohnt es sich daher, den Antrag rechtzeitig zu stellen und im Zweifel fachkundigen Rat einzuholen.

Redakteure

  • Peter Kosick

    Jurist und Redakteur

    Peter Kosick hat an der Universität Münster Rechtswissenschaften studiert und beide juristische Staatsexamen in Nordrhein-Westfalen mit Erfolg abgelegt. Er arbeitet als freiberuflicher Jurist, ist Autor verschiedener Publikationen und hält Vorträge im Bereich Arbeits- und Sozialrecht. Seit mehr als 30 Jahren engagiert er sich im sozialen Bereich und ist seit der Gründung des Vereins "Für soziales Leben e.V." dort Mitglied. Peter Kosick arbeitet in der Online Redaktion des Vereins und ist der CvD. Seinen Artikeln sieht man an, dass sie sich auf ein fundiertes juristisches Fachwissen gründen. Peter hat ebenfalls ein Herz für die Natur, ist gern "draußen" und setzt sich für den Schutz der Umwelt ein. Seine Arbeit im Redaktionsteam von buerger-geld.org gibt ihm das Gefühl,  etwas Gutes für das Gemeinwohl zu tun.

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  • ik
    Experte:

    Sozialrechtsexperte und Redakteur

    Ingo Kosick ist ein renommierter Experte im Bereich des Sozialrechts in Deutschland. Er engagiert sich seit über 30 Jahren in diesem Feld und hat sich als führende Autorität etabliert. Als Vorsitzender des Vereins Für soziales Leben e.V., der 2005 in Lüdinghausen gegründet wurde, setzt er sich für die Unterstützung von Menschen ein, die von Armut und Arbeitslosigkeit betroffen sind. Der Verein bietet über das Internet Informationen, Beratung und Unterstützung für sozial benachteiligte Menschen an. Ingo Kosick ist zudem ein zentraler Autor und Redakteur auf der Plattform buerger-geld.org, die sich auf Themen wie Bürgergeld, Sozialleistungen, Rente und Kindergrundsicherung spezialisiert hat. Seine Artikel bieten fundierte Analysen und rechtlich aufgearbeitete Informationen, die Menschen in schwierigen Lebenssituationen unterstützen sollen. Durch seine langjährige Erfahrung und sein Engagement hat Ingo Kosick maßgeblich dazu beigetragen, dass sozial benachteiligte Menschen in Deutschland besser informiert und unterstützt werden können.

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